ISL: "Wir sind entsetzt darüber, daß das Bundesverfassungsgericht die Grundrechte von behinderten Menschen den organisatorischen Voraussetzungen an Schulen unterordnet"

Das Karlsruher Bundesverfassungsgericht hat am 29. Oktober 1997 in einer Grundsatzentscheidung zur schulischen Integration behinderter Kinder entschieden, daß diese KEINEN generellen Anspruch darauf haben, gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern unterrichtet zu werden.
Aus dem Urteil: „Weder nach § 4 noch nach § 68 NSchG ergebe sich ein vorrangiger Anspruch darauf, daß Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den allgemeinen Schulen gemeinsam mit Schülern ohne einen derartigen Bedarf unterrichtet werden. Den Eltern stehe lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Schulbehörde zu …“
„Wir sind entsetzt darüber, daß das Bundesverfassungsgericht die Grundrechte von behinderten Menschen den organisatorischen Voraussetzungen an Schulen unterordnet und damit deren Grundrechte auf eine gemeinsame Beschulung schlichtweg außer Kraft setzt.“ erklärte Andreas Jürgens, Interessensvertretung Selbstbestimmt Leben-ISL in Deutschland.
Auch Bettina Theben vom Netzwerk Artikel 3 (= Artikel des Anti-Diskriminierungsverbotes im deutschen Grundgesetz) resumieren nach der erschütternden Entscheidung:
„Der Beschluß zeigt auf, wie nötig die gesetzliche Regelung der Gleichstellung behinderter Menschen ist, da Gleichstellung deutlich mehr ist, als nur Nicht-Benachteiligung. Mit einklagbaren Normen, deren Ziel die tatsächliche Gleichstellung ist, kämen Konflikte, wie der aus Niedersachsen, erst gar nicht auf.“
Es formiert sich Widerstand gegen dieses Urteil. Unter dem Titel „Eine Schule für ALLE“ fand am 6. Dezember 1997 in Hannover eine Demonstration gegen diese Entscheidung und für das Recht auf schulische Integration statt.