Das European Network on Independent Living (ENIL) sieht in der Entschließung des Europäischen Parlaments für eine Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen eine starke Betonung des selbstbestimmtes Lebens und zeigt sich darüber erfreut.
Am 18. Juni 2020 verabschiedete das Europäische Parlament eine Entschließung, in der es die Kommission dazu auffordert, eine starke EU-Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderung zu erarbeiten.
Wie BIZEPS berichtet, geschah dies auf Initiative der Grünen EU-Abgeordneten Katrin Langensiepen.
Nun meldet sich auch das European Network on Independent Living (ENIL) – also das Europäische Netzwerk für selbstbestimmtes Leben – zu Wort. Dieses sieht in der gesamten Entschließung eine starke Betonung auf selbstbestimmtes Leben. Besonders zeige sich dies an drei Punkten, schreibt ENIL auf der Webseite der Organisation.
Deinstitutionalisierung mit Zugang zu Dienstleistungen
Die Europäische Kommission wird unter anderem aufgefordert, sicherzustellen, dass EU-Mittel im Einklang mit der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verwendet werden. Das heißt, nicht zum Bau oder zur Sanierung von Heimen oder anderen Einrichtungen. Stattdessen sollen die Mittel zur Förderung der Deinstitutionalisierung eingesetzt werden.
Die EU-Kommission soll aktiv den Übergang von institutioneller Pflege zu gemeindenahen Unterstützungsformen fördern. Zudem sollen die allgemeinen Fortschritte bei der Deinstitutionalisierung als Indikator in den sozialpolitischen Anzeiger der EU aufgenommen werden. Auch werden die Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, einen klaren Zeitplan für ihren Deinstitutionalisierungsprozess vorzulegen und in Strukturen wie barrierefreies Wohnen zu investieren.
Persönliche Assistenz
Persönliche Assistenz wird in der Entschließung ausdrücklich als ein wichtiges Instrument für ein selbstbestimmtes Leben erwähnt. Nach der Entschließung soll Persönliche Assistenz sowohl ein politisches als auch ein Finanzierungsziel für die Europäische Kommission sein. Zudem sollen Menschen mit Behinderungen in diese politischen und finanziellen Entscheidungen miteinbezogen werden.
Im Hinblick auf COVID-19 soll ein kontinuierlicher Zugang zu Persönlicher Assistenz auch während Notsituationen gewährleistet werden.
Bewegungsfreiheit
Es werden klare und messbare Ziele in den Bereichen Bewegungsfreiheit und selbstbestimmes Leben gefordert. Es sollen Maßnahmen auf EU-Ebene entwickelt werden, die sicherstellen, dass alle Menschen mit Behinderung in der Lage sind, ihre Bewegungsfreiheit auszuüben und beispielsweise im Ausland gleichberechtigt mit anderen zu arbeiten.
Der europäische Behindertenausweis sei ein großartiges Instrument, um Bewegungsfreiheit zu ermöglichen und sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen in der gesamten EU Zugang zu Unterstützungsleistungen haben, ohne dass dafür in den jeweiligen Mitgliedsstaaten eine gesonderte Bewertung erforderlich ist.
Man fordert dazu auf, den Geltungsbereich des Ausweises zu erweitern.
Die Mitgliedsstaaten werden dazu angehalten, ihre unterschiedlichen Gesetzgebungen so zu gestalten, dass allen EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern der Zugang zu sozialen Unterstützungsleistungen in der gesamten EU gewährt wird.
Mit dieser Entschließung habe das Europäische Parlament seinen Standpunkt zur Strategie für Menschen mit Behinderungen gegenüber der Kommission und den Mitgliedsstaaten zum Ausdruck gebracht, so ENIL.
Der nächste Schritt seien Beratungsgespräche mit der Zivilgesellschaft zu der neuen Strategie. ENIL kündigt an, an diesen Beratungsgesprächen teilnehmen zu wollen.
Petra Flieger
08.07.2020, 12:37
Bitte übersetzt „independent living“ mit „selbstbestimmt leben“ und nicht mit unabhängiger Lebensführung. Das war ja u.a. ein Kritikpunkt an der ersten offiziellen Übersetzung der UN-BRK, die in Österreich nun entsprechend korrigiert wurde.
Markus Ladstätter
08.07.2020, 13:54
Danke für den Hinweis, ist uns durchgerutscht. Ich habe es geändert.