Diakonie zu Rechnungshofkritik: Inklusion muss im gesamten Bildungssystem Realität werden

Menschen mit Behinderung von Kindergartenalter bis zur Oberstufe und Universität gleichstellen

Diakonie
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Als „Weckruf“ bezeichnet Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser den aktuellen Rechnungshof-Bericht über inklusiven Unterricht: „Ich hoffe, die Bundesregierung folgt der Aufforderung des Rechnungshofs und macht sich umgehend daran, eine inklusive Bildungsstrategie vom Kindergarten über die Schulen und bis hin zu Fachhochschulen und Universitäten zu entwickeln. Die Diakonie vermisst eine solche seit Jahren. Mehr noch, wir beobachten schon länger Rückschritte in Sachen gemeinsame Bildung von Kindern mit und ohne Behinderung.“ 

Wie inklusiv ist Schule in Österreich?

Der Rechnungshof hatte in seinem vergangenen Freitag veröffentlichen Bericht „Inklusiver Unterricht: Was leistet Österreichs Schulsystem?“ kritisiert, dass sich das Bildungsministerium in seiner Richtlinie zur Entwicklung Inklusiver Modellregionen (2015) auf die allgemein bildenden Pflichtschulen beschränkt, und dass im Regierungsprogramm (2017) die Sonderschulen weiterhin erhalten und sogar gestärkt werden. Kritik gab es auch an den unklaren Regelungen zur Finanzierung.

Inklusion in der Oberstufe mangelhaft

Aktuell sind zwei Drittel der rund 30.000 Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf ins Regelsystem integriert. Besonderen Handlungsbedarf sieht die Diakonie-Direktorin im Bereich der Oberstufe: „Vor acht Jahren hat die Diakonie am Montessori Oberstufenrealgymnasium Salzburg mit der Führung inklusiver Klassen begonnen. Das ist nach wie vor die einzige Möglichkeit in ganz Österreich für Kinder mit Behinderung, über die 9. Schulstufe hinaus die AHS zu besuchen. Für sie gilt ein eigener Lehrplan, der auf ihre Fähigkeiten zugeschnitten ist. Gerade Kinder mit Entwicklungsverzögerungen oder Lernschwächen brauchen länger, um Kulturtechniken wie lesen und schreiben zu erlernen. Wenn sie nach dem 16. Lebensjahr die Schule nicht weiter besuchen können, sinken bereits erworbene Fähigkeiten und Wissen mit der Zeit.“

Zudem werde Österreichs einzige inklusive Oberstufe als Schulversuch geführt, so Moser weiter. „Es ist völlig unklar, ob es diese Möglichkeit weiter geben wird, wenn in wenigen Jahren Schulversuche in Österreich generell abgeschafft werden. Die inklusive Oberstufe muss so rasch wie möglich ins Regelschulsystem übernommen und die dafür nötigen Ressourcen müssen zur Verfügung gestellt werden.“

Kindergarten und Nachmittagsbetreuung für Kinder mit Behinderung ausbauen

Raschen Handlungsbedarf sieht die Direktorin der Diakonie Österreich auch bei der Nachmittagsbetreuung von Kindern mit Behinderung und beim verpflichtenden Kindergartenjahr.

„Es kann nicht angehen, dass Kinder mit Behinderung aus dem verpflichtenden Kindergartenjahr ausgenommen sind. Auch hier stehen wir vor einem Ressourcenproblem: Wenn das verpflichtende Kindergartenjahr auch für Kinder mit Behinderung gelten soll, müssen in ganz Österreich entsprechend räumlich und personell ausgestattete Kindergartenplätze zur Verfügung stehen. Hier kann und darf man nicht sparen. Die Rechte von Menschen mit Behinderung sind ein Seismograph dafür, wie ernst es uns ist mit der Menschenwürde aller.“

Inklusion ist ein wesentlicher Eckpfeiler der UN Behindertenrechts-Konvention

Etwas mehr als zehn Jahre liegt es zurück, dass Österreich die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet hat. Diese wahrt und fördert die Rechte von Menschen mit Behinderung, Inklusion ist ein wesentlicher Eckpfeiler der Konvention.

„Inklusiver Unterricht stellt das einzelne Kinder mit seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten, seinem individuellen Tempo und Lernstil ins Zentrum. Dieser pädagogische Ansatz kommt allen Kindern zu Gute, unabhängig davon, ob sie eine Behinderung haben oder nicht“, ist Moser überzeugt.

