ÖAR: Der Teufel steckt im Detail
Der am 2. Juli von der Europäischen Kommission vorgelegte Vorschlag einer Nichtdiskriminierungsdirektive hat bei Behindertenvertretern in Österreich und im EDF, der europäischen Dachorganisation in Brüssel, ziemliches Unverständnis ausgelöst, denn er ist in seiner Gesamtheit schlicht unbrauchbar.
Die Argumente dagegen:
- Der Entwurf widerspricht zum Teil der UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, deren Ratifizierung vom Ministerrat der österreichischen Bundesregierung bereits beschlossen wurde.
- Trotz jahrelanger Diskussionen mit Menschen mit Behinderungen sowie Behindertenvertretern wurden viele Probleme von der Kommission anscheinend nicht verstanden.
- Einige Formulierungen sind sehr schwammig textiert und klar zum Nachteil behinderter Menschen.
- Er enthält Rechtsbegriffe, die es bislang nicht gab und die völlig undefiniert sind: zum Beispiel wird „unverhältnismäßige Belastung“ erweitert um Größe, Art und Ressourcen einer Organisation, ohne dies näher zu definieren.
- Manche Bestimmungen schmälern sogar das Recht behinderter Menschen auf Gleichheit und Nichtdiskriminierung, wie beispielsweise im Bereich der Bildung.
- Der Text widerspricht sich zum Teil selbst.
- Für behinderte Menschen wichtige Angelegenheiten sind in der Vorlage überhaupt ausgeklammert: z.B. Transportmittel und -infrastruktur, Informations- und Kommunikationstechnologie, Barrierefreiheit von Gebäuden und öffentlichen Flächen, Notdienste oder das Bereitstellen von Ressourcen für Wahlen. Blinde Menschen etwa haben nach diesem Entwurf kein Recht mehr auf Unterstützung, wenn sie an einer Wahl teilnehmen wollen!
- Nicht zuletzt wurde die Stimme von exakt 1.364.984 Europäerinnen und Europäern mit Behinderung, die die vom EDF initiierte Kampagne 1million4disability im Vorjahr unterschrieben haben und damit dem Bedürfnis nach einer europäischen Lösung gegen Diskriminierung Ausdruck gegeben haben, ignoriert.
Das EDF hat gleichzeitig mit dem Ende der Kampagne 1million4disability einen Entwurf vorgelegt, der jedoch nur marginal in den nun vorgelegten Vorschlag Eingang fand.
Dr. Klaus Voget, Präsident der ÖAR bringt es auf den Punkt: „Der vorliegende Entwurf stellt insgesamt einen Rückschritt in der EU-Behindertenpolitik dar und es wäre ein schwerwiegender und somit nahezu nicht gut zu machender Fehler, wenn er angenommen werden würde!“ Die ÖAR appelliert daher an Bundesminister Dr. Erwin Buchinger, auf EU-Ebene keinesfalls einer Verabschiedung zuzustimmen, denn, so Voget: „wird damit einer fortschrittlichen Politik für Menschen mit Behinderungen auf Jahre eine Absage erteilt!“