Etikettenschwindel in Kärnten

Die Selbstbestimmt-Leben-Initiative in Kärnten (BMKz) ist verwundert über die Eröffnung eines Tageszentrums, das als inklusiv angepriesen wird. Der Inklusionsbegriff darf nicht missbraucht werden. Ein Kommentar.

Tafel mit Aufdruck Kärnten
BilderBox.com

„Das Tageszentrum, das wir hier in Brückl eröffnen, ist in zweierlei Hinsicht eine Novität: Zum einen ist es die erste inklusive Tagesstätte Österreichs. Zum anderen bietet es flexible Betreuungsmöglichkeiten an“, so preist das Land Kärnten ein neu eröffnetes Tageszentrum am 22. April 2021 an.

Ein solches Tageszentrum widerspricht allerdings der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK), sagt die Kärntner Selbstbestimmt-Leben-Initiative (BMKz).

Was ist daran inklusiv?

Ernst Kočnik (Obmann des BMKz) zeigt sich gegenüber BIZEPS „verwundert über die Eröffnung eines Tageszentrums, das als inklusiv angepriesen wird“.

„Das Land Kärnten bekennt sich mit seinem Landesetappenplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und damit auch zur De-Institutionalisierung und Inklusion. Daher ist die Eröffnung dieser segregierenden Pflegeeinrichtung nicht nachvollziehbar“, so das BMKz in einem Offenen Brief am 3. Mai 2021 an Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser und Landeshauptmannstellvertreterin Beate Prettner.

Zusätzlich bemerkt das BMKz an: Die Entscheidung über die Unterbringung in diesen Tageszentren sei vielfach nicht selbstbestimmt, sondern würde durch Angehörige getroffen werden.

Tageszentren basieren auf längst überholten Konzepten

Das BMKz weist weiteres darauf hin, dass der Grundsatz der UN-BKR die volle und wirksame Teilhabe und Inklusion in die Gesellschaft sei. Dies beinhalte, dass Dienstleistungen an die Bedürfnisse der Menschen angepasst sein müssen.

Ein Tageszentrum basiere auf dem längst überholten Konzept von sinnvoller Beschäftigung, in der Menschen mit Behinderungen sich an vorgegebene Strukturen anpassen müssen, zeigt das BMKz auf.

Anstatt des weiteren Ausbaus von institutionellen Pflege- und Betreuungseinrichtungen fordert sie, die UN-BRK ernst zu nehmen und alternative Wahlmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen zu schaffen.

Etikettenschwindel mit Begriffen

Das „inklusive“ Tageszentrum ist nicht das einzige Beispiel, wo Inklusion als Bezeichnung für eine ganz und gar nicht inklusive Einrichtung gebraucht wird. Sonderschulen bleiben Sonderschulen, auch wenn sie jetzt immer häufiger als Inklusive Schulzentren bezeichnet werden. Ein solches Beispiel wie in Kärnten, zeigt erneut, wie gerne man mit Begriffen wie Inklusion Etikettenschwindel betreibt.

Versprechungen wie die Umsetzung der UN-BRK oder inklusiver zu werden, machen sich immer gut in der Politik oder in Leitfäden für Länder. Sie verkommen aber zu Farce, wenn sie nicht nur nicht in praktisches Handeln umgesetzt, sondern missbraucht werden, um Sondereinrichtungen zu tarnen.

Also hört auf, Inklusion als modisches Schlagwort oder irreführende Bezeichnung für Sondereinrichtungen zu gebrauchen, sondern arbeitet aktiv daran, Inklusion gesamtgesellschaftlich in allen Bereichen, ohne Ausnahme, umzusetzen.

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6 Kommentare

  • Vielen Dank an Katharina Müllebner und Ernst Kocnik dafür, dass sie diesen Widerspruch sichtbar machen. Ich selbst dachte mir, eine inklusive Einrichtung ist ungefähr gleich widersprüchlich wie ein friedlicher Krieg – beides kann ich mir nicht vorstellen. Natürlich ist ein Gedanke, der schnell kommt, dass vielleicht der Begriff „Inklusion“ mit allem was damit verbunden ist, noch nicht verstanden wird – aber ich glaube das gar nicht. Ich denke vielmehr, dass man zu wenig Ideen hat, wie man Inklusion – die durchaus gewollt wird – umsetzen kann. Und anstatt sich auf einen kreativen Prozess mit den Expert_innen in eigener Sache einzulassen, der sicherlich auch den einen oder anderen Paradigmenwechsel braucht, versucht man es mit Überschriften – klingt schön, nur darunter ist leider nicht das zu finden, was die Überschrift suggeriert.
    Ich wünsche mir eine offene, lösungsorientierte, wertschätzende Diskussion und Auseinandersetzung, die dann in weiterer Folge auch zu ECHTEN Veränderungen im Sinne der Inklusion führt – und dazu gehört eine inklusive Grundhaltung, der Mut, etwas Neues auszuprobieren, die Freude daran, eingetretene Pfade zu verlassen und natürlich auch die Bereitschaft, Fehler zu riskieren und daraus zu lernen.

