Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel (ÖVP) hat eine "Bioethik-Kommission" ins Leben gerufen, die sich Ende Oktober unter anderem mit der Biomedizin-Konvention beschäftigen wird.

In dieser Kommission sind MedizinerInnen, TheologInnen, PhilosophInnen und die Pharmaindustrie vertreten. Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung – und damit jenen Menschen, die die Folgen einer Biomedizin-Konvention am eigenen Leib spüren könnten – ist in dieser Kommission nicht vorgesehen.
Die Plattform „Nein zur Biomedizin-Konvention“ (der auch BIZEPS angehört) startete eine Internet-Umfrage: „Soll eine Bioethik-Kommission für die Bundesregierung aus dem Personenkreis der Behindertenverbände gebildet werden?“ Das Ergebnis ist eindeutig: 94,6 % der 205 Abstimmenden antworteten mit „ja“.
Bioethik-Kommission
Bekanntlich verabschiedete das Ministerkomitee des Europarates im November 1996 die Biomedizin-Konvention. Sie soll Mindeststandards vorgeben, wenn es um medizinische Eingriffe am Menschen geht, die nicht die unmittelbare Heilung des Menschen zum Ziel haben – etwa im Bereich der Forschung oder der Transplantation. Einige Punkte werden von der Plattform „Nein zur Biomedizin-Konvention“ abgelehnt, weil damit fundamentale Menschenrechte verletzt werden. Es wurden am 5. Mai 1998 knapp 50.000 Unterschriften gegen die Konvention von der Plattform gesammelt und ins Parlament eingebracht. Eine Ratifizierung durch Österreich konnte bisher erfolgreich verhindert werden.
Lange Zeit sah es so aus, als habe Österreich von der Ratifizierung der Konvention Abstand genommen. Nun soll aber offenbar die Bioethik-Kommission des Bundeskanzlers den Weg für eine Ratifizierung bereiten. So wie es derzeit aussieht, soll dies auch gegen den Willen der betroffenen Menschen – nämlich uns – geschehen. Die Plattform hat daher beschlossen, eine Ethikkommission FÜR die österreichische Bundesregierung einzurichten. Diese Kommission aus knapp 20 behinderten und nichtbehinderten ExpertInnen der Plattform „Nein zur Biomedizin-Konvention“ versteht sich nicht als Konkurrenz, sondern als zweite Meinung FÜR die Bundesregierung.
Die konstituierende Sitzung fand am 5. Oktober 2001 statt. Eine Vorstellung unserer Ethikkommission wird Ende Oktober 2001 im Rahmen einer Pressekonferenz erfolgen. Ab diesem Zeitpunkt können sich Interessierte unter Ethikkommission für die österreichische Bundesregierung, c/o ÖAR, Stubenring 2 / 4, 1010 Wien, Tel.: 01 / 513 15 33, Fax: 01 / 513 15 33-150 informieren.
Vielfach fühlt sich der/die Einzelne in Fragen der Biomedizin, Genetik, usw. überfordert. Häufig wird nicht hinterfragt, ob wissenschaftlicher Fortschritt mit den Grundwerten unserer Ethik vereinbar sind. Nicht alles was machbar ist, sollte gemacht werden. Unsere Ethikkommission FÜR die Bundesregierung wird daher einerseits die gesellschaftliche Diskussion in Fragen der Biomedizin begleiten und um den Aspekt Behinderung bereichern. Andererseits gibt es auch Fragen, die mit dem derzeitigen Wissen nicht beantwortbar sind; dies ist als Gesellschaft auch zugeben.
Ethik geht alle an
In den nächsten Monaten wird eine Vielzahl von ethischen Fragen auf unsere Gesellschaft zukommen. Österreich hat hier eindeutig einen Diskussionsnachholbedarf. Wir werden uns tatkräftig mit unserer Ethikkommission FÜR die Bundesregierung in diese Diskussion einmischen und für behinderte Menschen relevante Fragestellungen erörtern.
Es ist Zeit damit zu beginnen.