Digitalisierung kann zur selbständigen Lebensführung beitragen

Die Digitalisierung umfasst heute weite Bereiche des Alltags, sie kann einen Beitrag zur selbständigen Lebensführung von Menschen mit Behinderungen leisten. Das betont Jutta Croll im kobinet-Interview.

BIENE Wettbewerb
Stiftung Digitale Chancen

Sie ist Geschäftsführendes Mitglied des Vorstands der Stiftung Digitale Chancen und äußert sich zum lebhaft diskutierten Ende des BIENE-Wettbewerbs. Die in deutschsprachigen Ländern als Qualitätsmerkmal geschätzte BIENE war im Dezember 2010 letztmalig vergeben worden. Seitdem wurde eine Flugpause eingelegt. (Das Gespräch führte Franz Schmahl)

kobinet: Die „Flugpause“ dauert länger als erwartet. Gibt es eine Zukunft für die BIENE, fragen sich Interessente an diesem Wettbewerb für deutschsprachige Webseiten. Oder ist die BIENE schon tot?

Jutta Croll: Der BIENE-Wettbewerb ist über Jahre hinweg ein sehr erfolgreiches Projekt gewesen, das von Aktion Mensch und der Stiftung Digitale Chancen gemeinsam durchgeführt wurde. Wettbewerbe sind generell ein geeignetes Instrument, um die öffentliche Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Thema zu lenken. Von den Preisträgern geht eine positive Botschaft aus, sie dienen anderen als Vorbild und regen zur Nachahmung an. Das ist uns mit der BIENE besonders gut gelungen und insofern ist die Idee eines Wettbewerbs weiterhin sehr lebendig.

Daneben braucht es aber auch die fundierte Hintergrundarbeit am jeweiligen Thema. Barrierefreiheit hat sich über die Jahre erheblich weiterentwickelt. Wir haben neue Regelungswerke (WCAG 2.0 und BIT-V 2.0), wir haben aber auch neue Endgeräte und neue Anwendungen. Die Digitalisierung umfasst heute weite Bereiche des Alltags, sie kann einen Beitrag zur selbständigen Lebensführung von Menschen mit Behinderungen leisten. In einem vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten Projekt haben wir im vergangenen Jahr einen Leitfaden für die barrierefreie Gestaltung von Bürgerbeteiligungsverfahren entwickelt, der Ende Juni 2012 veröffentlicht wird. Dabei spielen Aspekte der technischen Barrierefreiheit ebenso eine Rolle wie Fragen der Verständlichkeit und des Datenschutzes. Der Leitfaden hilft den Anbietern von Online-Beteiligungsverfahren, die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen stärker zu berücksichtigen und ihnen mehr gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

kobinet: Die Aktion Mensch will spätestens Ende des Jahres einen neuen Wettbewerb starten. Ist die Stiftung Digitale Chancen wieder dabei?

Jutta Croll: Aktion Mensch ist seit der Gründung der Stiftung Digitale Chancen in unserem Stiftungsbeirat vertreten, uns verbindet eine langjährige und vertrauensvolle Zusammenarbeit, die wir auch in Zukunft gerne fortsetzen möchten. Ob das in Form eines gemeinsamen Wettbewerbs geschieht, können wir aber derzeit noch nicht beantworten.

kobinet: Wenn ja, worin würde aus Ihrer Sicht die wichtigste Erneuerung in einem solchen Wettbewerb bestehen?

Jutta Croll: Die wichtigsten Neuerungen spielen sich derzeit bei den Anwendungen ab. Vielfach dient das Internet dabei nur noch als Infrastruktur, über die bestimmte Informationen transportiert werden. Die barrierefreie Gestaltung der Oberfläche, die bei der Bewertung der Webseiten im BIENE-Wettbewerb eine große Rolle gespielt hat, und die Programmierung der Benutzerschnittstelle werden künftig möglicherweise weniger in der alleinigen Verantwortung des Anbieters liegen, sondern von anderen Aspekten bestimmt sein. Damit befasst sich die Stiftung Digitale Chancen im Projekt Cloud4All, das wir im 7. Forschungsrahmenprogramm der EU gemeinsam mit einer Vielzahl von Partnern aus Deutschland und Europa durchführen.

Ab dem Frühjahr 2013 werden wir zusammen mit Nutzerinnen und Nutzern erproben, ob eine Cloud-basierte Lösung die Individualisierung der Benutzerschnittstelle entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen erlaubt. Am 10. Juli dieses Jahres führen wir in Linz im Rahmen einer internationalen Konferenz an der Universität ein so genanntes User-Forum durch, bei dem wir die Nutzungsszenarien für die Erprobung der Cloud4All gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen und deren Interessenvertretungen definieren werden.

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