Deutschland: Eltern gehörloser Mädchen legen Verfassungsbeschwerde ein

Es könne nicht sein, dass Eltern ein selbstverschuldetes "Kostenrisiko" trügen, wenn sie ihre behinderten Kinder mit Zustimmung der Schulverwaltung in der Sprengelschule einschulten.

Justitia
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Im Fall der beiden gehörlosen Mädchen in Schwaben (siehe kobinet 15.12.11) hat die Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Bayern gemeinsam leben – gemeinsam lernen im Namen der Eltern der Mädchen Verfassungsbeschwerde beim bayerischen Verfassungsgerichthof gegen die Entscheidungen der Sozialgerichtsbarkeit eingelegt.

Laut Martina Buchschuster, die zugleich Vorsitzende des Augsburger Ortsvereins gemeinsam leben – gemeinsam lernen ist, verstoßen die Entscheidung des Sozialgerichts Augsburg und des Bayerischen Landessozialgerichts gegen den Grundsatz der Kostenfreiheit des Schulbesuchs, der in der bayerischen Verfassung verankert sei.

Es könne nicht sein, dass Eltern ein selbstverschuldetes „Kostenrisiko“ trügen, wenn sie ihre behinderten Kinder mit Zustimmung der Schulverwaltung in der Sprengelschule einschulten. So aber hatte das Bayerische Landessozialgericht in München argumentiert. (siehe auch Bericht in der „Augsburger Allgemeinen„)

Die beiden gehörlosen Mädchen Vanessa und Melissa waren von den Eltern im September statt im Förderzentrum Augsburg in die Grundschule am Wohnort eingeschult worden (Bericht von Karin Kestner), wo sie nach Einschätzung der Schulaufsicht hervorragend integriert sind. Der Bezirk Schwaben hatte jedoch die Finanzierung der Gebärdendolmetscher verweigert. Die Eltern erheben zudem Vorwürfe gegen das Förderzentrum, deren Leiter in den sonderpädagogischen Gutachten behauptet, die Mädchen könnten am Unterricht in der Sprengelschule nicht aktiv teilnehmen.

Die Vorsitzende des Elternverbandes bemängelt, dass das novellierte Schulgesetz zwar weitreichende Rechte zur Inklusion behinderter Kinder vorsehe, bei der Organisation der Hilfen für die Kinder würde man die Eltern jedoch alleine lassen. Sie widerspricht insofern Kultusministers Spaenle, der geäußert hatte, die Unterstützung der Mädchen sei Angelegenheit der Kommunen.

Die LAG Bayern Gemeinsam leben – gemeinsam lernen fordert vom Freistaat seit langem eine Entlastung von Eltern behinderter Kinder, die eine Regelschule besuchen wollen. Es könne nicht sein, dass Eltern die Schulbegleiter für ihre Kinder selbst organisieren müssten oder – wie im Falle der beiden gehörlosen Mädchen – Prozesse um die Kosten für den Gebärdensprachdolmetscher führen müssten, mit ungewissem Ausgang. Dies sei ein Kostenstreit zwischen dem Freistaat und Kommunen, der auf dem Rücken behinderter Kinder ausgetragen werde.

Der Freistaat sollte die beiden Fälle zum Anlass zu nehmen, um dafür Sorge zu tragen, dass Eltern behinderter Kinder beim gemeinsamen Unterricht aller Kinder nicht mehr benachteiligt würden.

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