Erste Reaktionen auf die Forderungen der Behindertenvertreter an den Österreich-Konvent

Im Rahmen des Parlamentshearings des Österreich-Konvents am 15.12.2003 präsentierten die BehindertenvertreterInnen die wesentlichsten Anforderungen, die an eine künftige neue Verfassung Österreichs zu stellen sind.

Logo Österreich-Konvent
Österreich-Konvent

Die von den sechs BehindertenvertreterInnen – Mag. Michael Svoboda (ÖAR und KOBV), Dr. Christina Meierschitz (ÖAR), Mag. Silvia Weißenberg (ÖAR und Lebenshilfe Österreich), Rita Donnerbauer (ÖAR und Pro Mente Austria), Mag. Michael Krispl (Blickkontakt und Forum Gleichstellung) und Hedi Schnitzer (ÖZIV) – im Parlamentshearing des Österreich-Konvents vorgebrachten Forderungen für eine transparente, demokratische und bürgernahe neue Bundesverfassung lassen sich so Zusammenfassen:

  • Schaffung eines ausdrücklichen Bundes-Kompetenztatbestandes „Behindertengleichstellung und Diskriminierungsschutz für Menschen mit Behinderungen“ in den Kompetenzartikeln der künftigen neuen Bundesverfassung, um einen österreichweit einheitlichen und hohen Standard der Behindertengleichstellung zu erreichen;
  • Übernahme des in Art. 7 Abs. 1 der derzeitigen Bundesverfassung enthaltenen verfassungsrechtlichen Benachteiligungsverbotes und des Staatszieles der Gleichbehandlung für Menschen mit Behinderungen in die künftig neue Bundesverfassung;
  • Schaffung von weiteren Staatszielen für Menschen mit Behinderungen mit normativer Wirkung, die durchsetzbare Rechte für Menschen mit Behinderungen einräumen in der künftigen neuen Bundesverfassung;
  • Aufnahme eines über dieses Niveau hinausgehenden Grundrechtsschutzes in Anlehnung an die EU-Grundrechtscharta in die künftige neue Bundesverfassung
  • Aufnahme des Grundrechts auf Wahrung der Menschenwürde, der Unversehrtheit des Lebens und von sozialen Grundrechten in die künftige neue Bundesverfassung;
  • Anerkennung der österreichischen Gebärdensprache als Sprache in einer künftigen neuen Bundesverfassung

Im Anschluss an das Parlamentshearing nahmen einige Mitglieder des Österreich-Konvents zu diesen Forderungen Stellung:

Univ.-Prof. Dr. Herbert Haller ortete in der Forderung nach einem österreichweit einheitlichen Niveau der Behindertengleichstellung durch die Schaffung einer diesbezüglichen Bundeskompetenz einen Angriff auf die Landesgesetzgebung zugunsten der Einheitlichkeit, merkte aber an, dass die Landesgesetzgebung aus seiner Sicht näher am Bürger und an den Bedürfnissen der Bürger wäre.

MMag. Dr. Madeleine Petrovic sprach sich für eine umfassende Antidiskriminierungsbestimmung in der Verfassung aus.

Ebenso unterstützte Dr. Kurt Stürzenbecher die Forderung nach einer verfassungsrechtlichen Diskriminierungsschutzregelung, der auch einen konkreten Formulierungsvorschlag für eine solche umfassende Diskriminierungsschutzbestimmung in einer künftigen Bundesverfassung vorstellte.

Univ.-Prof. Dr. Ewald Wiederin etwa meinte, dass es in der künftigen neuen Bundesverfassung selbstverständlich soziale Grundrechte und insbesondere auch ein Grundrecht auf ein Leben in Würde geben müsse. Er hielt auch fest, dass es durchaus sinnvoll erscheint, Menschen mit Behinderungen direkte Geldleistungen zur Verfügung zu stellen, um adäquate Angebote eigenbestimmt in Anspruch nehmen zu können. Dr. Wiederin betonte aber auch, dass das geforderte Gleichheitsrecht von Menschen mit Behinderungen nicht als soziales Grundrecht zu sehen sei; er meinte, dass man bei der Behindertengleichstellung weg vom Staatsziel und hin zu einem Recht und einem einklagbaren Anspruch auf Behindertengleichstellung kommen müsse. Wenn es einen verfassungsrechtlichen und einklagbaren Anspruch auf Gleichstellung gäbe, meint Wiederin, wäre die Kompetenzfrage, ob Bundes- oder Landeskompetenz, sekundär. Er wies auch darauf hin, dass eine einheitliche Bundeskompetenz nicht unbedingt auch einen hohen Standard der Gleichstellung bedeuten müsse. Insbesondere in Angelegenheiten des barrierefreien Bauens hielt Dr. Wiederin fest, dass das dort am besten zu regeln wäre, wo auch die Baurechtskompetenz gegeben ist.

Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian Funk sagt als Vorsitzender des Grundrechtsausschusses seine Unterstützung zu, dass nichts verloren gehen solle, was beim Parlamentshearing von den NGO-VertreterInnen gefordert wurde. Die Zeit sei reif, ja überreif, soziale Grundrechte in die Verfassung aufzunehmen. Dr. Funk warnt aber vor verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverboten mit bloß taxativer Aufzählung der Tatbestände; es müsse ein Diskriminierungsverbot mit einer entwicklungsfähigen demonstrativen Aufzählung sein, um auch Diskriminierungstatbestände erfassen zu können, die heute noch nicht bekannt sind. Zusätzlich zu den sozialen Grundrechten müsste die künftige neue Bundesverfassung nach der Meinung Dr. Funks für die Fälle der gesellschaftlichen Diskriminierung weitere Staatsziele mit Integrations- und Orientierungsfunktion enthalten. Er betonte auch, dass der Konvent auf eine viel größere Verfassung hinarbeite und lässt dabei das Argument, dass dies die Ökonomie nicht tragen könne, nicht gelten.

Dr. Peter Bußjäger wiederum betont, dass er den Wunsch der BehindertenvertreterInnen nach einheitlichen Regelungen aus föderalistischer Sicht ernst nehme, meint aber, dass diese Vereinheitlichung einen Verlust an Innovationen und Gestaltungsspielräumen zufolge habe. Er spricht sich für die Aufnahme von Prinzipien als Untermaß in die künftige Verfassung aus.

Die beim Parlamentshearing des Österreich-Konvents von den BehindertenvertreterInnen gehaltenen Referate wurden auch schriftlich an den Österreich-Konvent mit dem Ersuchen übermittelt, diese Forderungen in die Arbeiten des Konvents an einer neuen Bundesverfassung auch tatsächlich und spürbar einfließen zu lassen.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich