Deutschland: Teilhabe ist Menschenrecht

2011 entscheidet sich, ob Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Deutschland als Menschenrecht tatsächlich durchgesetzt werden soll oder weiter als gesellschaftliches Randthema behandelt wird. Ein Kommentar von Franz Schmahl.

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Am ersten Arbeitstag des neuen Jahres erwarten die Betroffenen von Politik und Verbänden, dass die Weichen für Verbesserungen in all ihren Lebensbereichen gestellt werden – von Bildung und Erziehung, über Arbeit und Wohnen bis zu Mobilität und Freizeit.

„Teilhabe ist ein Menschenrecht, kein Akt der Fürsorge oder Gnade“, erklärte der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen zum Jahreswechsel. Teilhabe nach Kassenlage darf es nach Ansicht Hubert Hüppes nicht geben. Es müssten vielmehr auf der Grundlage des im März zu beschließenden Aktionsplans der Bundesregierung zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen die Rahmenbedingungen weiter verbessert werden, „um Menschen mit Behinderungen Teilhabe mitten in der Gesellschaft zu ermöglichen“ (kobinet 30.12.10).

Konkrete Maßnahmen für die erfolgreiche Umsetzung der UN-Konvention erwartet auch Barbara Vieweg vom Weibernetz e.V., die Sprecherratsvorsitzende des Deutschen Behindertenrates in diesem Jahr. Sie ist besorgt über Äußerungen aus dem Haus, in dem das Amt des Bundesbehindertenbeauftragten angesiedelt ist, wonach der anstehende Aktionsplan kein „Rund-Um-Wohlfühl-Paket“ sein könne. Es gehe schließlich nicht um Wohlfühl-Angebote, „sondern um die Realisierung von Menschenrechten und diese sind auch nicht zum Nulltarif zu verwirklichen“.

Auf der Webseite des Deutschen Behindertenrates war weiter zu lesen, dass das Forum behinderter Juristinnen und Juristen im Frühjahr den Entwurf für ein Gesetz zur Sozialen Teilhabe vorlegen wird. In diesem Gesetz sieht Vieweg ein entscheidendes Instrument zur Umsetzung von Artikel 19 der Konvention. Ein umfassender Anspruch auf Persönliche Assistenz für alle Menschen mit Behinderung und ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen sei ein Gebot der Zeit und der Konvention.

Handlungsbedarf für Verbesserungen gibt es nach Ansicht des Bundesbehindertenbeauftragten in allen Lebensbereichen. Hüppe verwies darauf, dass sich das Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs IX im kommenden Jahr zum zehnten Mal jährt. „Wir müssen überprüfen, wie das Sozialgesetzbuch IX weiterentwickelt werden kann, um mehr Teilhabe zu gewährleisten.“

Deutschland gehört zu den Staaten, die in der UNO maßgeblich an der Ausarbeitung beteiligt waren, Experten und Expertinnen mit Behinderungen nach New York entsandten und früh diese Menschenrechtskonvention ratifizierten. Da die Konvention nunmehr geltendes Recht in der Bundesrepublik ist, wird auch von den europäischen Nachbarn auf die Umsetzung geschaut. Geben die Deutschen ein Beispiel, wie Behindertenrechte heute Bestandteil eines modernen demokratischen Gemeinwesens sind? 0der reklamieren sie für sich den Artikel 4 der Konvention, in dem die Vertragsstaaten nur verpflichtet werden, die verfügbaren Mittel auszuschöpfen und Maßnahmen zu treffen, damit „nach und nach“ die volle Wirkung der Rechte erreicht werden kann?

Deutschland sollte sich nicht nur rühmen, besser als andere Industriestaaten aus der Wirtschafts- und Finanzkrise herauszukommen. Für die in den vergangenen Jahren oft beanspruchte Vorreiterrolle einer Politik für die Belange von Menschen mit Behinderungen muss 2011 noch hart gearbeitet werden.

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