Wochenrückblick von kobinet-Korrespondent Franz Schmahl
Fahrten mit einem Nachbau des Zuges mit der Adler-Dampflok, der am 7. Dezember 1835 erstmals auf die Strecke von Nürnberg nach Fürth ging, sind schon ausverkauft. Am Montag verkauft die Deutsche Bahn ein Jubiläumsticket, solange das begrenzte Angebot an diesem Tag reicht – 35 Euro für zwei Reisende und eine beliebig weite Fahrt zweiter Klasse in Deutschland.
Das 175-jährige Eisenbahn-Jubiläum soll mit attraktiven Angeboten gefeiert werden. Doch die lohnen sich allerdings nicht für jedermann – so die Stiftung Warentest.
Nach einer gerade veröffentlichten Umfrage ist jeder dritte Fahrgast unzufrieden. Nur 39 Prozent äußerten sich in der Umfrage des TNS Emnid Instituts unter Fahrgästen der Deutschen Bahn zufrieden, 28 Prozent antworteten mit „weiß nicht“. Nach Schulnoten bewerteten die Befragten die Bahn mit der Durchschnittszensur 3,2. Bahnkonzernchef Rüdiger Grube kann das nicht zufrieden stellen: „Wir wissen selber, dass wir besser werden müssen.“
Kritik an der Bahn übten in dieser Woche auch wieder Reisende mit eingeschränkter Mobilität, die zum Eisenbahn-Jubiläum lieber Erfolge im barrierefreien Reiseverkehr gefeiert hätten. Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) will Rechtsmittel prüfen, nachdem die Bahn ihrer Referentin Eileen Moritz im Nürnberger Hauptbahnhof den Einstieg in den Intercity-Express nach Berlin verweigert hat. Dies könnte sich sowohl auf dienstrechtliche Konsequenzen für die entsprechende Mitarbeiterin als auch auf Schadenersatzforderungen gegen die Deutsche Bahn beziehen.
Barrierefreies Reisen für alle – wirbt die Bahn auf ihrer Webseite. Kinderwagen, Gipsbein, Rollstuhl? Darauf wollen die Bahner eingestellt sein. Ihr Programm vom Juni 2005 wurde auch Vertretern von Behindertenverbänden vorgestellt und für gut befunden. Doch die grundsätzliche Überarbeitung dieses Programms, die zum 1.1.2010 mit einem völlig neuen Programm abgeschlossen werden sollte, steht noch aus.
Inzwischen wird schon befürchtet, dass die Bahn statt notwendiger Verbesserungen für die Betroffenen Abstriche aus Kostengründen anvisiert. Mit dem jetzt in Berlin vorgestellten Talent 2 aus dem Bombardier-Werk wurde der neue Zugtyp präsentiert, der künftig im Regionalverkehr von Berlin-Brandenburg eingesetzt werden soll – ohne eine moderne fahrzeuggebundene Ein- und Ausstiegshilfe. Hauptkritikpunkt von Rollstuhlaktivistin Ursula Lehmann diese Woche gegenüber kobinet bleibt, dass in dem für den Regionalverkehr bestellten Talent 2 nur noch zwei Reisende im Rollstuhl, statt bisher fünf in den Regionalzügen befördert werden sollen.
Der Hublift, der für die Berlinerin Eileen Moritz auf dem Hauptbahnhof Nürnberg nicht wie von der Bahnkundin erwünscht zum Einsatz kam, wird baugleich an allen Haltepunkten der Hochgeschwindigkeitszüge eingesetzt, mit denen Hersteller und Deutsche Bahn auch im Ausland werben. Das mit einer Handkurbel betriebene Gerät zieht auf deutschen Bahnsteigen immer wieder neugierige Blicke auf sich, wird von auswärtigen Reisenden aber schon als „zeitgenössische Leistung deutscher Ingenieurkunst bei der Bahn“ verspottet.
Hinzu kommt mitunter kritikwürdiger Umgang des Personals mit der sperrigen Einstiegshilfe vom Bahnsteig in den Zug. Am Hauptbahnhof Bonn saß ein Wiener Journalistenkollege schon auf dem Ding, um nach seiner Arbeit für einen Wettbewerb um barrierefreie Webseiten wieder heimwärts zu reisen. Doch der InterCityExpress fuhr ohne ihn ab, weil die mit dem Lift erschienenen Service-Leute den Rollstuhlplatz nicht gefunden haben und auch der Zugchef nicht weiter helfen konnte oder wollte.