Deutschland: Berliner Fernsehturm wird 40 – Geburtstagsfeier ohne Rollis

Der Berliner Fernsehturm wird 40. Bei der Geburtstagsfeier am 3. Oktober werden Speisen und Getränke wie weiland 1969 serviert. Von kobinet-Korrespondent Franz Schmahl

Berliner Fernsehturm
BIZEPS

Die Gäste sollen wie damals für genau eine Stunde an den Tischen „platziert“ werden, um die Aussicht und das kulinarische Angebot zu genießen. Für Nostalgiker im Rollstuhl ist das allerdings nicht möglich.

„Zu seinem 40. Geburtstag hat der Berliner Fernsehturm am Alexanderplatz etwas geschafft, was vielen anderen DDR-Bauten verwehrt bleibt: Er ist ein gesamtdeutscher Liebling“, bemerkte Welt TV aus dem Hause Springer.

Alljährlich besuchen rund 1,2 Millionen Menschen aus nah und fern das Wahrzeichen der Hauptstadt. Doch der Berliner Behindertenverband (BBV) monierte zum Jubiläum die in den Jubelberichten kaum erwähnte Tatsache, dass Rollstuhlfahrern dieses Erlebnis nach wie vor vorenthalten wird.

Berliner Fernsehturm muss barrierefrei werden

„Gern schlössen wir uns den Gratulanten an. Auch wir wären gern stolz auf das elegante Wahrzeichen Berlins. Auch wir genössen gern die Rundum-Aussicht aus dem Café im Turm. Aber: Rollstuhlfahrer dürfen nicht hinauf. Weil sie – so die ‚Begründung‘ – im Notfall nicht gerettet werden könnten“, so BBV-Vorsitzender Ilja Seifert. Er erinnerte an die Aktion zum europaweiten Protest- und Aktionstag von Menschen mit Behinderungen, als rund 100 Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer, die aus vielen Teilen Deutschlands angereist waren, einen lebenden Pfeil bildeten und im Sprechchor forderten: „Wir wollen hinauf!“

Die Demonstranten nahmen den Turm als Beispiel, weil es ihnen ernst ist mit der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. Die verlangt schließlich „umfassende Barrierefreiheit“ und „volle Teilhabe“. Das Totschlag-„Argument“, dass eine Rettung im Brandfalle „unmöglich“ sei, kennen die Betroffenen von vielen Orten. „Wir sind es leid, immer als Bittsteller draußen zu stehen, deren Forderungen angeblich unverhältnismäßig teuer wären“, meint Seifert.

Der Berliner Behindertenverband erwartet, dass die Schaffung von Barrierefreiheit – die ja auch mehr Bequemlichkeit für alle anderen bringt – nicht mehr als „lästiges Übel“ denunziert wird, das alle künstlerischen Ambitionen beschädigt. Sie sei im Gegenteil eine ästhetische Herausforderung an Architekten, Ingenieure, Designer und andere Bauschaffende, die nach intelligenten Lösungen suchen.

Dabei muss es ja nicht der von Experten belächelte Vorschlag sein, am Berliner Fernsehturm künftig einen Außenlift für Behinderte zu installieren. Technisch möglich ist Barrierefreiheit bei solchen hohen Bauwerken ohne Frage, wofür es in der Welt nicht wenige Beispiele gibt.

Als Mitte der 1990er Jahre am Turmeingang ein Verbotsschild für Rollstuhlfahrer neben dem für unerwünschte Hunde angebracht wurde, war darüber schon diskutiert worden. Proteste der Betroffenen, des Movado-Projekts für ein barrierefreies Berlin und eines damals für die Entwicklung Berlins zu einer barrierefreien Stadt zuständigen Beamten in der Senatssozialverwaltung erreichten lediglich, dass das auch in der Presse kritisierte diskriminierende Verbotsschild wieder entfernt wurde.

Übrigens waren vor 1989 immer mal wieder Besucher im Rollstuhl auf dem Berliner Fernsehturm. Die damaligen Betreiber machten möglich, was möglich ist, besonders gern, wenn bei der Anmeldung aus dem Westteil der Stadt mit Bezahlung in „harter Währung“ gerechnet werden konnte.

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