Der Tag des weißen Stockes wird zum Aktionstag gegen Behindertendiskriminierung!

Der Verein Blickkontakt stellt den weltweiten "Tag des weißen Stockes" am 15. Oktober unter das Motto "SCHLUSS mit Behindertendiskriminierung in Österreich!".

Taxi mit Megaphone 20021015
Blickkontakt

Weltweit wird seit 1964 – ausgehend von den USA – am 15. Oktober der „Tag des weißen Stockes“ begangen, an dem auf die Lebenssituation und die Anliegen blinder und sehbehinderter Menschen aufmerksam gemacht werden soll.

Der Verein Blickkontakt begeht den „Tag des weißen Stockes“ bewusst anders, als man sich das landläufig von einem Verein für blinde und sehbehinderte Menschen erwartet und stellt nun den 15. Oktober 2002 unter das Motto „SCHLUSS mit den Behindertendiskriminierungen in Österreich!“. Mit einem Lautsprecherwagen trägt Blickkontakt, die Interessensgemeinschaft sehender, sehbehinderter und blinder Menschen, die zahlreichen Diskriminierungen blinder und sehbehinderter Menschen in Österreich an eben diesem Tag an die Öffentlichkeit. Der Lautsprecherwagen trägt seine Botschaften am 15. Oktober zwischen 13:00 und 15:00 Uhr durch die Wiener Innenstadt:

  • Blinde und hochgradig sehbehinderte JuristInnen dürfen in Österreich weder RichterIn noch StaatsanwältIn werden, obwohl das in anderen EU-Mitgliedstaaten, wie Deutschland oder Großbritannien ohne weiteres möglich ist!
  • Blinde Menschen mit abgeschlossenem Lehramtsstudium – etwa für Geschichte, Germanistik, Romanistik … – dürfen z. B. an einer AHS in Österreich nicht unterrichten!
  • Blinde Menschen müssen alle schriftlichen Verträge – etwa Kredit-, Miet-, Kauf-, Leasingvertrag – gegen teures Geld beim Notar in der Form eines Notariatsaktes schließen und können sich nicht etwa einer Person ihres Vertrauens bedienen, da diese Verträge sonst unwirksam sind!
  • Blinde Menschen werden rechtlich noch immer nicht als vollwertige Trauzeugen – etwa für ihre engsten Freunde – anerkannt, so dass sie – anders als alle anderen Menschen – in Österreich noch einen Zusatzzeugen benötigen!
  • Blinde und sehbehinderte Menschen dürfen nach geltendem österreichischem Urheberrecht keine Bücher im Ganzen einscannen und damit für sie am Computer mit Sprachausgabe oder Blindenschriftzeile lesbar machen, da das eine verbotene Vervielfältigung darstellt und unter Strafsanktion steht.
  • Die für sehbehinderte und blinde Menschen so wichtigen akkustischen Ampeln werden immer wieder aus Angst der österreichischen Behörden vor Anrainerbeschwerden über den „Lärm“ so leise eingestellt, dass sie entweder nicht mehr verwendbar sind oder gar noch zu einer zusätzlichen Gefahrenquelle für sehbehinderte und blinde Verkehrsteilnehmer werden!

Und das alles im Jahr 2002, also knapp vor dem Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderung 2003, in dem ja alle Bemühungen unter dem Zeichen der Antidiskriminierung und Behindertengleichstellung stehen sollen!

„Wir dürfen uns diese Missachtung unserer Persönlichkeit und unserer Fähigkeiten nicht länger gefallen lassen, sondern müssen uns unüberhörbar gegen derart haarsträubende Behindertendiskriminierungen in Österreich zur Wehr setzen“, erklärt Mag. Michael Krispl, der blinde Jurist des Vereines Blickkontakt, der ebenfalls mit an Bord des Lautsprecherwagens ist. „Es ist höchste Zeit für ein Behindertengleichstellungsgesetz in Österreich, mit dem behinderten Menschen auch ein durchsetzbares Recht, nicht benachteiligt oder diskriminiert werden zu dürfen, eingeräumt wird“, so Krispl. Blickkontakt bringt diese legitime Forderung auch mit dem Outfit des Lautsprecherwagens zum Ausdruck, prangt doch auf der Kühlerhaube eine Grafik von Ulli Krispl, der selbst sehbehinderten Ehefrau von Michael Krispl, die eine Justitia mit Augenbinde, Waage und einem Blindenstock zeigt. „Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit, entschied stets blind! Und für wen war oder ist das ein Problem? War sie deshalb etwa nicht fähig Recht zu sprechen?“, fragt Dr. Elisabeth Wundsam, die blinde Juristin und Vorsitzende des Vereines Blickkontakt.

Blickkontakt wird in seinem Appell gegen die Diskriminierungen blinder und sehbehinderter Menschen in Österreich aber auch durch die sehbehinderten und blinden Freunde in Deutschland unterstützt. So protestiert etwa auch der Deutsche Verband Blinder und Sehbehinderter in Studium und Beruf (DVBS) gegen die erst jüngst wieder drastisch offenbar gewordene Diskriminierung sehbehinderter und blinder JuristInnen in Österreich, die nach wie vor wegen der unfassbaren Haltung des Justizministeriums und weiter Teile der Richterschaft vom Zugang zum Richterberuf und vom Beruf des Staatsanwaltes wegen ihrer Behinderung ausgeschlossen werden.

„Wir müssen den Menschen zeigen, dass Blindheit oder eine Sehbehinderung keine Andersartigkeit ist, sondern nur ein Leben unter anderen Rahmenbedingungen bedeutet. Wir suchen uns unsere Methoden, wie wir damit zurecht kommen und uns trotz der Einschränkungen voll im täglichen Leben bewehren, doch werden wir immer wieder durch Vorurteile, Skepsis und „schützende“ Entmündigungen an der chancengleichen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben behindert und damit auch diskriminiert. Wir unterstellen dabei natürlich niemandem eine böse Absicht, doch fordern wir blinden und sehbehinderten Menschen, gerade jetzt, am „internationalen Tag des weißen Stockes“, vehement, dass das Benachteiligungsverbot für behinderte Menschen in Art. 7 der Österreichischen Bundesverfassung mit Leben erfüllt und ein Behindertengleichstellungsgesetz geschaffen wird, das mit derartigen Benachteiligungen und Diskriminierungen behinderter Menschen in Österreich endgültig SCHLUSS macht!“, so Dr. Wundsam abschließend.

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