Diskriminierung nicht erlaubt – AGG-Urteil stärkt die Rechte behinderter Menschen

Das Landgericht Berlin hat am 30. September 2024 in einer wegweisenden Entscheidung ein Berliner Wohnungsunternehmen zur Zahlung von 11.000 Euro verurteilt.

Richterhammer und deutsche Flagge
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In der Verweigerung der Zustimmung zum Einbau einer Rampe sah das Gericht eine Diskriminierung nach dem AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz). Die Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt Fair mieten – Fair wohnen hat den Kläger über drei Jahre beraten und begleitet. Am 25. Oktober 2024 stellte diese im Rahmen eines Pressegesprächs das Urteil vor.

Das Landgericht Berlin hat ein Berliner Wohnungsunternehmen zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 11.000 € wegen einer Diskriminierung aufgrund der Behinderung des Klägers verurteilt. Das Urteil wurde auf der Grundlage des AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) gefällt.

In der andauernden Verweigerung der Zustimmung zum Einbau einer Rampe, die der auf einen Rollstuhl angewiesene Kläger für das eigenständige Verlassen und Betreten des Wohnhauses zwingend benötigt, sah das Landgericht eine Benachteiligung des Klägers im Vergleich zu anderen Mietern ohne Behinderung.

Hierzu erklärte der Rechtsanwalt des Klägers, Dirk Scholz:

Der Kläger machte aufgrund der hartnäckigen Weigerung der Wohnungsbaugesellschaft Ansprüche auf Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Wohnungsbaugesellschaft von Anfang an verpflichtet gewesen ist, den beanspruchten barrierefreien Zugang zur Wohnung zu gestatten.

Sie habe mithin ihre Pflichten aus dem Mietverhältnis gegenüber dem Kläger verletzt, indem sie die erforderliche Genehmigung zum Bau der Rampe nicht erteilte. Die durch das Unterlassen der Zustimmung ausgelöste Benachteiligung des Klägers führt zu einer Entschädigungspflicht der Wohnungsbaugesellschaft nach dem AGG.

Denn die Wohnungsbaugesellschaft hat den Kläger weniger günstig behandelt, als es das Gesetz zur Herstellung gleicher Chancen (§ 554 BGB) für erforderlich hält.

Aus der Sicht der Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ist das Urteil in der zweiten Instanz aus den folgenden Gründen sehr wichtig:

  • Das Gericht urteilt auf Grundlage des AGG und spricht dem Kläger eine Entschädigung zu.
  • Das Gericht weicht von der strengen Auslegung der zweimonatigen Frist zur Geltendmachung der Ansprüche im Falle einer Diskriminierung ab und fasst die über zwei Jahre anhaltende Weigerung des Wohnungsunternehmens zum Einbau einer Rampe als Dauerhandlung auf.
  • Ebenso wird nicht der Nachweis der weniger günstigen Behandlung einer konkreten Person gegenüber vorausgesetzt, um eine Diskriminierung festzustellen. Vielmehr reicht die Benachteiligung des Klägers im Vergleich zu anderen Mieter:innen ohne Behinderung. Hier wird der Besonderheit einer strukturellen Diskriminierung Rechnung getragen.
  • Die von der Diskriminierung betroffene Person muss nicht zwingend Mietvertragspartner sein, um ihre Ansprüche dem Wohnungsunternehmen gegenüber geltend zu machen.
  • Das Wohnungsunternehmen hat keinerlei Bedauern zum Ausdruck gebracht. Das hat das Gericht bei der Festlegung der Entschädigungshöhe besonders berücksichtigt. Die Entschädigungssumme kann abschreckend wirken.

Die Fachstelle erlebt in der täglichen Praxis große Schutzlücken im AGG. Eine notwendige, von den Antidiskriminierungsberatungsstellen geforderte umfassende AGG-Reform auf der Bundesebene bleibt leider aus. Insofern freut sich die Fachstelle auf eine Rechtsprechung, die das AGG weiterentwickelt und die Schutzlücken im Sinne der von der Diskriminierung betroffenen Menschen schließt.

Weitere Statements zum Urteil:

Statement von Eren Ünsal, Abteilungsleiterin Antidiskriminierung und Vielfalt der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung:

„Die Möglichkeit eines uneingeschränkten Zugangs zur eigenen Wohnung ist ein Recht, das für jeden Menschen gleichermaßen gilt. Daher freut es uns sehr, dass das Berliner Landgericht mit seinem Urteil die Rechte von Menschen mit Behinderungen gerade auch in diesem Sektor gestärkt hat. Die von der Abt. Antidiskriminierung geförderte Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ‚Fair mieten – Fair wohnen‘ hat den hier Beschwerdeführenden über mehr als drei Jahre unterstützt. Der Beschwerdeführer musste langjährige Belastungen auf sich nehmen, um seine Rechte zu erkämpfen. Dieser Fall zeigt erneut, wie wichtig solche Fachstellen sind, die Menschen in der Durchsetzung ihrer Rechte unterstützen. Die Berliner Fachstelle ‚Fair mieten – Fair wohnen‘ ist ganz besonders wichtig, wenn es um den Kampf gegen Diskriminierung auf dem Berliner Wohnungsmarkt geht.“

Die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen war vom Ehepaar Arsic/Kuhlow um Unterstützung für Ermöglichung des Baus einer Rampe gegenüber der GEWOBAG gebeten worden. Frau Braunert-Rümenapf richtete mehrere Schreiben an die GEWOBAG, aus einem wird hier zitiert: „Im vorliegenden Fall geht es nicht nur um Lebensqualität, sondern um die Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben und somit um die Realisierung gleichwertiger Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne Behinderung, wie sie auch die UN-Behindertenrechtskonvention vorsieht, bei deren Umsetzung das Land Berlin in der Pflicht steht.“

Ulrike Hamann-Onnertz, Geschäftsführung Berliner Mieterverein zum Fall: „Wir freuen uns, dass mit dem Urteil die Rechte der Mieter:innen gestärkt werden, barrierefrei in ihre Wohnung zu gelangen und beglückwünschen die beiden Mieter zu diesem Sieg. Sie haben damit auch für dutzende Nachbar:innen die barrierefreie Zufahrt erstritten. Uns ist unverständlich, warum ein Landeswohnungsunternehmen hier so vehement dagegen vorgegangen ist, eine für alle Mieter:innen nützliche Rampe einbauen zu lassen.“

Siehe: Presseinformation des Landgericht Berlin zu dem Urteil

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