Eine Reihe von Behindertenverbänden blickt heute mit Spannung auf das Treffen der Koalitionsarbeitsgruppe zur Behindertenpolitik im Deutschen Bundestag mit dem Bundesverkehrsministerium.
Dabei geht es um die Umsetzung der EU-Busrichtlinie und den Missstand, dass in einigen Städten nur noch ein Rollstuhlnutzer im Bus mitgenommen wird, obwohl mehr Platz wäre.
Bereits gestern hat die rheinland-pfälzische Sozialministerin Malu Dreyer in einer Presseerklärung gefordert, dass der Bundesverkehrsminister mit der EU Kontakt aufnimmt, um Spielräume in der Auslegung der Richtlinie auszuloten. Dabei könne beispielsweise geprüft werden, ob es auch andere Möglichkeiten gebe, um die Sicherheit der Rollstuhlnutzer zu gewährleisten, wie beispielsweise das Querstehen zur Fahrtrichtung, um weitere Plätze für Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer freigeben zu können. Der gegenwärtige Zustand sei unhaltbar, so die Ministerin.
„Wir fordern die Bundesregierung auf, diesen Missstand zu beheben. Menschen mit Behinderungen sind in ihrer Mobilität schon genug eingeschränkt. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie ganz legal in öffentlichen Verkehrsmitteln diskriminiert werden“, erklärte dazu der Präsident des VdK Deutschland. Auch von Seiten der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland und des Netzwerkes Artikel 3 kam scharfe Kritik an der gegenwärtigen Regelung.
Es könne nicht sein, dass man jahrelang dafür kämpfe, dass die Busse zugänglich gemacht werden, um dann zu hören, dass nur noch ein Rollstuhlnutzer mitgenommen wird, obwohl Platz für die Beförderung von weiteren Rollstuhlnutzern im Bus ist. „Jahrelang zieht man in Zweifel, ob es sich überhaupt lohnt, die Busse umzubauen, weil es angeblich nicht genug Rollstuhlfahrer gebe, die mitfahren würden. Jetzt fahren wir und dann werden wir ausgesperrt“, kritisierte Barbara Vieweg.
Walter Hirrlinger erinnerte daran, dass ohne die EU-Busrichtlinie in Deutschland bis heute viele Busse ohne fahrzeuggebundene Einstieghilfe, etwa eine Rampe, neu in Betrieb genommen werden würden. „Die Richtlinie regelt lediglich die Zulassung neuer Busse, nicht aber die Beförderungspraxis. Erst durch das in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) verankerte Beförderungsverbot für Rollstuhlfahrer auf der Mehrzweckfläche eines Busses und die Verknüpfung des Verbots mit einer Bußgeldandrohung für die Betreiber ist diese diskriminierende Praxis entstanden“, ergänzte Dr. Volker Sieger, Leiter des VdK-eigenen Instituts für barrierefreie Gestaltung und Mobilität (IbGM) in Mainz.
Der Sozialverband VdK begrüßt ausdrücklich die Initiativen aller Akteure in den Kommunen, die fordern, dass beim Kauf neuer Fahrzeuge mindestens zwei Rollstuhlfahrerstellplätze pro Bus bereit stehen. „Aber es ist auch die Aufgabe der Bundesregierung, die StVZO im Sinne der Menschen mit Behinderungen zu ändern und damit dieser unhaltbaren Situation schnell ein Ende zu bereiten“, bekräftigte VdK-Präsident Hirrlinger.