„Der ORF hätte des Jahres nicht bedurft“

Am 20. Februar präsentierte der ORF vor BehindertenvertreterInnen seine Pläne für das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderung.

Verena Krausneker
Bea Hasler

Wir könnten jetzt über positive Aspekte und Althergebrachtes aus den Plänen berichten, werden dies aber ein anderes Mal tun.

Berichtenswert ist eine kurze Wortkonfrontation zwischen der Generaldirektorin des ORF, Dr. Monika Lindner und Mag. Verena Krausneker, Vertreterin des Österreichischen Gehörlosenbundes (ÖGLB).

Nachdem mehrere VertreterInnen des ORF – inklusive der Generaldirektorin – wiederholt betont hatten, daß der ORF dieses Jahres nicht bedurft hätte, fragte die Vertreterin des Gehörlosenbundes ob – wie in vielen anderen Staaten – auch bei uns endlich geplant sei, eine tägliche Nachrichtensendung mit Gebärdensprachdolmetscherin zu senden.

Damit wurde anscheinend ein wunder Punkt getroffen. Die Generaldirektorin verneinte und gestand, daß sie mit dieser Frage gerechnet hatte. Dem ORF koste das zu viel Geld und außerdem verstehen nur 30.000 Menschen die Österreichische Gebärdensprache, so Lindner.

Krausneker ließ nicht locker: Kinder können – egal ob hörend oder gehörlos – Untertitel noch nicht lesen. Das gesamte Kinderprogramm des ORF ist für gehörlose Kinder nicht zugänglich, nicht verstehbar, vermittelt außer bunten Bildern keinen Informations- und Bildungsgehalt.

Dies wies Lindern entschieden zurück, ohne die Argumente entkräften zu können, weil es Tatsachen sind. Die Diskussion war damit beendet; zumindest an diesem Tag.

„Aufgrund der unzulänglichen Bildungssituation haben viele gehörlose Menschen Probleme, Deutsch zu lesen und zu schreiben. Deutsch ist eine Fremdsprache für sie, im besten Falle ihre Zweitsprache.“ erklärt Mag. Helene Jarmer, Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes.

„Viele gehörlose ÖsterreicherInnen sind leider als funktionale AnalphabetInnen zu bezeichnen.“ verweist Jarmer auf die Realität. „Das bedeutet, daß sie Informationen über Printmedien nicht verstehen können. Auch Untertitel sind nur die schriftliche Form von Deutsch, also Texte, aus denen Gehörlose oft nicht den ganzen Sinn erfassen können.“

Deshalb fordert der ÖGLB seit Jahren, zumindest einmal am Tag eine Nachrichtensendung mit Einblendung einer Gebärdensprachdolmetscherin zu zeigen. „Nachdem die ZIB ja sowieso auf 2 Programmen gleichgeschaltet läuft, bietet sich das doch an!“ so Jarmer verärgert über die Ausflüchte des ORF.

Das Argument, daß der ORF einfach nicht genug Geld habe, ist schwer zu akzeptieren. „Es ist halt die Frage, wofür das Geld ausgegeben wird, was man als wichtig erachtet und wo man Prioritäten setzt.“ ergänzt Krausneker.

Es zeugt von einem seltsamen Mehrheitsverständnis, von mangelndem Bewußtsein und Geringschätzung der in Österreich vorhandenen sprachlichen und menschlichen Vielfalt.

Am 21. Februar – also einen Tag nach der ORF-Vorstellung – war der von der UNESCO ausgerufene Tag der Muttersprache. Es wird höchste Zeit, daß die Österreichische Gebärdensprache in einem zu schaffenden Behindertengleichstellungsgesetz anerkannt wird.

Übrigens: Am Ende des Jahres wird sich nicht die Frage, ob der ORF „so eines Jahr Jahres“ bedurft hätte stellen, sondern ob der ORF das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen genutzt hat.

Nicht um andere zu sensibilisieren, sondern um eigene Standpunkte zu hinterfragen und Verbesserungen einzuleiten. Doch derzeit muß man in diesem Punkt beim ORF schwarz sehen.

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