EU-Strukturfonds werden in Österreich zur Aussonderung von Menschen mit Behinderungen verwendet

7,5 Millionen € aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) wurden in Oberösterreich für den Neubau von Wohneinrichtungen und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen verwendet.

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Dies widerspricht den Verpflichtungen Österreichs und der Europäischen Union aus der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) sowie der Grundrechtecharta und dem Antidiskriminierungsgesetz der EU.

Beschwerde gegen falsche Verwendung von Geldern

Selbstbestimmt Leben Österreich (SLIÖ), Wien, und das Europäische Netzwerk für Selbstbestimmtes Leben (ENIL), Brüssel, fechten diese Verwendung von EU-Mitteln juristisch an: Sie haben vergangene Woche eine formelle Beschwerde gegen die Oberösterreichische Landesregierung eingereicht.

Den beiden Organisationen liegen Unterlagen für den Neubau von sechs aussondernden Wohneinrichtungen und zwei Werkstätten für behinderte Menschen vor, die aus ELER Mitteln kofinanziert wurden. Alle Projekte sind Sondereinrichtungen nur für behinderte Menschen.

Im Sinne des Allgemeinen Kommentars 5 zu Artikel 19 der UN-BRK, herausgegeben vom UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, können sie als Institutionen bezeichnet werden.

Bernadette Feuerstein, die Vorsitzende von Selbstbestimmt-Leben Österreich, erklärt:

SLIÖ tritt vehement gegen alle Maßnahmen auf, die zur Aussonderung von Menschen mit Behinderungen führen. Öffentliche Fördermittel, egal aus welchem „Topf“ sie kommen, dürfen nicht gesetzwidrig verwendet werden.

Wir freuen uns sehr, dass wir gemeinsam mit ENIL diese problematische Praxis aufzeigen können. Mit dieser Beschwerde wird hoffentlich der Anstoß geben, dass notwendige Schritte unternommen werden.

In der Beschwerde zeigten sich SLIÖ und ENIL besorgt darüber, dass in Oberösterreich eine große Mehrheit aller behinderten Frauen und Männer in Einrichtungen lebt und in Werkstätten beschäftigt ist, wo sie weder bezahlt werden noch Rechte als ArbeitnehmerInnen haben.

Laut der offiziellen Statistik aus 2018 leben 70 Prozent der behinderten Menschen – insgesamt 4.635 Menschen – in Einrichtungen, während nur 1.746 mobile Hilfe in den eigenen vier Wänden erhalten. Nur 215 Personen konnten Persönliche Assistenz in Anspruch nehmen.

Durch die Nutzung der von der Europäischen Union bereitgestellten Mittel könnten die Rechte und die Inklusion behinderter Menschen durch den Ausbau dringend notwendiger gemeinwesenorientierter Dienste wie Persönliche Assistenz gefördert werden. Stattdessen wird das System aussondernder Institutionen gestärkt.

Überprüfung anderer Regionen in Vorbereitung

SLIÖ und ENIL wollen mit der Beschwerde die Europäische Kommission dazu bringen, gegen die Oberösterreichische Landesregierung vorzugehen, z.B. durch die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens.

Die Organisationen sind der Ansicht, dass es dafür eine solide Rechtsgrundlage gibt: Das Recht behinderter Menschen auf ein selbstbestimmtes Leben, auf Arbeit und Beschäftigung sowie der Schutz vor Diskriminierung gehören zu den gemeinsamen Werten der EU und sind gesetzlich verankert.

Weitere Beschwerden gegen andere Regionen in Österreich, die ELER Mittel zur Institutionalisierung behinderter Menschen verwenden, könnten folgen.

Siehe: DerStandard, ENIL, Equinet

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Ein Kommentar

  • Das Recht behinderter Menschen auf ein selbstbestimmtes Leben, auf Arbeit und Beschäftigung
    mfg
    Siegfried