Ein Trottel gefällig – hier bin ich!

Über den Besuch der Casino Redoute im Casino Baden am 4. Februar 2008.

Casinos Baden
Casinos Austria AG

Bälle sind etwas Besonderes – besonders für Rollstuhlfahrer. Der Anzug, der nicht so recht sitzen will und in dem man in einem Rollstuhl sitzend immer etwas komisch aussieht – die Menschenmassen, durch die man sich durchkämpfen muss, in der Hoffnung, jemand von der deutschen Volksbank macht einem „den Weg frei“ – das Gefühl, an diesem Abend besonders klein zu sein, da ja auf Bällen überwiegend gestanden wird und man kaum Personen in Augenhöhe antrifft – der verzweifelte Versuch einen Tisch zu finden, der einen nicht um zwei Köpfe überragt – vom Versuch zu tanzen mal ganz abgesehen …

Ja, ja, die rollende Welt kann oft grausam sein.

Ja, kann sie – manchmal – ein wenig – manchmal ein wenig mehr – manchmal auch gar nicht. An diesem Abend nicht – alles schon gehabt – alles kein Problem – schließlich ist man ja mit Freunden unterwegs, um Spaß zu haben … und den hat man ja auch.

Der oft zitierte Ausspruch „man ist nicht behindert sondern man wird behindert“ sollte sich an diesem Abend wieder voll bewahrheiten.

Tanzen gehen – nein – im Ballsaal – schon gar nicht – ich tanze nicht gern. Glück gehabt, denn wollte ich, gäbe es keinen rollstuhlgerechten Zugang zum Ballsaal – da haben sich ja die teuren Casino-Umbauten, die erst unlängst abgeschlossen wurden, voll ausgezahlt – es lebe die Barrierefreiheit.

Wie gesagt, kein Problem für mich – ich tanze ja nicht gern. Da trinke ich doch lieber ein Glas Sekt im Foyer … und eine „Disco“ gibt es ja auch noch – die befindet sich im Untergeschoss des Casinos.

Auf dem Weg in die Disco machen zwei Freunde und ich einen Abstecher auf das überaus geräumige und sehr schöne Rollstuhl-WC in der Lobby des Casinos. Eine Dame schließt selbige Tür auf – dankenswerterweise bleibt so das WC von allzu launigen Ballbesuchern und deren manchmal unappetitliches Verhalten verschont.

Der nächste Weg bringt uns direkt zu einem Raum, von dem aus ein kleiner Lift mit einem großen Rollstuhl-Schild in den ersehnten Partyuntergrund führt. Oder besser gesagt führen sollte – die Tür zum Lift ist verschlossen. Nanu?

Fehleinschätzung

Die vermeintliche Rettung in Gestalt der Dame, die uns zuvor das WC aufschloss, entpuppte sich als völlige Fehleinschätzung.

Man könne den Lift nicht benutzen, da der Liftausgang im Untergeschoss durch eine – dort für den Ball errichtete – mobile Bar versperrt ist. Moment – das kenn ich doch schon. Als langjähriger Redoute-Ballbesucher des Casinos ist mir diese Problematik durchaus vertraut – war doch der Liftausgang noch jedes Jahr durch verschiedene Dinge – na sagen wir einmal – schwer zugänglich gemacht worden. Und jedes Jahr war es dann aber doch relativ einfach, dem Liftausgang seine ursprünglichen Funktion wieder zurückzugeben. Also, geht nicht, gibt’s nicht – zumindest nicht bei mir – zumindest nicht immer. Als Rollstuhlfahrer hört man das ohnehin ständig.

Ein Freund macht sich also auf den Weg in das Untergeschoss, wohin man über ca. 10-15 Stufen gelangt, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Hat noch nie geschadet.