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Ein Kommentar

  • Als Lehrerin des Mobilen Motorik Teams in Wien betreue ich seit über 30 Jahren körperbehinderte Kinder und Jugendliche im Wiener Schulsystem.
    Die Betreuung von Kindern in Bundesschulen in der Sekundarstufe ist immer ein bürokratischer Hürdenlauf.
    Ich bin beim Stadtschulrat für Wien angestellt. Ich darf zwar in Bundesschulen betreuen, muss aber in jedem Gymnasium um Mitverwendung ansuchen. Diese Stunden werden dann über das Finanzausgleichsgesetz zwischen Bund und Land als Überstunden gewährt – wenn sie sowohl von der Direktion der Bundesschule u deren Vorgesetzten und von meiner Direktion und Inspektion genehmigt werden –
    obwohl im Lehrplan für Körper und Sinnesbehinderte Kinder ein gewisses Stundenkontingent für funktionell therapeutische Übungen vorgesehen ist. Manche Gymnasien wollen diese Stunden mit eigenen Professoren abdecken, die eine Zusatzausbildung im Behindertensport haben. Aber die Betreuung dieser SchülerInnen umfasst viel mehr! Hiefür ist spezielles Wissen nötig. ZB die Sitzplatzadaptierung, die Beratung und Versorgung mit dem nötigen technischen Equipment und natürlich auch die stete Beratung der Professoren über den Nachteilsausgleich der zu gewähren ist.
    Eine kleine informative Konferenz zu Beginn des Schuljahres mit allen Professoren die mit dem Kind arbeiten erspart viel Unsicherheit und Probleme.
    Leider kann ich nicht so viele Überstunden machen wie es Bedarf gäbe. Deshalb würde ich mir eine ganze Lehrverpflichtung als überregional tätige Expertin wünschen.
    Da es diese Stelle noch nicht gibt und seit 1.1.2019 die Hierarchie im System völlig umgekrempelt wurde gibt es anscheinend auch niemand der sich dafür zuständig fühlt.
    Anstattdessen wurden für den Bereich der Inklusion viele FIDSen (Menschen zur Förderung der Inklusion, Diversität und Sonderpädagogik angestellt um evidenzbasierte Daten an den Bund zu liefern. Sie arbeiten nicht mit den Schülern und Schülerinnen sondern bescheren uns eine Menge administrative Mehrarbeit wie zB das ausfüllen von Exeldateien – wann, wo, wie viele, mit SPF od ohne SPF Kinder wir betreuen. Dazu kommt noch dass wir für alle Kinder die mit einer ärztlichen Diagnose zur Schuleinschreibung kommen ein Gutachten und einen SPF-Bescheidvorschlag abgeben müssen. Das heißt, dass wir bei der Erstellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs fallführend sind.
    Bis vor ca 5 Jahren sah ich mich noch dafür zuständig, dass diese Kinder keinen SPF bekommen. Jetzt hängen die Förderressourcen am SPF. Da es im digitalen Wiener Schulorganisationsprogramm WISION noch immer nicht offensichtlich ist welchen SPF ein Kind hat – Körper-od Sinnesbehinderung oder kognitiv – passiert es manchmal dass intelligente Kinder nach dem Allgemeinen Sonderschullehrplan unterrichtet werden.
    Dieses Problem ist nach intensiver Intervention jetzt in Arbeit, aber noch immer nicht gelöst.

    Ich arbeite mit der Kollegin Monika Fuchs-Brantl an einem Erasmus Projekt um zu sehen wie Integration in anderen europäischen Ländern funktioniert. Vielleicht gelingt es Best Practice Beispiele in Wien zu propagieren.
    So sind zB in Holland die Spezialschulen gleichzeitig Therapiezentren geworden, da dort diese Einrichtungen sowieso vorhanden sind und durch die Inklusion jetzt weniger Kinder dort beschult werden. Vielleicht könnte eine Zusammenarbeit des Unterrichtsministeriums mit dem Sozialministerium im Bereich der Therapiemöglichkeiten für Kinder und Jugendliche ein großes Versorgungsloch verkleinern. Diese Zusammenarbeit wäre auch für die effiziente Versorgung von chronisch kranken Kindern wünschenswert. So könnte man zB School nursing für Schülerinnen mit Diabetes usw erwirken.
    Ich bin Lehrerin und Physiotherapeutin und hoffe, dass ich weiterhin effizient mit Kindern arbeiten kann und nicht zur Exeldateiausfüllerin degradiert werde.

    Mit freundlichen Grüßen
    Rosa Aminger-Wimmer