Entlassung aufgrund von Schwerhörigkeit: Europäischer Gerichtshof befasste sich mit Diskriminierungs-Frage

Ein estnischer Strafvollzugsbeamter wurde aufgrund seiner Hörbeeinträchtigung entlassen. Der Europäische Gerichtshof hat, darauf bezugnehmend, in einem Urteil ausgeführt, unter welchen Umständen die Entlassung eines Arbeitnehmers aufgrund einer Hörbeeinträchtigung gerechtfertigt ist und unter welchen dies als Diskriminierung zu werten ist.

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EGMR

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 15. Juli 2021 in einem Vorabentscheidungsverfahren zu einer Frage der Diskriminierung von behinderten Strafvollzugsbeamt:innen geurteilt.

Er führte aus, dass die Entlassung aufgrund einer Hörbeeinträchtigung nur dann gerechtfertigt ist, wenn das Defizit nicht durch angemessene Vorkehrungen ausgeglichen werden kann.

Entlassungsgrund: Schwerhörigkeit

Anstoß für das EuGH-Urteil war die Entlassung eines estnischen Strafvollzugsbeamten aufgrund seiner Hörbeeinträchtigung. Das estnische Recht legt fest, dass ab einem gewissen Grad der Hörbeeinträchtigung die Arbeit im Strafvollzug untersagt ist.

Die Möglichkeit das Defizit auszugleichen, beispielsweise durch ein Hörgerät, ist nicht gegeben. Es handelt sich also um ein absolutes Berufsverbot.

Widerspruch zu EU-Recht?

Der hörbeeinträchtigte Mann klagte auf Rechtswidrigkeit der Entscheidung und Schadenersatz. In erster Instanz wurde die Klage vom zuständigen Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf Einspruch des Klägers gab ihm ein Berufungsgericht recht.

Dieses Gericht beschloss auch prüfen zu lassen, ob das estnische Gesetz, das ein absolutes Berufsverbot im Strafvollzug für Menschen ab einem bestimmten Grad der Hörbeeinträchtigung vorsieht, verfassungskonform sei. Der estnische Staatsgerichtshof nahm sich der Frage an.

Da der Fall allerdings nicht nur nationales, sondern auch Unionsrecht betraf, bat er den EuGH um eine Vorabentscheidung.

Urteil stärkt Anti-Diskriminierung

Der EuGH entschied schließlich, dass das betreffende estnische Gesetz im Widerspruch zu Unionsrecht steht. Er beruft sich dabei auf die EU-Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf.

Eine nationale Regelung widerspreche Unionsrecht, wenn diese, so der Urteilsspruch, „nicht die Prüfung gestattet, ob dieser Beamte in der Lage ist, seine Aufgaben – gegebenenfalls nachdem angemessene Vorkehrungen im Sinne von Art. 5 (Anm.: der EU-Richtlinie 2000/78/EG) getroffen wurden – zu erfüllen“.

Behinderten-Organisationen begrüßen Urteil

Die Europäische Föderation der Schwerhörigen, der Estnische Schwerhörigenverband und die Europäische Union der Gehörlosen sprachen in einer Reaktion auf das Urteil von einem wichtigen Meilenstein in den Bemühungen, die Gleichberechtigung von Arbeitnehmer:innen mit Behinderungen zu stärken.

Das Europäische Behindertenforum begrüßte das Urteil ebenfalls und wies gleichzeitig darauf hin, dass viele Menschen mit Behinderungen in der EU weiterhin in der Beschäftigung diskriminiert werden.

Im Durchschnitt sind nur 50,8 % der Menschen mit Behinderungen in den EU-Mitgliedstaaten beschäftigt, im Vergleich zu 74,8 % der Menschen ohne Behinderungen.

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2 Kommentare

  • Sehe das nicht als Diskriminierung, schließlich und endlich kann es lebensbedrohlich werden. Ein Hörgerät kann ihm jederzeit von den Gefangenen abgenommen werden. Denke, man sollte hier auf dem Teppich bleiben.

    • Naja, du kennst aber auch nicht alle Details zu diesem Fall, oder?!