Das erregt aber zusehends das Gemüt der zuvor noch recht freundlichen Dame. Was das Ganze soll, sagte sie – schließlich habe sie uns schon darüber in Kenntnis gesetzt, „dass das nicht geht“. Unser Einwand, dass wir uns aber auch gern selbst ein Bild von der Situation machen würden, wurde lapidar abgewiesen. Meine Freunde seien ohnehin stark genug, mich samt Rollstuhl die Stiegen zur Disco hinunterzuschieben – das könne kein Problem sein, schließlich habe sie selbst einen Mann im Rollstuhl, den sie auch über Stiegen schieben kann. Mit dieser Aussage ließ sie mich und meinen anderen Freund verdutzt zurück.

Ich brauchte einen Moment

Ich brauchte einen Moment, bis ich das eben Gehörte nicht dem zuvor konsumierten Glas Sekt zugeordnet hatte.

Während mein auf Erkundungstour gegangener Freund mit der Nachricht zurückkam, dass da wohl heuer eher nur schwer etwas zu machen sei, hörten wir im Hintergrund wie die Dame einem herbeigerufenen Sicherheitsmann, der für den Lift zuständig war und uns behilflich sein sollte, sagte, dass es diese „Trotteln“ scheinbar nicht kapieren, dass es da „net owe geht“.

Das zu hören, war noch unglaublicher als die skurrile Aussage über ihren Mann.

Als wir sie darauf leicht säuerlich zur Rede stellten, stritt sie die Aussage zunächst ab, relativierte dann jedoch mit dem Argument, dass sie nicht uns als „Trotteln“ sondern die Situation als „vertrottelt“ bezeichnet hätte – ein glatte Lüge.

Und selbst wenn nicht: Was für eine vertrottelte Situation?

Dass man versucht, sich einen Überblick über eine problematische Situation zu verschaffen? Dass man versucht, eine Lösung für ein Problem zu finden – und zwar eine, die den Betroffenen – bedenkt man das Hin und Her bei einem Toilettengang – unzählige Stiegen und damit Mühen erspart?

Natürlich nicht.

Vertrottelt ist, wenn man

  • einen Lift, der überdimensional als Rollstuhllift beschildert ist, durch ein mobile Bar, die man nur einen Meter versetzen müsste – versperrt.
  • als Casinobesucher und Ballgast grundlos als „Trottel“ beschimpft wird.
  • als Mitarbeiter des Balls oder des Casinos seinen Gästen rät, sich doch selbst zu helfen oder Einwände einfach ignoriert.

Und absolut skandalös ist, wenn man auf menschlicher Ebene nicht einmal ein geringes Maß an Respekt, Höflichkeit und Freundlichkeit für sein Gegenüber aufbringt – egal ob behindert oder nicht behindert.

Wird man sich dann der Tatsache bewusst, dass die Frau scheinbar aus eigener Hand die Probleme eines Rollstuhlfahrers kennt, dann kann man das Verhalten wohl nur mehr mit bloßer Dummheit gleichsetzen.

Nur der Vollständigkeit halber

Natürlich können mich meine Freunde Stiegen hinauf- und runterbringen – das haben sie dann ja auch getan – zwangsweise.

Das war bzw. ist aber nicht der Punkt. Meine Freunde fahren mit mir auch auf Rockfestivals oder tragen mich in den 3. Stock eines Tonstudios, wenn es die Situation erfordert – Gott sei Dank habe ich so tolle Freunde, die mir all das ermöglichen.

Das bedeutet aber nicht, sich beleidigen lassen zu müssen, bloß weil man die eigenartige, diskriminierende Auslegung von Barrierefreiheit des Ball-Veranstalters hinterfragt – noch dazu von einer Person, die weder mich noch meine Freunde kennt, gleichzeitig jedoch jegliche Art von Höflichkeit, Respekt und Freundlichkeit vermissen lässt. Das ist ein beleidigendes Verhalten und ein untragbarer Zustand.

