Designer-Babys, Eugenik – oder „Vorsorge“?

Die Presse: Grenzfragen der Bioethik

Forscherin
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Dieser Artikel zu Fragen der Bioethik ist in „Die Presse“ erschienen:

„Soll man Embryonen auf genetische Schäden untersuchen – und danach „aussuchen“? Darf man tiefgefrorene Embryonen für Stammzellenforschung verwenden? Oder soll man sie zur Adoption freigeben? Mit solchen heiklen Fragen wird sich die neue Bioethik-Kommission beschäftigen müssen.

Wann beginnt Leben? Ab wann muß es gesetzlich geschützt werden? Und, noch heikler, wann ist es „lebenswert“? Solche grundlegende Fragen wird wohl auch die neue, von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel eingesetzte Bioethik-Kommission nicht eindeutig beantworten können. „Es gibt eben Fragen, die zum heutigen Zeitpunkt einfach nicht leicht zu beantworten sind“, meint Heinz Ludwig, Krebsexperte am Wiener Wilhelminenspital und eines der 19 Mitglieder der Kommission, in der Mediziner und Genetiker genauso vertreten sind wie Rechtsexperten, Soziologen, Philosophen und Theologen.

Stichwort Theologie: Für die christlichen Kirchen beginnt das Leben bereits mit der Vereinigung von Samen- und Eizelle. Auch aus diesem Grund sind die meisten Theologen gegen die Präimplantationsdiagnostik (kurz PID) – ein Thema, das die Bioethik-Kommission – und nicht nur die – noch sehr beschäftigen wird. Denn hier gehen die Wogen hoch.

Bei der in Österreich verbotenen PID wird im Zuge einer In-vitro-Fertilisation (IVF) – also einer Befruchtung außerhalb des Körpers, in der Petrischale – der frisch entstandene Embryo auf Erbschäden hin untersucht und allenfalls nicht in den Uterus eingepflanzt. Ethische Bedenken zu diesem Verfahren reichen von einer modernen Version der NS-Eugenik bis zur Vision vom „Designer-Baby“.

Aus den USA wurde vor kurzem eine diesbezügliche „Premiere“ gemeldet: Um sicherzustellen, daß sie eine – das Krebsrisiko stark erhöhende – Mutation an einem Gen namens p53 an ihre Kinder nicht weitergeben, ließ ein Paar per IVF erzeugte Embryonen darauf untersuchen – und dann gezielt einen Embryo mit intaktem p53 implantieren.

Aktive Eugenik?
Ist das bereits moralisch verwerfliche „Selektion“? Eine Vorstufe zur aktiven Eugenik? Oder ist es doch akzeptabel, wenn genetisch bedingte schwere Krankheiten wie das Down-Syndrom (Mongolismus) oder die Bluterkrankheit auf diese Weise „ausgeschlossen“ werden? Und was ist, wenn Eltern einmal ihre Kinder nach Genen „auslesen“ wollen, die – zumindest nach aktuellem Erkenntnisstand der Genetik – Intelligenz, Verhalten oder Aussehen beeinflussen sollen?

Der evangelische Theologe Ulrich Körtner, auch Mitglied der Ethikkommission, zweifelt daran, daß man legistisch sicherstellen kann, daß PID nur in „schweren Fällen“ eingesetzt wird. Selektion von Menschen aufgrund bestimmter Eigenschaften sei jedenfalls abzulehnen. Zum Fall der p53-Mutation wirft Körtner ein, daß es sich dabei nur um eine Disposition für Krebs handelt und dieser ja „nicht unbedingt zum Ausbruch kommen muß“. Auch sei „freiwilliger Kinderverzicht eine vertretbare Alternative“.

Für den Mediziner Ludwig stellt bei der Entdeckung eines genetischen Defekts durch PID eine brisante Frage: „Wer kann dann beurteilen, ob dieses Leben lebenswert ist? Dürfen wir in die Schöpfungsgeschichte eingreifen, wenn das Leben aus unserer Sicht nicht lebenswert ist? Aber ist unsere Sicht richtig? Und ist es ethisch gerechtfertigt, wenn aufgrund von PID Leben, das entstehen könnte, nicht zum Leben geführt wird?“ Karl Illmensee von der Innsbrucker Universitätsklinik für Frauenheilkunde sieht die Sache ganz anders.

„Präimplantationsdiagnostik, also Diagnostik an einer gerade befruchteten Eizelle, ist bei uns verboten, spätere Untersuchungen im Mutterleib auf Erbschäden hin aber sind erlaubt. Und wenn man so in der elften Schwangerschaftswoche oder gar erst im vierten Monat einen genetischen Defekt entdeckt, dann darf legal abgetrieben werden, das paßt doch nicht zusammen“, wettert Illmensee. Und schließlich selektiere auch die Natur selbst, auch in der Schwangerschaft: „Nur 50 Prozent der gezeugten Embryonen werden überhaupt in die Gebärmutter eingenistet.“ Dazu kommen Fehlgeburten, die in einer frühen Phase von der Frau meist gar nicht bemerkt werden.

