Ein Leben ohne Barrieren

Brief an Tirol von Volker Schönwiese / erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 12. August 2012

Ortschild mit Aufdruck Tirol
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Am 24. Juli hat der Ministerrat unter dem Titel „Inklusion als Menschenrecht und Auftrag“ einen Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention beschlossen.

Dies ist grundsätzlich erfreulich, denn es zeigt, dass die Bundesregierung nationalen Handlungsbedarf erkannt hat. Das Thema Behinderung ist stark an Bilder geknüpft, die wir alle gut kennen, Bilder, die über weite Strecken von Mitleid, Spenden und der Angst vor Behinderung geprägt sind.

Diese Bilder haben wenig mit der Realität von Menschen mit Unterstützungsbedarf zu tun, sie decken sich nicht damit, wie behinderte Menschen selbst gesehen werden wollen. Die Bilder von behinderten Menschen ändern sich, wenn diese selbstverständlich im gesellschaftlichen Alltag anwesend und sichtbar sind.

Recht auf Teilhabe, auf Inklusion

In der Sprache der UN-Konvention heißt das: Recht auf Teilhabe, auf Inklusion, Wahlfreiheit beim Wohnen und bei der persönlichen Unterstützung sowie umfassende Barrierefreiheit. Das heißt, dass alle öffentlichen und privaten Lebensbereiche für alle Menschen zugänglich sind. Weder Barrieren im Kopf noch reale Barrieren sollen dieses Recht behindern. Alle Menschen sollten sich im Klaren darüber sein, dass sie dieses Thema nicht nur vielleicht etwas angeht.

Es wird alle Menschen im Laufe des Lebens mit großer Sicherheit betreffen. Es ist damit nicht nur eine Frage humaner und sozialer Einstellungen Barrierefreiheit zu planen, es geht schlicht alle persönlich und im engsten Familien- und Bekanntenkreis an. Von Kindheit im Kinderwagen bis ins Alter, wenn ein Lift benötigt wird. Von jugendlichen Skatern bis alten Menschen mit Rollatoren.

Von Menschen mit Lernschwierigkeiten, die auf leichte Sprache im Gemeindeamt angewiesen sind bis blinde Menschen, die Leitsysteme und Infos in Brailleschrift benötigen. Von älteren TouristInnen, die barrierefrei gestaltete Hotels benötigen bis zu KonsumentInnen im Rollstuhl, die in Geschäfte, Restaurants, Theater und Museen wollen. Von alten Menschen, die nicht wegen Stufen zu ihren Wohnungen vereinsamen oder ins Altersheim wollen, bis zu Personen mit Hörschwierigkeiten, die GebärdensprachdolmetscherInnen benötigen. Von behinderten Kindern, die eine barrierefreie Regelschule benötigen, bis Personen nach einem Schlaganfall, die nicht über jede Stufe stolpern wollen.

Das österreichische Behinderten-Gleichstellungsgesetz sieht vor, dass nach 10-jähriger Übergangsfrist bis zum Jahr 2016 in Österreich im öffentlichen Raum Barrierefreiheit hergestellt sein muss. Bei der Durchsetzung dieses Rechts gibt es aber große Probleme. Bundes-, Länder- und Gemeindekompetenzen überschneiden sich, letztlich sollten die Betroffenen über Schlichtungen und Klagen das Recht selbst durchsetzen.

Aktionsplan bleibt außerordentich vage

Der zuerst genannte Aktionsplan der Bundesregierung bleibt hier außerordentlich vage und will die tatsächliche Einführung eines Beseitigungs- und Unterlassungsanspruches im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) nur weiter diskutieren. Ähnlich ist es bei Fragen der schulischen Inklusion, bei Regelungen für persönliche Assistenz und gemeindenahe Unterstützungsformen, die Bund und Länder beschließen müssten.

Kritiker meinen schon, der Aktionsplan hat zum Ziel, dass die Umsetzung der UN-Konvention und die Inklusion nichts als Vision bleiben. Bei allen Wirrnissen in der österreichischen Politik: Auf Dauer wird sich Österreich bei der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention nicht durchschwindeln können.

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