  • Und ewig grüßt das murmeltier! das gerede um inklusion ist das eine und die realität einer aussondernden einrichtung das andere. auch der beleidigend drohende und aggressive ton der frau mit den vielen titeln ist nicht neu. fazit: nix verstanden und wild herumtreten. wer geglaubt hat, daß wir schon längst über diese ewiggleichen verhältnisse hinaus sind – der brief von frau samm zeugt vom gegenteil.

  • Sehr geehrte Frau Müllebner!
    Das Land Kärnten insbesondere der Bereich Soziales/Menschen mit Behinderung ist über Ihren veröffentlichten von Hr. Kocnik inszenierten Artikel höchst erstaunt.
    Es handelt sich hier um eine einseitige Interpretation von Fakten in Verbindung mit Mutmaßungen. Wir fordern Sie und die Selbstbestimmt Leben Initiative in Anbetracht ihrer großteils unrichtigen Aussagen und Vorgehensweise zu einer öffentlichen Richtigstellung auf.
    Das Land Kärnten nimmt in seiner Funktion und Zuständigkeit das Übereinkommen über die Rechte von MmB in der UNBRK äußerst ernst, ist es doch das Land Kärnten, dass als 2. Bundesland überhaupt einen Landesetappenplan zur Umsetzung der UNBRK verwirklicht hat. Dieser LEP enthält u.a. 21 Wohn- und Beschäftigungsprojekte, welche selbstverständlich die Ziele und Berücksichtigung der UnBRK enthalten.
    DAS PROJEKT “ Inklusives Tageszentrum Brückl“ wird seiner Konzeptionierung und Verwirklichung als “ erstes inklusives Tageszentrum“ jedenfalls gerecht.
    Die fälschlich vermutete und angestellte Behauptung von fehlender Inklusivität und fehlender Selbstbestimmung ist gänzlich falsch und verkannt und fordern wir Sie auf, eine Richtigstellung zu veröffentlichen!
    Wir werden Ihnen noch heute die Antwort auf den offenen Brief der Selbstbestimmt Leben Initiative übermitteln. Mag. Sigrid Samm, UA Chancengleichheit für MmB, AKL

    • Sehr geehrte Frau Mag. Samm, so wie Sie Feuer und Flamme PR für Ihr neues Tageszentrum machen, hat der kärtnerische LEP die Quadratur des Kreises geschafft – sie haben Inklusion geschaffen, wo es per Definition KEINE Inklusion geben kann – in einer Institution – Sie verwechseln FLEXIBILITÄT mit INKLUSION. Wenn die Politik aber
      die Inklusion per se nicht versteht, dann steht eigentlich die Umsetzungs-Kompetenz für einen Landes-Etappenplan in Frage. – Es werden flexible Öffnungszeiten angeboten und für die Tageszentrums-Besucher wird, wie in einem „Club-Urlaub“ ein „kümmern um eine abwechslungsreiche Tagesgestaltung der Gäste.“ angeboten – Eine abwechslungs-reiche Tagesgestaltung ist ebenso kein Synonym für „inklusiv“ oder „Inklusion“ – das Tageszentrum Brückl ist ein „Entlastungsmaßnahme“ für pflegende und betreuende Angehörige – hat aber nichts mit Inklusion zu tun. – Bitte ersetzen sie in ihren Werbeflyern und Info-Kampagnen einfach die Floskel „erstes inklusives“ mit „flexibles Entlastungs-„Tageszentrum, dann besteht Hoffnung, dass Sie das Prinzip der Inklusion verstanden haben. – Meine Kritik bezieht sich auf die „Presseaussendung“ auf https://www.ktn.gv.at/Service/News?nid=31353 – Mit freundlichen Grüßen. – Kann sein, dass es für kärtnerische oder österreichische Verhältnisse das beste Tageszentrum aller Zeiten ist, es kann aber trotzdem nicht „inklusiv“ sein, weil ein Tageszentrum nie inklusiv sein kann – weil Inklusion und Tageszentrum sich gegenseitig ausschließen. – „Gut gemeint“ ist nicht „gut gemacht“.

    • Sehr geehrte Frau Samm!

      Nach nochmaligem Durchlesen des Artikels sehe ich nach wie vor nicht, was an diesem Artikel „richtig gestellt“ werden sollte. Auf Vorwürfe per Artikelkommentare hin ändern wir unsere Artikel ohnehin nur bei offensichtlichen Fehlern, schon allein deshalb weil wir die Echtheit ihrer Person anhand eines Artikelkommentars nicht verifizieren können.

      Sie können uns aber gerne an office@bizeps.or.at schreiben.

      Mit freundlichen Grüßen,
      Markus Ladstätter / BIZEPS

    • frau samm,
      was ich bemerkenswert unangebracht an ihrem stil finde, ist die der forsche ton, wie sie sich hier einbringen. soweit mir ersichtlich wird, erachte ich es tatsächlich als etikettenschwindel, was sie hier als inklusion „verkaufen“. herrn kocniks offener brief kann ich nur vollinhaltlich unterstützen. ich schätze seine komptenz. und er erklärt ihnen eigentlich nur was sache ist. der beitrag von frau müllebner im forum und die antworten von herrn lindner u. herrn ladstätter sind klartext. auch was die debattenkultur betrifft!