Die neuen Euromünzen – wie behindertengerecht werden sie sein?

Wie im BIZEPS-INFO 2/97 berichtet, ist bei der Gestaltung der künftigen einheitlichen europäischen Währung, dem Euro, bezüglich der Banknoten auf die Anforderungen sehbehinderter und blinder Menschen weitestgehend Rücksicht genommen worden.

Flagge der Europäischen Union
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Das selbständige Hantieren mit Geld, sowohl in Form von Banknoten als auch von Münzen, ist ein wesentlicher Bestandteil des selbstbestimmten Lebens behinderter Menschen; für sehbehinderte und blinde Menschen bedarf es dabei besonderer Unterscheidungsmerkmale, wie etwa Größenunterschiede, Farbe, Oberflächenstruktur, tastbare Symbole etc.

Für die selbständige Handhabung von Münzen ist es allerdings wesentlich, daß sie aufgrund ihrer Form (rund, eckig), ihrer Größe, ihrer Oberflächenstruktur (glatter oder gerippter Rand, glatte Forder- oder Rückseite), deutlich tastbarer Symbole (der Einser auf der Schillingmünze) oder aufgrund ihrer Färbung eindeutig unterscheidbar sein müssen.

Ein Problempunkt ist auch die Frage, ob man Nickellegierungen verwenden soll oder nicht; die in Österreich derzeit im Umlauf befindlichen Zehnschillingmünzen weisen einen Nickelanteil auf. Dies rief vor allem die PensionistenvertreterInnen auf den Plan, da gerade bei alten Menschen oftmals eine Nickelallergie die Handhabung von Münzgeld erheblich erschwert, ja sogar unmöglich macht. Lediglich Schweden hat sich eindeutig gegen die Verwendung von Nickellegierungen im europäischen Münzgeld ausgesprochen.

Wir versuchten nun herauszubekommen, wie es um die Sehbehinderten- und Blindengerechtigkeit des europäischen Münzgeldes (Cent und Euro) bestellt sei und welche politischen Positionen Österreich in diesen Fragen bezieht, insbesondere in den Verhandlungen in Brüssel.

War das Ergebnis bei den Recherchen zu den Eurobanknoten recht erfreulich, so ist es bei denen zum Münzgeld umso ernüchternder, denn die politischen Positionen der Österreichischen Regierung zu diesen Fragen wollte, konnte oder durfte man den BürgerInnen offensichtlich nicht sagen.

Und dies, obwohl es in einer Presseaussendung vom 25. Mai 1997 des Staatssekretärs für Integrationsfragen, Büro Dr. Ruttensdorfer, hieß, daß zur Vorbereitung auf den Euro die Bundesregierung zahlreiche Arbeitsgruppen eingesetzt habe, die sich z. B. mit Gesetzesänderungen oder Fragen des Konsumentenschutzes beschäftigen.

Zusätzlich dazu würden täglich rund ein Dutzend Euro-Informationsveranstaltungen stattfinden. Angesichts der anhaltenden Kritik seitens der Bevölkerung über mangelnde Aufklärung, müsse jedoch noch stärker Werbung für die Information betrieben werden – so der Staatssekretär.

Diesem selbst zurechtgelegten Prinzip wird die Österreichische Politik, die unsere Interessen in Brüssel vertreten soll, jedoch nicht gerecht.

Der Pressesprecher des Finanzstaatssekretärs, Herr Kochwalter, verwies auf den Pressesprecher des Staatssekretärs für Integrationsfragen, Herrn Dr. Aspetsberger, und dieser wiederum auf die Verantwortlichen bei der Münze Österreich. Die konkret vertretene politische Meinung der österreichischen Bundesregierung zu diesen Bürgeranliegen blieb ein „Top-Secret“.

Es stellt sich also die Frage, was diese Angelegenheit zu einem derartigen Geheimnis werden läßt und wie dieses „Bürgerinformationsservice“ mit der Presseaussendung von Staatssekretär Ruttensdorfer vereinbar ist.

Wie groß muß die Angst der politisch Verantwortlichen in Österreich wohl sein, wenn eine eindeutige Stellungnahme unserer Regierung zu dieser für uns ungemein wichtigen Frage nicht zu erhalten ist. Vielleicht ist diese Angst ja berechtigt!

Erst der Direktor der Münze Österreich, Dr. Berger, gab uns weit konkretere Auskünfte. Laut einer APA-Aussendung vom 30. Mai 1997 und ergänzenden Informationen Direktor Bergers wurde von der Europäischen Kommission in Brüssel in Übereinstimmung mit den Direktoren der Münzanstalten der EU-Mitgliedstaaten, der European-Blind-Union und den Consumer-associations bereits folgender Beschluß gefaßt:

  • Es soll acht Stückelungen, und zwar 1, 2, 5, 10, 20, 50 Cent, 1 und 2 Euro, geben.
  • Von den acht Münzen der neuen Eurowährung sollen zwei Nickel enthalten: die 10, 20 und 50-Cent-Münze sind aus nickelfreiem sogenannten nordischem Gold; die Ein- und Zwei-Euro-Münze soll aus einer Nickellegierung bestehen, die sie besonders fälschungssicher macht; eine brauchbare Alternative zur Nickellegierung gibt es aus diesem Grund nicht.
  • Die Farbe: 1, 2 und 5 Cent sind rötlich, 10, 20 und 50 Cent gelb und 1 Euro hat einen silbernen Kern mit goldenem Rand, 2 Euro einen goldfarbenen Kern mit silbernem Rand.
  • Die Größe: die Durchmesserunterschiede bewegen sich zwischen 16,25 und 25,75 mm; die Dicke zwischen 1,32 und 2,1 mm.
  • Die Oberflächenstruktur: 1 und 5 Cent sollen einen glatten Rand, 2 Cent eine durchgehende Rille, 10 und 50 Cent sollen eine Riffelung am Rand aufweisen. Das 20-Cent-Stück soll rund (und nicht wie bereits diskutiert vieleckig) mit verschiedenen runden Einbuchtungen sein. 1 Euro soll eine unterbrochene Riffelung und 2 Euro eine Randschrift haben.
  • Die Euromünzen sollen auf einer Seite gleich sein und auf der anderen Seite ein nationales Symbol aufweisen. Zur Gestaltung der einheitlichen Seite läuft gegenwärtig ein Wettbewerb; die Auswahl soll auf dem kommenden EU-Gipfel in Amsterdam am 16. Juni 1997 getroffen werden.

Dieser Beschluß muß jedoch noch von den Finanzministern der Mitgliedstaaten bei der Konferenz der Staats- und Regierungschefs am 16. Juni 1997 genehmigt werden. Die Euromünzen sollen spätestens am 1. Jänner 2002 ausgegeben werden.

Alles in allem kein schlechtes Ergebnis der Verhandlungen. Wie sehr allerdings das „Bürgerinformationsservice“ der Bundesregierung zur Förderung der Akzeptanz des Euro bei den behinderten BürgerInnen beitragen wird, bleibt dahingestellt.

So warten wir also ab, ob der Euro in Banknoten und Münzen nun wirklich kommt.

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