Enquete: „Mit Behinderung in der Arbeitswelt“

Behindertenpolitik nach 2003?

Unternehmen fit für behinderte Menschen
ÖGB

Am 23. März 2003 veranstalteten die Arbeiterkammer Wien (AK) und der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) in Wien eine Enquete zum Thema „Mit Behinderung in der Arbeitswelt“.

Die Situation behinderter Menschen am Arbeitsmarkt wird von den Veranstaltern nach wie vor als kritisch beschrieben. Es ist erklärtes Ziel aller Sozialpartner, mehr Menschen mit Behinderung in Beschäftigung zu bringen, aber auch Menschen, die verunfallen oder chronisch krank werden, im Arbeitsleben zu halten.

„Menschen mit Behinderung haben ein Recht auf Ausbildung, auf einen Arbeitsplatz und auch ein Recht darauf, sich gegen Diskriminierung zur Wehr zu setzen. Wir müssen die Barrieren in den Köpfen überwinden“, sagte ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch. Bewusstseinsbildung allein sei nicht genug. Eine wesentliche Voraussetzung für die Besserstellung behinderter Menschen sei ein Gleichstellungsgesetz.

„Die Regierung muss mehr tun, um Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt zu integrieren“, verlangt AK Präsident Mag. Herbert Tumpel. Er fordert eine zentrale Anlaufstelle für Beratung und Begleitung bei der Wiedereingliederung sowie Nachbesserungen beim vorliegenden Entwurf für ein Behindertengleichstellungsgesetz. Als Beispiel erwähnt er Betriebsvereinbarungen zur Integration von Menschen mit Behinderung.

Der Leiter des Bundessozialamtes Landesstelle Wien, Dr. Günther Schuster, verweist auf die Chancen und den Nutzen, den Betriebe die Einstellung behinderter Menschen bringen kann.

Nach einer kurzen Einführung in den Inhalt der EU-Richtlinie über die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf von Dr. Anthony Williams (ÖAR) erläuterte Mag. Manuela Blum von der Sozialpolitische Abteilung der AK Wien anhand des vorliegenden Entwurfes eines Behindertengleichstellungsgesetzes mögliche neue Handlungsmöglichkeiten.

Blum erzählte ein Praxisbeispiel: Eine 36jährige hörbehinderte Jurist wird bei Beförderungen im Unternehmen laufend übergangen. Der Vorgesetzte meinte dazu: „Sie soll froh sein, dass sie einen Job hat!“

Die behinderte Juristin – so Blum – hätte nach Beschlussfassung das Recht eine Schlichtungsstelle aufzusuchen, eine Mediation zu beantragen oder zu versuchen, einen Bescheid zur Feststellung einer Diskriminierung zu erlangen. Weiters wäre eine Klage möglich, doch Blum wollte sich über die möglichen Erfolgsaussichten bzw. das Kostenrisiko nicht festlegen. Hier seien noch viele Dinge zu klären und das Gesetz nachzubessern bzw. klarer zu formulieren.

Für das ÖGB „Chancen Nutzen“ Team erzählten Mag. Nicole Scholz und Herbert Pichler vom Beratungsalltag. Ihr Ziel ist der Abbau von Barrieren gegen die Einstellung von Menschen mit Behinderungen. Als größte Barriere wurde ein Informationsdefizit genannt sowie Unsicherheiten im Umgang mit behinderten Menschen. „Der ÖGB macht Unternehmen fit für Menschen mit Behinderungen“ – ein weiteres der Ziele des „Chancen Nutzen“ Teams. Erreichbar ist es unter: chancen-nutzen@oegb.at

Einen kurzen Einblick in das deutsche Sozialgesetzbuch IX ermöglichten Ralf Stegmann von ver.di und Dagmar Kossack von der IG Metall. Aufhorchen ließen sie mit der Feststellung, dass die Hälfte aller schwerbehinderten Arbeitslosen über 50 Jahre alt ist und 85 % aller Behinderungen auf Krankheiten zurückgehen. Mit dem steigenden Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung wächst auch die Zahl behinderter Menschen. Unternehmen müssen sich auf diesen Umstand einstellen. In Deutschland gibt es derzeit ca. 400 Integrationsvereinbarungen mit Unternehmen.

Die Veranstaltung war ein wichtiger Schritt, und Vertreterinnen und Vertreter sowohl der Arbeiterkammer als auch des ÖGB bekundeten mehrfach den Willen, sich intensiv für eine Verbesserung des vorliegenden Entwurfes zu einem Behindertengleichstellungsgesetzes einzubringen.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich