„Eine medizinische Revolution“

Der Standard: Innerhalb der EU und in Österreich werden neue ethische Fragen diskutiert

Forscherin
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Interview von Johannes Huber mit „Der Standard“:
„Eine medizinische Revolution“ Fortpflanzungsspezialist Johannes Huber ist Vorsitzender der interdisziplinären Bioethik-Kommission, die nach Ostern im Kanzleramt eingerichtet wird.

Standard: Gibt es spezielle Anliegen, die Sie in dem neuen Gremium diskutieren wollen?

Huber: Ja, der ganze Komplex des therapeutischen Klonens und die Stammzellen-Problematik. Es gibt dazu schon EU-Ratschläge. Demnach ist die Stammzellenforschung nicht grundsätzlich abzulehnen. Abgesehen davon soll man aber die adulten (erwachsenen) Stammzellen, die wir in uns tragen, gegenüber den aus Embryonen gewonnenen bevorzugen.

STANDARD: Stammzellen können ganz schlicht aus Blut gewonnen werden?

Huber: Ja.

STANDARD: Ist man schon so weit, dass man Zellen – etwa nach einem Herzinfarkt – injizieren kann und dann wächst neues Gewebe auf zerstörtem?

Huber: Im Tiermodell klappt’s. Wir überlegen, wann man es guten Gewissens auch Menschen anbieten kann.

STANDARD: Aus Blut- werden wirklich Muskelzellen?

Huber: Das ist der so genannte „homing-Effekt“. Fremde Zellen unterwerfen sich dem neuen Ambiente.

STANDARD: Und was ist hierzulande gesetzlich verboten?

Huber: Zum Beispiel, einen Achtzeller (Fötus im frühesten Stadium) zu nehmen und daraus unterschiedliche Stammzellen zu züchten. So kann man natürlich auch einen Herzmuskel erzeugen. Die EU lehnt eine Embryonenherstellung zu diesem Zweck ab. Es steht aber die Frage im Raum, was mit den – etwa durch künstliche Befruchtung entstandenen – überzähligen Embryonen geschieht. Sie liegen auf Eis und müssen üblicherweise nach einer definierten Zeit von allen Labors zerstört werden.

STANDARD: Embryonale Zellen haben den Vorteil, nicht virenbelastet zu sein?

Huber: Genauso wie Zellen im Nabelschnurblut.

STANDARD: Wird also in Zukunft das Nabelschnurblut Neugeborener als potenzielles Ersatzteillager aufgehoben?

Huber: In Wien wird dafür gerade im Pilotversuch eine der Allgemeinheit zugängliche Bank – ähnlich wie für Knochenmark – aufgebaut.

STANDARD: Aus diesen Zellen kann man Organe züchten?

Huber: Momentan nur im Tierversuch, aber es ist wahrscheinlich, dass es auch im humanen Bereich geht. Man kann damit schon Leukämie bekämpfen, und es wird daran gearbeitet, Knochengewebe daraus wachsen zu lassen. Eine medizinische Revolution! Wir haben immer gesagt, das muss sich doch jemand von der Politik anschauen.

STANDARD: Wie schnell werden injizierte Stammzellen Transplantationen ersetzen?

Huber: Das ist eine Frage von einigen Jahren.

STANDARD: Und was ist mit der Keimbahntherapie?

Huber: Es ist noch unklar, ob man nicht viele andere Gene stört, wenn man ein Gen in eine befruchtete Eizelle hineinbringt. Wäre das geklärt, dann wäre es sicher ethisch einwandfrei, einem jungen Menschen einen Diabetes zu ersparen, wenn man es kann.

STANDARD: Aber eine Diagnostik ist bei künstlicher Befruchtung vor der Einsetzung in den Mutterleib verboten.

Huber: Natürlich ist das auch etwas, was in dem Gremium andiskutiert werden muss. Es geht nicht darum, Behinderte zu selektieren, sondern es geht darum, schwerstes Leid zu verhindern. Es gibt ja viele Behinderungen, mit denen man sehr glücklich leben kann. Daher darf man die Gesellschaft nicht in Versuchung führen.

STANDARD: Aber ist das nicht eine schwierige Gratwanderung?

Huber: Darum ist es ja wichtig, dass sich Leute darüber den Kopf zerbrechen. Diese Probleme werden in kürzester Zeit viel entscheidender werden als manches, mit dem sich die Politik momentan so intensiv auseinandersetzt.

STANDARD: Ist das auch eine Kostenfrage?

Huber: Ich sage ihnen, wenn man sich eine Herz-oder eine Lebertransplantation dadurch erspart, dann ist das die billigere Lösung – und zwar um Häuser billiger.

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