So setzt sich Illmensee vehement für die Einführung von PID in Österreich ein. „In 20 Ländern der Erde ist sie bereits erlaubt, in mehr als 100 Zentren wird sie praktiziert, so in England, Frankreich, Italien, Belgien, den USA oder Brasilien.“

Dazu kommt ein zweites ethisches Problem: Kann man davon sprechen, daß mit den nicht implantierten Embryonen, wenn sie weggeworfen werden, menschliches Leben getötet wird? Für Ludwig – „das ist meine ganz persönliche Meinung und nicht die der Kommission“ – beginnt Leben erst mit der Einnistung des Embryos in die Gebärmutterschleimhaut, also sieben bis neun Tage nach der Befruchtung. „Denn menschliches Leben kann in vitro derzeit Gott sei Dank noch nicht erzeugt werden.“

So wie PID ist in Österreich auch Forschung und Therapie mit embryonalen Stammzellen nicht erlaubt. In den meisten europäischen Ländern, die Gesetze dazu erlassen haben, ist die Forschung an bei Fehlgeburten abgegangenen Föten erlaubt, nicht jedoch das therapeutische Klonen. Bei diesem wird das Erbgut eines Erwachsenen in eine fremde Eizelle eingebracht, die sich dann teilt, „als ob“ sie befruchtet worden wäre.

Während des vierten bis siebten Tages der Entwicklung (durch fortwährende Zellteilung) werden dann Stammzellen – Zellen, die noch nicht „ausdifferenziert“ sind, sondern sich noch in alle Richtungen, von der Nerven- bis zur Leberzelle, entwickeln können – gewonnen.

Quellen für Stammzellen
Aus diesen möchten Mediziner später Gewebe züchten, die zumindest von dem Menschen, dem die Stammzellen entnommen wurden, nicht abgestoßen werden, vielleicht gar ganze Ersatzorgane. Das therapeutische Klonen ist derzeit nur in Großbritannien gesetzlich erlaubt.

Als „gute Alternative“ zur Forschung an Stammzellen aus Embryonen bezeichnet Johannes Huber, Fortpflanzungsmediziner am AKH Wien und Chef der neuen Bioethik-Kommission, die Forschung an Stammzellen von Erwachsenen sowie aus der Nabelschnur. „Embryonenforschung macht doch nur dann Sinn, wenn man sieht, man könne nur mit Stammzellen von Embryonen diese oder jene Krankheit heilen und nicht mit anderen Stammzellen.“

Allerdings: Wenn sich die Embryonenforschung als „Quantensprung in der Medizin“ erweisen sollte, sehe die Sache schon anders aus. Es werde ja in anderen Teilen der Welt geforscht, in den USA etwa, in Israel, in den skandinavischen Ländern, meint Huber: Man müßte nur abwarten, er sei wegen des Embryonenforschungs-Verbotes in Österreich also keineswegs beunruhigt.

Dennoch sieht er einen „nicht zu verstehenden Widerspruch“: Forschung an Embryonen ist verboten, auch weil diese dabei beziehungsweise danach getötet werden müßten. „Aber andererseits müssen Embryonen, die bei einer künstlichen Befruchtung übrigbleiben und tiefgefroren werden, laut dem aus dem Jahr 1992 stammenden österreichischen Fortpflanzungsmedizingesetz nach einem Jahr getötet werden.“ Er, Huber, plädiere seit etlichen Jahren dafür, daß diese Frist verlängert und die Embryonen zur Adoption freigegeben werden würden. „Auch das wird sicher in der Bioethik-Kommission zur Sprache kommen.“ Außerdem soll in dieser vordringlich diskutiert werden, ob Österreich die europäische Biomedizin-Konvention ratifizieren wird.

Huber: „Der Kommission ist sehr wohl bewußt, daß nicht sie, sondern die Bevölkerung über Ethik entscheidet. Daher wollen wir gegenüber der Bevölkerung völlige Transparenz walten lassen und einen Diskussionsprozeß in Gang bringen.“

„Informationsbedarf ist aber sicher nicht nur im Volk, sondern wohl auch bei einigen Politikern gegeben“, ergänzt Ludwig. In jedem Fall solle die durch die Kommission angeheizte Diskussion dazu beitragen, irrationale Ängste und Erwartungen so weit wie möglich durch Fakten abzubauen und potentielle Gefahren aufzuzeigen. Ludwig wünscht sich von den Österreichern, daß sie sich „mehr einmischen, auch in diese Belange“. Denn die Frage der Ethik sollte nicht ausschließlich einer Kommission überlassen werden. „Es geht um unsere Gesellschaft, unser Leben und unsere Zukunft.““

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