Deutsches Bundesverfassungsgericht kippt Regelung zur Sterbehilfe

Das Bundesverfassungsgericht hat heute seine Entscheidung in Sachen geschäftsmäßige Sterbehilfe verkündet.

Bundesverfassungsgericht Deutschland
CC BY-SA 2.0

Demnach verstößt das 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gegen das Grundgesetz. Der Paragraf 217 im Strafgesetzbuch wurde damit nach Klagen von schwerkranken Menschen, Sterbehelfern und Ärzten für nichtig erklärt, wie es in ersten Pressemeldungen zur Entscheidung aus Karlsruhe heißt.

(Siehe Pressemeldung und Entscheidung des Deutschen Bundesverfassungsgerichts sowie Pressestimmen)

Ein kobinet-kommentar von Laura Mench

Was ist assistierte Sterbehilfe und warum wird sie kritisiert?

Unter assistierte Sterbehilfe wird verstanden, wenn ein Mensch klar und deutlich äußert, dass er sein Leben beenden möchte und dafür Unterstützung eines Unternehmens oder von Angehörigen bekommt.

Der Gesetzgeber erließ den §217 (Strafgesetzbuch) um die geschäftsmäßige Suizidhilfe einzuschränken. Hierbei zahlen sterbewillige einem Unternehmen Geld, um Hilfe bei der Beendigung ihres Lebens zu bekommen. Es bestünde nicht die Möglichkeit zu prüfen, ob es wirklich der freie Wille des Patienten war oder ob er aus „Geldgier“ dazu gedrängt wurde.

Was kann assistierte Sterbehilfe für einen Menschen bedeuten? Jeder Mensch hat den Wunsch in Würde zu sterben. Für jeden sieht die Definition „in Würde“ anders aus. Der eine möchte zu Hause bei seinen Angehörigen versterben, der andere möchte auf keinen Fall als pflegebedürftiger „anderen zur Last fallen“. Auch chronische Schmerzzustände können ein Leben unerträglich machen. Der Wunsch zu sterben, sein Leben und Leiden bewusst zu beenden ist in einer Situation wie dieser oder auch in vielen anderen Situationen, vorhanden.

Selbstbestimmung darf nicht auf dem Sterbebett oder in der Palliativversorgung verwehrt werden. Auch die Selbstbestimmung über die Art und Weise, sowie den Todeszeitpunkt sind laut Bundesverfassungsgericht ein Menschenrecht.

Die Bedeutung des Urteils:

Mit dem §217 stellte der Gesetzgeber alle Personen und Institutionen, die assistierten Suizid anboten unter Generalsverdacht, rein aus Profitgier zu handeln. Mit dem generellen Verbot wurde jedoch die persönliche Selbstbestimmung des Einzelnen (die laut Gericht auch für den Sterbezeitpunkt gilt) vernichtet.

Mit dem heutigen Tag ist der Betroffene Paragraf für nichtig erklärt und die assistierte Sterbehilfe kann wieder straffrei genutzt werden. Jeder kann nun selbst entscheiden, ob er das Leben nicht mehr ertragen kann, bzw. möchte und wann es für ihn die richtige Zeit ist zu sterben. Diese Entscheidung ist nicht an Diagnosen, Lebensumstände oder andere Bedingungen geknüpft. Jeder Mensch hat nun das Recht selbstbestimmt zu sterben.

Das Gerichtsurteil bedeutet aber nicht nur Freiheit, es geht auch die Gefahr, dass wirtschaftliche Interessen eine gewisse Erwartungshaltung gegenüber Betroffenen entstehen lassen könnte. Es darf auf keinen Fall passieren, dass von schwer kranken Menschen erwartet wird, den assistierten Suizid in Anspruch zu nehmen, um „niemandem auf der Tasche zu liegen“ oder „keinem zur Last zu fallen“.

