Dr. Elisabeth Wundsam zum Thema „Blinde Richterin?“

Zum Leserbrief Richter Fröhlichs in der Kronenzeitung vom 10.1.2003 meint die Vorsitzende von Blickkontakt: "Blindheit ist nicht furchtbar; furchtbar ist aber, wenn dem blinden Menschen Tätigkeiten abgesprochen werden, die er täglich macht."

Braillezeilen beim Computer
Krispl, Ulli

An die Redaktion „Das freie Wort“ – 12.1.2003

betrifft: Antwort auf „blinde Richterin?“ vom 10.1.2003

Ich bin eine blinde Juristin und Mutter von vier Kindern und lese gerade mittels meines für blinde Menschen adaptierten Computers den Leserbrief der Kronenzeitung vom 10.1.2003 mit dem Titel „Blinde Richterin?“. Ich muss mich sehr wundern, denn da lese ich, dass ich gar nicht lesen kann. Wie seltsam: ich tue es doch! Weiters lese ich, wo Richter Fröhlich Probleme bei der Tätigkeit eines blinden Richters sieht. Da muss es sich irgendwo um einen großen Irrtum handeln. Ein blinder Richter kann genauso viele Gesetzestexte, Zeitschriften, Kommentare im Internet wie seine sehenden Kollegen lesen, nur mit dem Unterschied, dass es ihm sein Computer über Lautsprecher akustisch wiedergibt und er mit den Fingern in Blindenschrift mitliest. Das kann aber für die Rechtsanwälte keinen Unterschied machen, wie der Richter sich sein Wissen aneignet, so lange er wohl vorbereitet zum Termin erscheint.

Um mir einen Eindruck eines Zeugen zu verschaffen, muss ich nicht unbedingt nur die Augen verwenden. Zum Glück gibt es ja 5 Sinne, um Situationen zu erfassen. So kann ich die Nervosität eines Menschen in seiner Stimme hören, als Angstschweiss riechen, an feuchten Händen greifen. Auch unregelmäßiger Atem oder ein nervöses Tippen mit dem Fuß sind eindeutig hörbar.

Blindheit ist keineswegs furchtbar – furchtbar ist aber, wenn einem blinden Menschen Tätigkeiten abgesprochen werden, die er täglich macht.

Wenn die unmittelbare Beweisaufnahme in Österreich im Vergleich zu Deutschland – wo es 58 blinde Richter gibt – eine besondere Hürde darstellt, schlage ich vor, blinde Juristen den Beruf des Staatsanwaltes ergreifen zu lassen, da es dort keine unmittelbare Beweiswürdigung gibt, und wirklich alle Tätigkeiten von einem blinden Juristen ausgeführt werden können. So könnten sich Richter, Rechtsanwälte und Beschuldigte langsam an die Zusammenarbeit mit blinden Juristen gewöhnen.

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