Über ein Jahr lang hatte sich der Deutsche Bundestag unter der Überschrift "Sterbebegleitung" auch mit dem gesellschaftlichen Tabu-Thema "Tod" und den schwierigen Fragen zur "Sterbehilfe" bzw. "Assistierten Selbsttötung" beschäftigt.

Die auch im Bundestag mitunter sehr emotional geführten Debatten fanden nun mit dem Beschluss am 6. November 2015 ihr (vorläufiges?) Ende.
Den Abgeordneten lagen insgesamt vier verschiedene fraktionsübergreifende Gesetzesentwürfe zur Abstimmung vor.
Der erste Entwurf von Brand/Griese galt als Favorit: Eintrag ins Strafgesetzbuch: Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe. Der zweite, liberale Entwurf von Hintze/Reimann/Lauterbach/Lischka: Im Bürgerlichen Gesetzbuch soll Ärzten Suizidhilfe ausdrücklich erlauben werden („Regelung der ärztlich begleiteten Lebensbeendigung“).
Der dritte, konservative Entwurf von Sensburg/Dörflinger/Beyer/Hüppe (alle CDU/CSU): Anstiftung und Beihilfe zum Suizid wird generell unter Strafe gestellt (keine Ausnahmen bei Ärzten oder Angehörigen). Und schließlich der als Außenseiter eingestufte vierte und liberalste Entwurf von Künast/Sitte/Gehring: Straffreiheit für Hilfe zur Selbsttötung.
Neu: § 217 Strafgesetzbuch
Kritiker sehen durch diese Regelung die Gefahr, dass vor allem für Ärzte eine rechtliche Grauzone bestehen bliebe. Auch würden schwerkranke Menschen mit ihren Suizidwünschen allein gelassen. Michael Brand entgegnete, in dem Entwurf werde eine präzise Trennung gezogen zwischen Ärzten, die in schweren Situationen nach ihrem Gewissen handeln und anderen, die es darauf anlegen, geschäftsmäßig, mit Absicht und auf Wiederholung angelegt, die Suizidbeihilfe zu fördern.
Die deutsche Bundesärztekammer sowie Palliativmediziner sehen ebenfalls keine Gefahr der Kriminalisierung von Ärzten.
Vorläufiges AUS für Sterbehilfevereine
Die Zahl kommerzieller Vereine, die in Deutschland Suizidbegleitung anbieten, hatte in der Vergangenheit deutlich zugenommen. Mit der gestrigen Abstimmung im Bundestag ist ihnen nun Einhalt geboten worden. Viele Politiker, die deutsche Bundesärztekammer und andere, die die Zunahme der Sterbehilfevereine im Vorfeld immer wieder heftig kritisiert bzw. mit Sorge beobachtet haben, können nun aufatmen.
Die Reaktionen einiger Sterbehilfevereine folgten noch am selben Tag. So teilte zum Beispiel die „Sterbehilfe Deutschland e.V.“ in einer Presseerklärung mit, dass sie ihre Satzung geändert habe. Man werde sich nach Inkrafttreten dieses „Verbotsgesetzes“ natürlich an diese „vorübergehende neue deutsche Rechtsordnung“ halten. Gleichzeitig macht der Verein unmissverständlich klar: „Nach Inkrafttreten des Gesetzes werden wir Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht erheben.“
Die deutsche Lösung – ein guter Weg?
Die Regelungen zur Sterbebegleitung sehen in den westlichen Ländern oft ganz unterschiedlich aus. Lösungsansätze divergieren zum Teil sehr stark. Auffallend ist zum Beispiel, dass sich in Deutschland und Österreich zwischen Entscheidungen der Politiker und Umfragen in der Bevölkerung große Gräben auftun.
Denn laut vielen Studien soll die große Mehrheit der Bevölkerung ärztlich assistierten Suizid und sogar aktive Sterbehilfe (Tötung auf Verlangen) befürworten. Auf der anderen Seite lassen sich manche Studien auch schnell wieder entkräftigen – ein Blick auf die Formulierung der Fragestellungen oder die Identifizierung des Auftraggebers / Sponsors der Studie ist oft klärend.
Die Journalistin Birgit Baumann betont, dass diese Entscheidung des Deutschen Bundestages nicht der letzte Schritt gewesen sein kann: „Wer Menschen eine Chance nimmt, ihr Leben zu beenden, der muss auf der anderen Seite dafür sorgen, dass die letzte Etappe vor dem Tod erträglicher wird. Es braucht mehr Palliativstationen, mehr Hilfe für Todkranke, bessere Standards in Heimen. Der Bundestag hat seine Entscheidung bezüglich der Vereine für Sterbehilfe getroffen. Die Frage, wie die Gesellschaft mit Sterbenden umgeht, ist noch lange nicht geklärt.“