Deutschland: Constantin Grosch kämpft weiter

kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul sprach mit Constantin Grosch über seine Erfahrungen und die Petition für ein Recht auf Sparen und ein gutes Teilhabegesetz.

Übergabe der Petition Teilhabegesetz durch Constantin Grosch
kobinet/Irina Tischer

Vor kurzem hat Constantin Grosch zusammen mit Raul Krauthausen die von ihm vor über zwei Jahren gestartete Petition an Bundessozialministerin Andrea Nahles mit über 280.000 UnterstützerInnen überreicht.

kobinet-nachrichten: Am 20. Oktober 2015 hatten Sie einen großen Tag. Über 280.000 Menschen haben Ihre Petition für ein Recht auf Sparen und ein gutes Teilhabegesetz bei change.org unterzeichnet. Hätten Sie beim Start der Petition mit einer solchen Unterstützung gerechnet?

Constantin Grosch: Ehrlich gesagt: nein. Ich habe damals tatsächlich relativ naiv an einem Samstag oder Sonntag die Petition gestartet. Die Hoffnung war damals, ein wenig Aufmerksamkeit für diese Problematik im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis zu erwecken, maximal vielleicht regional die teils verheerende gesetzliche Lage für Menschen mit Behinderungen aufzuzeigen.

kobinet-nachrichten: Welche Reaktionen haben Sie im Laufe der Zeit auf Ihre Petition erlebt?

Constantin Grosch: Auf der einen Seite gibt es da natürlich einen großen Zuspruch. Viele kämpfen an unserer Seite – in Organisationen, Selbsthilfegruppen oder als Betroffene in ihrem eigenen Wirkungskreis. Nichtsdestotrotz kommt es auch immer wieder zu Protestbriefen. In diesen wird immer wieder die Situation von Menschen mit Behinderungen mit der eines Arbeitslosen oder anderen Sozialhilfeempfängern gleichgesetzt. Nicht selten wird gar gleich das Recht auf Selbstbestimmtheit und Teilhabe ob der Kosten für die Gesellschaft in Frage gestellt. Das zeigt deutlich, dass wir immer wieder klar machen müssen, dass dies einerseits verbriefte Menschenrechte sind und auf der anderen Seite selbstverständlich die unterschiedlichen Lebenslagen nicht einfach verglichen werden können. Die meisten Hilfen im Sozialrecht sind zur Überbrückung einer kurzen Problemsituation konzipiert. Eine Behinderung ist aber keine „Situation“ und in aller Regel keine, die vorübergehend ist.

kobinet-nachrichten: Was erhoffen Sie sich persönlich nun nach der Übergabe der Petition und von einem Bundesteilhabegesetz?

Constantin Grosch: Von einem Bundesteilhabegesetz selbst verspreche ich mir natürlich viel. Vor allem wünsche ich mir, dass die unterschiedlichsten Interessensgruppen ihre primären Forderungen erfüllt kriegen. Viel wichtiger aber ist doch, was wir von der Politik nicht nur erhoffen, sondern erwarten müssen! Hier heißt es jetzt, höchste Aufmerksamkeit auf die zu lenken, die versuchen, den Prozess weiter herauszuzögern oder die der Meinung sind, man könne trotz Fallzahlensteigerung und geplanten Verbesserungen ohne weitere finanzielle Mittel auskommen.

kobinet-nachrichten: Derzeit stehen die Zeichen ja noch nicht richtig gut, dass eine vollständige Abschaffung der Anrechnung des Einkommens und Vermögens ins Bundesteilhabegesetz kommt. Haben Sie noch Aktionen in der Hinterhand, nachdem die Petition an Andrea Nahles übergeben wurde?

Constantin Grosch: Definitiv! Wir haben bereits die nächsten Schritte besprochen und werden diese nun vorbereiten. Insbesondere Schlüsselpolitiker in bestimmten Ausschüssen und Positionen möchten wir die derzeitigen Problematiken im eigenen Wahlkreis aufzeigen. Dazu werden wir auch wieder die Hilfe der vielen engagierten Unterstützerinnen und Unterstützer brauchen. Zudem haben wir bereits erste Ideen, die wir als Ultima Ratio nutzen könnten.

kobinet-nachrichten: Was können Verbände und Einzelpersonen tun, um Ihren Kampf für ein Recht auf Sparen und ein gutes Teilhabegesetz zu unterstützen?

Constantin Grosch: Zunächst ist es noch so, dass leider immer noch viele Menschen keine Ahnung über die Probleme im Alltag von Menschen mit Behinderungen haben. Ich höre immer wieder: „Aber der deutsche Staat macht doch schon so viel für Behinderte.“ Ja, das macht er – teilweise. Aber gut gemeint ist nicht gut gemacht. Daher gilt es weiterhin, auf die Problematiken aufmerksam zu machen. Wir müssen auch noch weiter auf einzelne Politiker zugehen und zwar nicht nur die Fachpolitiker im Sozial- oder Gesundheitsbereich. Verbände bitte ich innigst darum, endlich eine gemeinsame Prioritätsliste zu erarbeiten. Leider werden wir als Betroffene nicht als starke Lobby wahrgenommen, obwohl wir das durchaus sind. Dabei müssen wir aber gemeinsam auftreten. Für diesen inklusiven Prozess, auch bei uns intern, wünsche ich mir viele engagierte Menschen. Dass wir von diesen genug haben, davon bin ich überzeugt!

kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg.

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