Die geltende und die geplante Eisenbahnkreuzungsverordnung (EKVO) diskriminieren behinderte Menschen und stellen aufgrund bekannter inhaltlicher Mängel beträchtliche Gefahren für das Leben und die Gesundheit aller Menschen dar.
Blinde und sehbehinderte Menschen dürfen unbeschrankte Eisenbahnkreuzungen nicht überqueren, da sie sich nicht vergewissern können, ob ihnen Gefahren durch herannahende Züge drohen (§ 4 EKVO). Aber nicht nur das Überqueren von Eisenbahnkreuzungen wird ihnen vom Bundesministerium fuer Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) untersagt, ihnen drohen durch Züge auch dann Gefahren, wenn sie Eisenbahnkreuzungen gar nicht überqueren wollen. Hat das BMVIT aus Kaprun nichts gelernt?
Bei innerstädtischen Eisenbahnkreuzungen gibt es in den meisten Fällen nichts, was blinde Menschen vor dem unbeabsichtigten Betreten der Gleise schützt. Aber auch hörbehinderte und gehörlose Menschen dürfen unbeschrankte Eisenbahnkreuzungen nicht überqueren. Bei einer mit Andreaskreuz gesicherten Eisenbahnkreuzung kann man nicht erkennen, ob diese nur optisch (vor dem Überqueren links und rechts schauen) oder akustisch „gesichert“ ist, durch Pfeifen vom Zug aus.
Die Fachstelle für innovative Kommunikationstechnologie im ÖSB (Österreichischer Schwerhörigenbund) hat das BMVIT schon am 9. Oktober 2002 darauf aufmerksam gemacht, daß aufgrund der Mängel des bestehenden und des geplanten § 6 EKVO davon auszugehen ist, daß auch normal hörende Menschen die akustischen Signale („Pfiffe“) des Triebfahrzeuges in vielen Fällen nicht hören können. Es spricht für sich, daß dieses Mail bisher unbeantwortet geblieben ist. Es fragt sich, ob bei einem Unfall aufgrund der nicht ausreichenden Wahrnehmbarkeit der Pfeifsignale nicht auch einmal das BMVIT über Verantwortung nachdenken muß.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß das BMVIT auf wesentliche Mängel erst durch die Vertreter von Behindertenorganisationen aufmerksam gemacht werden mußte. Nachdem das BMVIT diese Organisationen ebenso wie andere wichtige Institutionen trotz von den bisherigen Begutachtungsverfahren ausgeschlossen hat, konnten diese Mängel erst später entdeckt werden. Es ist nicht auszuschließen, daß der Entwurf noch weitere Sicherheitslücken enthält.
Der nun vorliegende Entwurf geht im wesentlichen auf seit 1961 unveränderte „Sicherungsmethoden“ zurück. 1961 war die Mobilität nicht so hoch wie heute. An der Neufassung der EKVO wird im BMVIT schon aber schon seit Jahren gearbeitet, ohne daß Verbesserungen für die Sicherheit der Menschen erreicht wurden.
Es bedarf dringend einer Neuausarbeitung der EKVO, einer Neuausarbeitung die sowohl den Stand der Technik berücksichtigt, als auch den Anforderungen der Nicht-Diskriminierungsverbotes der Bundesverfassung genügt.