Die Geschichte einer fast 30 Jahre alten Barriere

Ich möchte Ihnen über eine Begebenheit erzählen, die zu einer Barriere für rollstuhlfahrende und andere mobilitätseingeschränkte Menschen führte. Eine persönliche Geschichte.

Ein kleiner Park mit einer Sitzbank. Dahinter führt in einem Viertelkreis ein Holzsteg über einen kleinen Teich. Beide Enden des Steges haben eine Stufe. Im Hintergrund sieht man Bäumen, eine Straße und Häuser.
Markus Ladstätter

In Bezug auf Barrierefreiheit in unserem Umfeld bekommt man oft von Verantwortlichen zu hören, es sei nicht möglich, barrierebehaftete Dinge sofort umfassend umzubauen. Was das für die Betroffenen bedeutet, ist vielleicht nicht bewusst oder wird ignoriert.

Deshalb möchte ich Ihnen heute an einem kleinen Beispiel zeigen, welche langfristigen Auswirkungen Barrieren haben können. Andere Beispiele fallen Ihnen wohl selbst auch ein.

Wie alles begann?

Ich, der Autor dieses Artikels, benutze einen Elektrorollstuhl und ging in den späten 1980er, frühen 1990er Jahren in eine Volksschule im 22. Wiener Gemeindebezirk. Vor dieser Schule gibt es einen kleinen Park, in dem es schon vor einhundert Jahren einen Teich gab. Er wurde als Feuerwehrteich verwendet, um mit diesem Wasser Brände zu löschen. Irgendwann in der Mitte des 20. Jahrhundert, also 1950-1970, trocknete dieser Teich aus.

Dieser ausgetrocknete Teich war natürlich nicht schön anzusehen und die Bevölkerung wünschte sich wieder einen richtigen See. Die Stadt stimmte zu und startete den Planungsprozess. Hier beginnt meine Geschichte.

Der Planungsprozess

Es war Ende des Jahres 1992, Anfang des Jahres 1993. Der Architekt und die Kinder der an den Park angrenzenden Volksschule, meine Volksschule, planten gemeinsam die Neugestaltung des Parks. Die Kinder der 4. Schulstufe durften zeichnen und basteln. Alle Kinder waren sehr stolz und begeistert, sich einbringen zu dürfen. Ich war eines dieser Kinder. Ich war 10 Jahre alt.

Das Fernsehen kam

Als die Planungen der Kinder abgeschlossen war, kam der ORF, um für die Sendung „Wien heute“ am 8. März 1993 Interviews mit den Kindern zu drehen, Politiker wie Michael Häupl, damals noch Stadtrat für Umwelt und Sport, und auch der Bezirksvorsteher waren vor Ort.

Der ORF interviewte ein paar Kinder mit den besten Ideen, auch ich wurde interviewt. Mein Entwurf sah einen stufenlosen Steg über den Teich vor, sodass ich ihn mit meinem Rollstuhl ohne Probleme benützen könnte. 

Die Politiker versprachen gegenüber dem ORF, dass der Park tatsächlich nach den Wünschen der Kinder neugestaltet werden würde.

Der Umbau und die Zeit danach

Der Park wurde dann auch bald umgebaut, der Teich bekam einen Steg. Dieser Steg war nicht stufenlos und so für mich nicht befahrbar. Ich war sehr traurig und verärgert.

Jetzt begab ich mich, fast 30 Jahre später, wieder zu diesem Teich. Ich bin mittlerweile fast 40 Jahre alt, den Steg gibt es immer noch, die Stufe ist immer noch vorhanden, es hat sich nichts geändert.

So führte ein nicht beachteter Ratschlag für mehr Barrierefreiheit zu einer Barriere, die 30 Jahre später immer noch existiert. Der Steg ist also für Kinder und Erwachsene im Rollstuhl oder mit Rollator nach wie vor nicht befahrbar. Seit dem gab es also ca. 7 „Generationen“ neuer Kinder im Volksschulalter. Die Kinder im Rollstuhl blieben aber seither nach wie vor ausgeschlossen.

