Der Klagsverband hat diskutiert: diesmal über UN-Individualbeschwerden

Das Interesse an der Veranstaltung war groß. Vor allem VertreterInnen von Behindertenverbänden erkundigten sich nach den Voraussetzungen für dieses Rechtsmittel.

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Individualbeschwerden bei der UNO gehören zu den wenig bekannten Rechtsmitteln. In welchen Fällen es sinnvoll ist, eine Individualbeschwerde zu machen und was damit erreicht werden kann, haben wir vergangene Woche mit unseren Gästen Mümtaz Karakurt, Klaudia Karoliny und Silvia Ulrich diskutiert.

Erste Beschwerde nach der UN-Behindertenrechtskonvention aus Österreich

Klaudia Karoliny von der Selbstbestimmt-Leben-Initiative Oberösterreich hat eine Beschwerde vorgestellt, die der Klagsverband erst vor Kurzem unterstützt hat.

Ein blinder Linzer hat sich an SLI Oberösterreich gewandt, weil bei der Verlängerung einer Straßenbahnlinie auf die sonst übliche akustische Sprachausgabe verzichtet wurde. (Klicken Sie hier, um mehr über diesen Sachverhalt zu erfahren.)

Nach einer umfangreichen Beratung hat der blinde Linzer den Straßenbahnbetreiber mit Unterstützung des Klagsverbands geklagt. Die Gerichte in Österreich konnten allerdings keine Diskriminierung erkennen. Damit war der Weg frei für die erste Beschwerde nach der UN-Behindertenrechtskonvention aus Österreich.

Zuerst muss der innerstaatliche Rechtsweg ausgeschöpft werden

Bei einer Individualbeschwerde sind eine Reihe von Formalitäten zu beachten, hat Andrea Ludwig, die Leiterin der Rechtsdurchsetzung beim Klagsverband, das Instrument dann näher vorgestellt:

Zuerst muss der innerstaatliche Rechtsweg ausgeschöpft werden. Einer Individualbeschwerde geht also meist ein langer Rechtsstreit voraus. Sobald eine Beschwerde an die Kommission nach Genf geschickt wird, haben wir es nicht mehr mit der Klage Einzelner gegen ein Privatunternehmen oder eine andere Person zu tun. Beim Individualbeschwerdeverfahren wird eine Menschenrechtsverletzung durch den Staat angezeigt.

Die Beschwerde muss sich auf eine der internationalen Konventionen beziehen, die Österreich ratifiziert hat und in der jeweiligen Amtssprache des zuständigen Ausschusses verfasst werden.

Wenn die Beschwerde alle formalen Voraussetzungen erfüllt, wird sie vom Ausschuss geprüft. Dieser antwortet dann mit Empfehlungen an den Vertragsstaat.

Erfolgsgeschichte: CEDAW-Beschwerden aus Österreich

Die Empfehlungen haben einen großen Nachteil: Sie sind nicht bindend und es gibt auch keinerlei Sanktionsmöglichkeiten, wenn ein Vertragsstaat die Empfehlungen nicht umsetzt.

Universitätsprofessorin Silvia Ulrich konnte allerdings von zwei Individualbeschwerden berichten, die anhand der UN-Frauenrechtskonvention CEDAW eingebracht wurden und die wesentliche Verbesserung des Gewaltschutzes in Österreich nach sich gezogen haben.

Nachdem zwei Frauen von ihren Ehemännern ermordet worden waren, klagten die hinterbliebenen Kinder und wandten sich schlussendlich an die UNO. Das Komitee forderte Österreich auf, bedrohte Frauen effizienter vor Gewalt zu schützen. Daraufhin initiierte die Regierung eine Reihe von Maßnahmen, u.a. wurde das Gewaltschutzgesetz novelliert. (Klicken Sie hier, um mehr über die CEDAW-Beschwerden zu erfahren).

Passives Wahlrecht mit jahrelangem Rechtsstreit erkämpft

Aber auch andere Konventionen, die Österreich ratifiziert hat, lassen Individualbeschwerden zu. Mümtaz Karakurt, der Geschäftsführer von migrare, stellte seine Individualbeschwerde vor, die Teil eines jahrelangen Rechtsstreits war, der schlussendlich das passive Wahlrecht für alle Personen bei AK- und Betriebsratswahlen brachte.

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