Wie in den meisten Fällen, wo sich selbst zu wichtig nehmende Personen involviert sind, so gab es auch dieses Mal eine Wende. Als wir also über die Stiegen in die Ball-Disco kamen, gingen wir zur besagten Bar. Ein kurzes Gespräch mit den trotz Stress überaus zuvorkommenden Barkeepern führte zu einem kleinen Umbau zweier Barelemente, wodurch der Liftausgang wieder befahrbar wurde und wir uns über die zurückgewonnene Barrierefreiheit freuen konnten.

So kann es also auch gehen – und das tut es in den meisten Fällen auch – wie gesagt, alles schon gehabt.

Die sich selbst zu wichtig nehmende Frau war dann an diesem Abend nicht mehr gesehen – Entschuldigung gab es also keine – war aber auch nicht wichtig – wir hatten unseren Spaß – und wie gesagt, alles kein Problem – oder vielleicht dann doch – manchmal.

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0 Kommentare

  • Sorry, aber spätestens bei der „Trottel“-Geschichte wären mir die Sicherungen durchgebrannt und ich hätte einen Vorgesetzten zu sprechen verlangt! Vielleicht liegt es daran, dass körperliche Behinderung von nicht behinderten Menschen nur all zu oft mit geistiger Behinderung gleichgesetzt wird. Vielleicht liegt es auch nur an meiner starken Aversion gegen jede Art von Ungerechtigkeit. Auf jeden Fall hätte ich da sicher nicht die Ruhe bewahren können.

    Generell ist es natürlich kein Problem ist, einen Rollstuhl Treppen hoch oder runter zu schleppen. Machen meine Freunde mit mir auch oft genug. Aber abgeshen von der körperlichen Belastung für alle Beteiligten, muss man in öffentlichen Gebäuden doppel hoffen, dass es dabei zu keinem Unfall kommt. Denn dann zahlt die Versicherung des Hauseigentümers/Veranstalters nicht.

    Aus eben diesem Grund ist es mir schon mehr als einmal passiert, dass ich in Kinos etc. nicht rein gelassen wurde, weil der Hausherr den Verlust seines Versicherungsschutzes fürchtete.

  • Der Marktzugang für andere Anbieter als die „Casinos Austria“ wird durch die EU ohnehin bald gewährleistet. Da die Casinos Austria über einen Riesenapparat an Beamtinnen und Beamten (sowie die im Beitrag geschilderte Frau) hat, werden es die Mitbewerber leicht haben. Casinos Austria – R.I.P.

  • Ich freue mich über die zahlreichen Reaktionen, die ich zu meinem Kommentar erhalten habe – vielen Dank dafür.

    Hier noch ein paar Ergänzungen:

    Bevor der Artikel hier auf der Homepage veröffentlicht wurde, habe ich selbstverständlich die Stellungnahme des Casinos abgewartet – die mir dann auch ein paar Tage später zugesendet wurde. Der Wortlaut war der Stellungnahme, die heute hier im Forum gepostet wurde, sehr ähnlich.

    Da hieß es, dass sich das Casino für „die Unannehmlichkeiten“ entschuldige und, dass „das Haus für Rollstuhlfahrer in allen Bereichen zugänglich ist.“ Es könne aber bei Großveranstaltungen „zu kurzfristigen Einschränkungen kommen, was die Benutzbarkeit mancher Räumlichkeiten bzw. Anlagen betrifft.“ Dafür würden dann Mitarbeiter bemüht sein zu helfen.

    Nun kann man das Wort „zugänglich“ scheinbar unterschiedlich interpretieren. Demnach wäre für Rollstuhlfahrer auch der Großglockner zugänglich – man braucht halt bloß genügend „Sherpas“, die einem bis zum Gipfelkreuz tragen. Nun gut, dass was war wohl ein bißchen überspitzt vormuliert – trifft aber den Kern.

    Für mich heißt „für Rollstuhlfahrer zugänglich“ – Barrierefreiheit. Sich ohne fremde Hilfe bewegen zu können.