Schlussfolgerung

Sollten Sie also in die Planung oder Umsetzung eines Bauprojektes eingebunden sein, bedenken Sie, abgesehen von den heute gültigen Gesetzen und Normen zu Barrierefreiheit, dass Ihr Handeln noch viele Jahrzehnte später Auswirkungen haben kann. 

Weil ich mich erinnern konnte, damals interviewt geworden zu sein, ließ ich mir das Video vom ORF dazu heraussuchen und kaufte es. So konnte ich die Details wieder rekonstruieren. Leider darf ich dieses Video aus rechtlichen Gründen nicht zeigen.

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10 Kommentare

  • Der Text gefällt mir gut, aber die fast 30 Jährige Barriere muss weg. Jeder Mensch, auch Rollstuhlfahrer, haben das Recht, das sie den Teich erreichen können. Das ist mein persönlicher Wunsch. Dann wären wir der Inklusion noch ein großes Stück näher.

  • So ähnlich ist es uns beim Theater im Rabenhof gegangen. Obwohl Franz-Joseph Huainigg und ich ein Fernsehteam dabei hatten, und alle Beteiligten versprachen, die steile Rampe in eine halbwegs sichere umzubauen, hat es noch über 10 Jahre gedauert bis ein Treppenlift kam.
    Jetzt würde man glauben, alles würde passen, Denkste!
    1. gibt es kein Hinweisschild, wo sich der Rollstuhleingang befindet (Ortskenntnisse sind unbedingt erforderlich!
    2. wenn man den Rollstuhleingang gefunden hat und die Glocke läutet, sind die Mitarbeiter nicht nur überrascht, dass eine Glocke läutet, ich werde dann auch noch gefragt, was ich möchte.
    Und der nächste Clou: oft finden sie auch den Schlüssel für den Treppenlift nicht und die Suche dauert oft 10 Minuten!
    3. Achtung: Wenn man kein Bargeld dabei hat, kann man nicht mit der Bankomatkasse zahlen, weil die nur über 26 Stufen erreichbar ist und es keine mobile gibt.
    4. Obwohl es im rollstuhlgerechten Teil einen Verkaufstheke für Snacks, Getränke und Kaffee gibt, muss man jemanden über 26 Stufen schicken, da diese (untere) Theke geschlossen ist.

  • Wie heißt Du?

  • Unglaublich, dass so eine blöde Stufe sein muss.

  • Kaum zu glauben ,leider Realität!Trotzdem DANK für Ihr Engagement,nicht nur diesbezüglich!

  • danke für den wichtigen text, markus! wir kämpfen immer wieder gegen ewigkeiten. es ist eine schande. kennt man die namen der ausführenden planer und erbauer? man sollte ihnen einen preis verleihen, für nachhaltiges versagen bei planung und ausführung. vor den vorhang mit den großartigen herrschaften!

    • Lieber Erwin!
      Nein, leider, ich habe keine Ahnung wer die Planer waren, im genannten Fernsehbeitrag hieß es nur „Architekten“.

  • Auch Neunkirchen ist ein „Musterbeispiel“ an Barrieren.

    Mein Mann und ich wollten letztens einen Stadtspaziergang kombiniert mit einem kleinen Einkaufsbummel machen.

    Es wurde eher ein Spießrutenlauf, gekauft haben wir nichts, da wir nur 4 Geschäfte in ganz Neunkirchen gefunden haben, in denen ich ohne größere Probleme (aber immer noch mit kleineren Barrieren) mit meinem XXL Rolli manövrieren konnte.

    Ich hab die Gemeinde Neunkirchen auch schon kontaktiert, ausser ein paar Betroffenheitsfloskeln und selbst auf die Schulter klopfen kam da nicht viel, obwohl ich geantwortet und Mithilfe zum Thema Barrierefreiheit angeboten habe (um mal die Barrieren aufzuzeigen).

    Ich glaube man kann ohne weiteres sagen, dass Österreich bis auf wenige Ausnahmen noch sehr behindertenfeindlich ist.

  • DANKE f. d. Dokumentation und d. Aufzeigen, mit welchem „Tempo“ Barrieren (nicht) beseitigt werden.

  • Die Wiener Linien und die Stadt Graz waren große Vorbilder bei Barrierefreiheit