Trotzdem ist es ein Zeichen für die vollumfängliche Selbstbestimmung des Einzelnen, welches das Verfassungsgericht mit diesem Urteil aussendet. Es stärkt in wichtigen Bereichen die Selbstbestimmung jedes einzelnen.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Die Kommentarfunktion für diesen Artikel ist abgeschalten.

8 Kommentare

  • @martin
    Gesetzt den Fall, dass es die Möglichkeit gäbe, sich mit medizinischer Unterstützung selbst zu töten oder gar sich töten zu lassen: warum dann eigentlich noch personelle und finanzielle Ressourcen in die ambulante oder stationäre Pflege von alten, behinderten, sprich nicht mehr „leistungsfähigen“ Menschen aufwenden? Warum dann eigentlich noch versuchen, Missstände verbessern zu wollen? Die sollen sich doch mit Situation zufrieden geben oder: sie können ja jederzeit auf „selbstbestimmtes“ Sterben zurückgreifen. Und weiter: Sie können ja froh sein, dass es diese (mehr od weniger) schmerzlose Tötungsform heutzutage gibt! Und in Zukunft eventuell auch: Mit selbstbestimmten Sterben kann man auch noch was gutes Tun: ihre gespendeten Organe können für andere Menschen von großen Nutzen sein! …. Das ist ein Argument von vielen anderen, die gegen „Sterbehilfe“ sprechen. Es gibt in Österreich genug Instrumentarien, die sog Sterbehilfe obsolet machen (vgl. mein Gastkommentar in Wienerzeitung).

  • Ich bin erst einmal dafür, sich mit dem wirklich selbstbestimmten Leben zu beschäftigen und die dafür notwendigen Rahmenbedindungen zu schaffen! Jede/r muss sich eine 24-Std.Pflege- oder -Assistenz leisten können, wenn sie gebraucht wird und nicht nur jene, die über genügend Einkommen verfügen. Da fängt es schon einmal an. Die „Armen“ müssen halt irgendwann einmal ins Heim und schon bist du drinnen in der Entmündigungs-Maschinerie.

    Auch dem „Martin“ muss ich zustimmen. Ich will nicht daran denken, was man meinem Mann auf der Intensivstation letztes Jahr vor seinem Tod noch angetan hat! Deshalb vorsorgen – jede/r einzelne – mit einer PatientInnen-Verfügung und/oder einer Vorsorgevollmacht und festlegen dort, was mann/frau unter keinen Umständen will. Weil wenn du dich selbst nicht mehr äußern kannst, bist du dem dortigen Personal ausgeliefert. Es wird dann auch nicht auf die Angehörigen gehört.

  • Pest oder Cholera.

    Andererseits gibt es den „wirtschaftlichen Druck“ des Gesundheitssystems Menschen künstlich am „Leben“ zu erhalten und die Maschinen in den Krankenhäusern so auszulasten. Auch die vielen oft unnötigen Untersuchungen richten mitunter mehr Schaden an als Nutzen. Hat Ivan Illich schon vor gut 40 Jahren auch in „Nemesis der Medizin“ dargestellt.

    Meine Mutter mit eingebrochen Wirbeln wurde bei einer eigentlich nicht wirklich unbedingt notwendigen Untersuchung (Computertomographie) in einem niederösterreichischen Bezirkskrankenhaus so zurechtgerichtet, dass sie nachher tagelang vor Schmerzen schrie und seither im Rollstuhl sitzt. Leider ist sie nicht einmal dazu zu bewegen, beim Ausgleichsfonds für Behandlungsfehler um Kostenzuschuss für den Dank der Behandlung notwendige Treppenlift anzusuchen (hat auch nur ein paar Tausend Euro gekostet).

    Seither braucht sie auch Vollzeitpflege, die nicht zur Gänze mit dem Pflegegeld gedeckt.