    Und wenn man einen ganzen Abend lang den Rollstuhllift nicht benützen kann, dann bedeutet das für manche Personen nicht eine kurzfristige Einschränkung, sondern mitunter das Ende des Abends. Dabei wäre dies leicht vermeidbar.

    Ich möchte hier klarstellen, dass ich keinen persönlichen Rachefeldzug gegen das Casino plane. Ich war und bin nach wie vor gerne Casino-Besucher.

    Wie ich in meinem Artikel jedoch geschrieben habe, fehlt es leider einfach immer noch an gegenseitigem Verständnis unterschiedlicher Gesellschaftgruppen. Dieses Problem kann nur mit intensiver Kommunikation und vorallem Interaktion gelöst werden, dann werden auch die geistigen Barrieren fallen.

    Wie heißt es so schön: „beim Reden kommen die Leute zusammen“.

    In diesem Sinne..

  • Zum Schreiben des Herrn Mag. Huttora betreffend seines Besuches bei der Casino-Redoute im Grand Casino Baden am 07.02. 2008 möchten wir dahingehend Stellung nehmen, dass unser Haus – auch nach der im Jahr 2007 erfolgten Neugestaltung – für Rollstuhlfahrer in allen Bereichen zugänglich ist.

    Für den Fall, dass – etwa bei der Benützung eines Behinderten-Aufzuges, welche für unsere Gäste zur Verfügung stehen, Hilfestellung benötigt wird, so sind unsere MitarbeiterInnen jederzeit gerne behilflich. Dass dieses im Falle des Herrn Mag. Huttora nicht geschehen ist, bedauern wir ausserordentlich. Dieses Bedauern und eine Entschuldigung unsererseits wurde unmittelbar nach dem Einlangen seiner Beschwerde (welche übrigens gleichlautend mit dem auf dieser Internet-Seite veröffentlichten Text ist.) an Herrn Mag. Huttora übermittelt.

    Die Casinos Austria AG sowie alle unsere MitarbeiterInnen sind selbstverständlich immer bemüht, auch Gästen, welche in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, uneingeschränkten Zugang zu allen unseren Einrichtungen zu ermöglichen, sowie die Teilnahme an allen Veranstaltungen in unseren Räumlichkeiten so angenehm wie irgendwie möglich zu gestalten.

    Mit freundlichen Grüssen Guest Relation Management, Grand Casino Baden

  • Dir Gratulation, anderen, die es schon aufgegeben haben, als Antrieb. Leider muss man nicht nur ein „mündiger Patient“, sondern auch ein „mündiger Gast“ sein, und sich nicht nur auf das Glück (im Casino) verlassen! Wie ist das erst bei (Nicht)Raucher-Gaststätten? Oh jeh!

  • bitte den guten artikel an die casinos austria senden und über deren reaktion berichten! auch darüber, ob in zukunft der weg verläßlich frei gehalten wird!

  • toller artikel, großartig geschrieben. gratuliere. geleichberechtigt muss eben heißen: nicht davon abhängig, ob grad freunde in der nähe sind. was, wenn nämlich nicht?!

  • Als selber betroffener zwar nicht Rollstuhlfahrer aber Krückengeher und dazu Fahrtendienstunternehmer hören wir und erleben diese Sachen leider immer noch täglich. Und das in einer Zeit wo die Integration schon abgeschlossen sein sollte. Ich finde diese Situation als nicht tragbar und denke es wäre wichtig eine Reaktion von den zuständigen Stellen einzufordern. Der Bericht ist wirklich gut aber es muß endlich was passieren auch.

  • und eine reaktion von casinos austria gabs nicht?

  • @Mag. Georg Huttora – Gratuliere – super Artikel! Ich denke jede(r) RollstuhlfahrerIn könnte unzählige ähnliche G´schichterln erzählen – Besten Dank, dass Sie das so sachlich in Ihrem Artikel für ein breiteres Publikum getan haben.