Überlegt man eine mögliche Reform der Aktion "Licht ins Dunkel", fiele einem vieles ein. (Gastkommentar von Franz-Joseph Huainigg in der Presse vom 23.12.2005)
Wenn es draußen kalt wird, versammelt sich die Familie bei Kerzenlicht und Tannenzweigen in der warmen Stube. Dann schiebt der ORF seinen medialen Weihnachtsbraten in den Ofen und der süßliche Duft des Mitleids, vermischt mit verlockenden Küchen- und Keksgerüchen bringt das alljährliche Gefühl: Es ist Weihnachten in Österreich.
„Die Aktion Licht ins Dunkel gehört zu Weihnachten wie das Vanillekipferl“, erklärt Jörg Ruminak in der ORF-Gala. Tatsächlich klingelt nicht nur das Christkind sondern auch seit über dreißig Jahren der ORF-Klingelbeutel: Für behinderte und benachteiligte Kinder wird gesammelt.
An und für sich ein löbliches Unternehmen, müsste nicht aus werbestrategischen Gründen mit Klischees und drastischen Vereinfachungen gespielt werden. Viele betroffene Menschen sehen die mediale Darstellung der Spendenaktion sehr kritisch. Sie sind der Meinung, dass diese Mitleid erregende Fernsehrealität nichts mit dem wahren Leben behinderter Menschen zu tun hat. Den gesellschaftlichen Wandel, weg vom Fürsorgegedanken – hin zum gleichberechtigten Miteinander und selbst bestimmten Leben, hinkt der ORF speziell zu Weihnachten weit hinterher.
Den ORF-Verantwortlichen ist jedoch eine diesbezügliche Verbesserung in den letzten Jahren einzugestehen. Nach Eigendefinition des ORF soll „Licht ins Dunkel“ die Anliegen behinderter Menschen vertreten. Auffällig ist dabei die einzige Ausnahme:
In der Hauptsendung am 24. Dezember in der Mittagszeit moderiert Elmar Oberhauser traditionell eine mit VertreterInnen aller vier Parteien hochrangig besetzte Diskussionsrunde. Im Gespräch war letztes Jahr eine mögliche Pensionserhöhung. Die Situation behinderter Menschen kam mit keinem Wort vor. Gerade hier könnte „Licht ins Dunkel“ symbolisch jene Lücke füllen, die sonst in den Nachrichtensendungen klafft. Denn „Behinderten“-Themen kommen zumeist gar nicht oder wenn, dann nur am Rande als Kurzmeldungen vor.
Kein Thema waren beispielsweise die jüngsten Entwicklungen in den Niederlanden und in Belgien. In den Niederlanden ist seit Jahren die Euthanasie für Kinder ab zwölf Jahren gesetzlich erlaubt, nunmehr wird an der Umsetzung der aktiven Sterbehilfe für behinderte Säuglinge gearbeitet. In Belgien gibt es monatlich bereits geschätzte 150 Fälle von aktiver Sterbehilfe, sie soll dort nun auch auf Demenzkranke ausgedehnt werden.
Aber es gibt auch österreichische Themen, die keinen Nachrichtenwert haben. Die pränatale Rasterfahndung greift. Denn unter dem Titel der Eugenischen Indikation können hierzulande behinderte Föten bis zur Geburt abgetrieben werden. Als Folge kam im heurigen Jahr in Vorarlberg kein Kind mit Down-Syndrom auf die Welt. Geht die Tendenz so weiter, wird auch in der Sendung „Licht ins Dunkel“ letztendlich das strahlende Lächeln einer ganzen Behindertengruppe für immer verschwinden.
Überlegt man eine mögliche Reform der Aktion „Licht ins Dunkel“, fiele einem vieles ein: Beispielsweise wäre ein behinderter Co-Moderator für den ORF eine kleine Sensation. Betroffene Menschen sollten neben den Stars gleichberechtigt auftreten. Auch die Großspender könnten statt mitgebrachter Schecks offene Lehrplätze oder Arbeitsangebote für behinderte Menschen mitbringen. Durch die gemeinsame Arbeit würden sie andere Erfahrungen in die Sendung mitbringen als sie es mit einem kurzen Besuch in einem Behindertenprojekt machen können.
Ein Leben im Halbdunkeln führt der Verein Licht ins Dunkel. Denn während der typische Spender wohl glaubt, sein Geld bekommt der ORF, eine staatlich geprüfte Medienanstalt, ist es in Wahrheit der dahinter stehende Verein. Ein Vorstand, bestehend aus acht Mitgliederorganisationen, verwaltet das Spendeneinkommen, welches in den letzten 33 Jahren über 144.000.000 ausmachte.
Durch die ORF-Partnerschaft wurde „Licht ins Dunkel“ zum weihnachtlichen Platzhirschen am Spendenmarkt. Er verdrängte dadurch andere Hilfsorganisationen und konnte einen Großteil des Spendenvolumens auf sich ziehen. Der Verein allein entscheidet auch nach eigenen Gesichtspunkten über die Verwendung der Mittel. „Licht ins Dunkel“ erhielt vor wenigen Tagen (am 19. Dezember) nun auch das Österreichische Spendengütesiegel.
Selbst die Marke „Licht ins Dunkel“ gehört nicht dem ORF sondern dem Verein. Würde der ORF den Markennamen ändern wollen, wie es behinderte Menschen seit Jahren fordern, da sie nicht im Schatten leben, wie es der Name suggeriert, müsste der Verein dem zustimmen. Hier wäre bei den Vereinsmitgliedern mehr Offenheit und Mut für neue Wege gefordert.
Gehen der ORF und der Verein Licht ins Dunkel in eigener Sache mit gutem Beispiel voran? Beide Organisationen sollen sich die Frage gefallen lassen, ob sie behinderte Menschen beschäftigen: Ist da jemand?