    Wer weiß was sicher erst recht Todkranken, die sich überhaupt nicht mehr wehren können, über sich so alles ergehen lassen müssen, weil das Krankenhauspersonal einfach „seine Pflicht“ macht und wenig Rücksicht auf die Betroffenen nimmt …

  • Liebes BIZEPS-Team!
    Ich nehme an, dass es ein Versehen war und mein BLOG-Name beim ersten Kommentar irrtümlich gelöscht wurde. Deshalb nochmals: mein auf das Thema Sterbehilfe spezialisierter Blog: Twitter.com/UEBERSLEBEN

    • Liebe M. Karner

      Einfach nur einen Twitter-Account zu posten ist Werbung. Wenn du allerdings auf konkrete Inhalte von dir, die zum Thema eines Artikel passen, verweisen möchtest ist das gerne möglich. Nur den Link zu deinem Twitterprofil zu posten, das wird gelöscht.

    • Was für ein Widerspruch: Für ein „selbstbestimmtes Leben“ einzutreten und dann den Menschen am Ende diese Selbstbestimmung doch abzusprechen.

      So kritisch Sterbehilfe zu sehen ist, hat der Staat kein Recht uns Menschen wie rechtlose Objekte zu behandeln und am Ende, wenn die Krankenhausmaschinerie uns nur noch sinnlos quält damit Geräte ausgelastet sind, jegliche Selbstbestimmung zu rauben.

      Diese Art der „Endverwertung“ gehört auch zum Kapitalismus. Der Pflegefall wird/wurde vom Staat geplündert bis geht nicht mehr. Alles was übers ganze Leben hinweg hart erarbeitet worden ist, kann dann für die Abdeckung der Kosten des Pflegesystems draufgehen …

      Habe selbst nahe einem Pflegeheim. Das ist eigentlich menschenverachtend wie die dort bis zum Tod aufbewahrt und befürsorgt werden, auch wenn sie aller irgendwie im engen Rahmen der Profession bemühen. Da gebe ich mir auch lieber die Ampulle …

      In einer Demokratie hat der Staat nicht das Recht einem auch die letzte Entscheidung völlig abzunehmen!

  • Liebe Frau Mench! Danke für Ihre offenen Worte, dennoch stimmt mich Ihr Kommentar sehr nachdenklich und bestätigt leider meinen Eindruck, dass zunehmend auch selbst chronisch kranke und behinderte (vor allem junge) Menschen dem angeblich „selbstbestimmten Sterben“ etwas abgewinnen können. Der Blick in diejenigen Länder, wo es schon seit Jahren die Möglichkeit des „assistierten Suizids“ (Schweiz) bzw. „aktive Sterbehilfe“ (z.B. Niederlande) gibt, zeigt, zu welch fatalen Entwicklungen das ganz führt. Die Fallzahlen nehmen von Jahr zu Jahr zu. Angebot schafft Nachfrage. Die „Indikation“ für Sterbehilfe wurde mehr und mehr erweitert. In Belgien und den Niederlanden ist auch Sterbehilfe für Kinder und Jugendliche möglich. Jetzt steht Deutschland vor einer Normalisierung des Suizids, sogar ohne Vorliegen einer unheilbaren Erkrankung. Die Verwirklichung der Rechte von behinderten Menschen und Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist sowohl in Deutschland als auch in Österreich sind ins Stocken geraten, ja sogar zum Stillstand gekommen. In unserer kapitalistischen neoliberalen Ellbogengesellschaft ist für Menschen außerhalb der Normen einer scheinbaren Mehrheitsgesellschaft immer weniger Verständnis und Platz. Behinderte, chronisch kranke und alte Menschen werden zunehmend als Last gesehen bzw. fühlen sich immer mehr unter Druck gesetzt, wenn sie den Idealen „schön, gesund, erfolgreich“ nicht (mehr) entsprechen. Der Sterbewunsch ist sehr ambivalent und der Suizid in den meisten Fällen ein Hilferuf. Ich will – so – nicht mehr leben. D.h. Unwürdig ist nicht das Leben, unwürdig sind die Umstände, und die könnten und müssen wir versuchen zu ändern!

    • Danke f. d. Kommentar!