Europäischer Gerichtshof prüft Diskriminierung von Drittstaatsangehörigen bei der Vergabe der oö. Wohnbeihilfe

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) beschäftigt sich derzeit mit Rechtsfragen, die ihm vom Landesgericht Linz anlässlich eines Verfahrens des Klagsverbands vorgelegt wurden.

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EGMR

Es geht dabei um die Frage der Gleichstellung von langfristig in Österreich lebenden Drittstaatsangehörigen mit österreichischen Staatsbürger_innen bei der Vergabe der oberösterreichischen Wohnbeihilfe.

In Oberösterreich müssen Personen, die nicht österreichische oder EU/EWR-Staatsbürger_innen sind, seit 2018 nachweisen, dass sie Deutsch auf einem gewissen Niveau beherrschen, um die Wohnbeihilfe zu erhalten. Aber auch schon vor 2018 wurden Drittstaatsangehörige diskriminiert, da sie zusätzliche Nachweise für den Erhalt der Wohnbeihilfe erbringen mussten. 

Richtungsweisende Entscheidung zur Gleichbehandlung von Drittstaatsangehörigen bei Sozialleistungen 

„Aus unserer Sicht ist es klar diskriminierend, wenn von langfristig aufenthaltsberechtigten Personen aus Drittstaaten zusätzliche Nachweise wie zB Deutschkenntnisse verlangt werden“, erklärt Theresa Hammer, die Leiterin der Rechtsdurchsetzung beim Klagsverband.

„Die Entscheidung des EuGH wird ein richtungsweisender Anhaltspunkt für die nationalen Gerichte sein, wie die EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung von Drittstaatsangehörigen, die sich längerfristig im Land aufhalten, und auch die Anti-Rassismus-Richtlinie auszulegen sind“, so Hammer. 

Das jetzige Verfahren sei exemplarisch für die zunehmend restriktiven Regelungen zu Sozialleistungen zu sehen. Bei Sozialleistungen müsste es in erster Linie um den Nachweis der Bedürftigkeit gehen, betont Hammer. 

1. Instanz bestätigte bereits Diskriminierung eines türkischen Staatsbürgers 

Das Verfahren, das derzeit beim Landesgericht Linz anhängig ist, wurde vom Klagsverband 2018 für einen Klienten des oberösterreichischen Vereins migrare eingebracht: Ihm wurde als türkischer Staatsbürger die Wohnbeihilfe verweigert, weil er den notwendigen Nachweis eines Deutschzertifikates nicht erbringen konnte. 

Seit 2018 wird in Oberösterreich von nicht-österreichischen oder EU-Staatsbürger_innen neben einem mindestens fünfjährigen Aufenthalt in Österreich und einem Einkommensnachweis auch ein Deutschzertifikat verlangt, um die Wohnbeihilfe des Landes zu erhalten. Für viele ältere, kranke oder aus anderen Gründen benachteiligte Personen ist es unmöglich, diesen formalen Nachweis zu erbringen.

Dazu Mümtaz Karakurt von migrare: „Wir weisen seit langem darauf hin, dass die Hürden beim Zugang zur oberösterreichischen Wohnbeihilfe für MigrantInnen diskriminierend sind und Menschen in existentielle Nöte bringt. Wir begrüßen daher, dass sich ein Höchstgericht dieses Themas annehmen wird und hoffen auf künftige Rechtssicherheit.“

„Corona-Wohnbeihilfe“ diskriminiert ebenfalls 

Auch bei der jüngsten Form der Wohnkostenhilfe des Landes Oberösterreich werden langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige erneut diskriminiert: 

Bei der „COVID 19 Wohnkostenhilfe“ handelt es sich um eine finanzielle Unterstützung des Landes für Personen, die aufgrund der Coronakrise ihr Einkommen oder einen Teil ihres Einkommens verloren haben. Die Leistung ist vorläufig auf drei Monate befristet und soll in der aktuellen außergewöhnlichen Notlage davor bewahren, die Wohnung zu verlieren. Für den Erhalt dieser Unterstützung müssen Drittstaatsangehörige jedoch ebenfalls ein Deutschzertifikat nachweisen. 

Hier sind, so wie bei der allgemeinen Wohnbeihilfe, häufig Personen vom Ausschluss betroffen, die sich in prekären Arbeitssituationen befinden oder gerade jetzt wichtige gesellschaftliche Aufgaben abdecken. 

Keine Gleichbehandlung bei Wohnbeihilfe in OÖ bereits vor 2018 

Das Land Oberösterreich hat aber nicht erst mit dem Nachweis von Deutschkenntnissen Ausschlusskriterien für bereits länger in Österreich lebende Drittstaatsangehörige geschaffen. Schon bevor die Regelung mit dem Deutschzertifikat 2018 eingeführt wurde, musste diese Personengruppe zusätzliche Kriterien erfüllen, um die Sozialleistung zu erhalten. 

Dass es sich dabei um eine Verletzung des Diskriminierungsverbots handelt, hat das Landesgericht Linz bereits in einem Verfahren des Klagsverbands für eine Klientin von migrare klargestellt: 

Im Juni 2017 hat eine türkische Alleinerzieherin die Wohnbeihilfe sowie 1.000 Euro Schadenersatz zugesprochen bekommen, weil sie für den Erhalt der Wohnbeihilfe mehr Erwerbszeiten nachweisen musste als österreichische und EU-Staatsbürger_innen (https://www.klagsverband.at/archives/12488). 

Das Land Oberösterreich hat daraufhin zwar den Nachweis der Erwerbszeiten für alle Personengruppen vereinheitlicht, mit dem Nachweis der Deutschkenntnisse aber schnell eine neue Hürde für den Erhalt der Wohnbeihilfe eingeführt. Ob diese mit den EU-Gleichstellungsrichtlinien vereinbar ist, gilt es nun mit der Entscheidung des EuGH abzuwarten. 

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Ein Kommentar

  • Was haben bitte Sprachkenntnisse mit zu wenig Einkommen zu tun, um die Wohnung bezahlen zu können, wenn jemand grundsätzlich einen Anspruch auf eine Leistung hat? Für die Vollziehung solch unmenschlicher Gesetzesvorgaben werden unsere Steuergelder vergeudet, die besser im Sozialsystem landen sollten.

    Ich hoffe, der EU-Gerichtshof kommt hier zu einem klaren Bescheid, der dann wirklich auf alle Sozialleistungen unseres Landes Auswirkungen hat.

    Fremdschämen hilft zwar nichts, aber mir ist gerade danach als Oberösterreicherin.