Des Bundeskanzlers „Neue Gerechtigkeit“

Sie ist derzeit in aller Munde, die „Neue Gerechtigkeit“, die der neue – und, man sollte es sich immer wieder vergegenwärtigen, mit 31 Jahren jüngste – Bundeskanzler Sebastian Kurz der österreichischen Bevölkerung durch ständiges Wiederholen quer durch alle Medien eingebläut hat. Ein Kommentar.

Sebastian Kurz
ÖVP

„Wer arbeitet und Leistung erbringt, darf nicht der Dumme sein. Das ist unser Anspruch an eine neue Gerechtigkeit.“ (Sebastian Kurz)

Der Mensch soll sich grundsätzlich selbst erhalten. Ansonsten bekommt er „Hilfe“. Im Falle, dass er „Vermögen“ besitzt, „kann es nicht Aufgabe der Allgemeinheit sein, ihn jahrelang finanziell zu versorgen.“ Das sei sozial nicht gerecht.

Vizekanzler Heinz-Christian Strache ergänzt das politische Neusprech: „ein Leben lang fleißig arbeiten“, „unschuldig arbeitslos“, „keine Einwanderung in das österreichische Sozialsystem“. Ziel sei ein „treffsicheres Sozialsystem“. Wer auf jeden Fall jetzt getroffen bzw. verunsichert ist: Empfänger von Notstandshilfe und Mindestsicherung.

Bedenken 1:
Gerechtigkeit“ ist ein komplexer Begriff. Hier wird er als politisches Schlagwort verwendet, als scheinbare Antwort auf die Verunsicherung großer Teile der Bevölkerung. Aber was gerecht ist und was nicht, hängt von der Perspektive des Individuums ab. Auch Neid und Unwissenheit spielen eine große Rolle.

Bedenken 2:
Viele behinderte Menschen sind durch die Ansagen der neuen Bundesregierung stark verunsichert. Sind sie – nach den Asylsuchenden und den „vielen“ Arbeitsscheuen – die nächste Gruppe, die sich die Regierung vorknöpfen wird? Die Arbeitslosigkeit unter behinderten Menschen ist hoch, Chancengleichheit im Bereich Bildung und Arbeit nicht gegeben. Viele behinderte Menschen werden in Institutionen meist gegen ihren Willen verwahrt.

Es scheint, dass unsichere Zeiten auf uns zukommen werden. Nicht mehr Verlassen-Können auf Bürger-/Menschenrechte oder gesetzlich zuerkannte Leistungen. Die Auflösung der Solidargemeinschaft. Angst vor Verlust und sozialem Abstieg. Was bleibt dann noch als die Rolle des Geduldeten, des Bittstellers à la Licht-ins-Dunkel?

Bedenken 3:
Die Arbeitswelt wird sich grundlegend verändern. Die sogenannte „Industrialisierung 4.0“ („Digitalisierung“), der zunehmende Einsatz von „Robotik“ und „Künstlicher Intelligenz“ wird viele Jobs überflüssig machen. Die wirklich wichtigen Fragen: Was ist Arbeit? Was ist Leistung? Ist die Einführung eines „Bedingungslosen Grundeinkommens“ eine mögliche Lösung?

Bedenken 4:
Unser bisheriges Menschenbild wird zunehmend in Frage gestellt. Bisher galt: Jeder Mensch ist gleich viel wert. Das neue Menschenbild hingegen ist geprägt von Egozentrismus. Was zählt ist ein Job, Konsum, Gesundheit, ständige Selbstoptimierung. Der neue Mensch möchte kein Opfer oder Verlierer sein, sondern jemand, der etwas geschafft hat. Ein Gewinnertyp – so wie der Sebastian Kurz eben, das Vorbild vieler junger Menschen. Der Neoliberalismus ist mit rechtsradikalem Gedankengut eine Symbiose eingegangen.

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5 Kommentare

  • Warum hat noch kein Journalist von den Politikern eine Beschreibung des Unterschiedes einer hart arbeitenden den Mindestlohn erhaltenden Altenpflegerin und eines steuerschonend Milliarden verschiebenden sogenannten Leistungsträgers und welche Leistung diese für die Allgemeinheit erbringen, verlangt.

  • Na dann werden nun auch die arbeitenden „Behinderten“ in den „Behindertenwerkstätten“ regulär beschäftigt und voll entlohnt dafür, dass diese ihre Arbeitskraft voll einsetzen.

  • Zu Problemen die auftreten schweigt der Kurz, wie Schüssel.
    Was jetzt Kurz und Strache im Sozialbereich zerstören kann dann nicht mehr wirklich wieder hergestellt werden.

  • Es gibt ja bekanntlich jemanden, der gefragt hat. „was war meine Leistung“. Ob sich unser allerliebster Bundeskanzler diese Frage auch einmal stellen wird oder fehlt ihm dazu die nötige Selbsteinsicht?

  • Eine Gesellschaft ist soviel wert, wie sie mit ihren Schwästen umgeht. Ich habe auch sehr viele Bedenken dieser „Regierung“ gegenüber. Weiter wachsam bleiben und auf Zwischentöne achten. Danke für diesen Artikel. Helly Wannerer