Wie ich euch schon erzählte, bin ich eine der freiwilligen HelferInnen (Volunteer) beim Eurovision Song Contest. Wie sieht es aber eigentlich mit der Barrierefreiheit rund um die Veranstaltung aus?
Bevor ich als Volunteer ausgewählt wurde, musste ich – wie bereits erwähnt – zwei mal zum Casting.
Ich erwartete mir, wie üblich, dass es vor Ort keine barrierefreien Toiletten gibt und ich möglicherweise nicht einmal die Gebäude betreten kann. Ich hätte natürlich vorher anrufen können, um mich über die Barrierefreiheit zu erkundigen, aber ich wollte das Abenteuer spüren.
Zu meiner Überraschung kam es aber anders
Die beiden Castings fanden im Radiofunkhaus und im Parkhotel Schönbrunn statt, unsere Kick off Events in der EMS Lounge und in der Stadthalle. Ich konnte alle Gebäude betreten und mit Lift oder Rampe in die Räume gelangen, wo ich bestellt war.
Auch eine barrierefreie Toilette fand sich in allen Gebäuden. Die architektonische Barrierefreiheit für RollstuhlfahrerInnen war also tatsächlich gegeben. Auch unser Volunteer-Center, das jetzt unser Zuhause ist, ist ohne Barrieren zu erreichen.
Laut der Definition von Barrierefreiheit in der ÖNORM oder im Behindertengleichstellungsgesetz würde ich aber natürlich noch einige Mängel finden, beispielsweise war nicht immer der Haupteingang barrierefrei.
Und im Backstagebereich und dem Pressezentrum?
Der Backstagebereich der Stadthalle mit dem Pressezentrum, dem Catering, dem Delegationsbereich usw. ist ebenfalls gut mit dem Rollstuhl befahrbar. Ich habe auch schon freudig festgestellt, dass es eine barrierefreie Damen- und Herrentoilette gibt und keine barrierefreie Unisextoilette. Rollstuhlfahrende JournalistInnen konnte ich auch schon erspähen.
Man darf annehmen, dass die Bühne in der Stadthalle auch ohne Stufen erreichbar ist, denn Monika Kuszyńska, die heuer Polen beim Eurovision Song Contest vertritt, ist selbst Rollstuhlfahrerin. Genaueres kann ich aber erst später sagen, denn angeblich gibt es dann ein Fotoshooting mit allen Volunteers auf der Showbühne. Wie cool ist das!!
Mein Fazit
Für RollstuhlfahrerInnen, egal ob ZuseherIn, ArbeiterIn, JournalistIn oder KünstlerIn, ist der Eurovision Song Contest relativ gut erreichbar.
Das große Wort Inklusion würde ich aber dennoch nicht verwenden. Inklusiv wäre eine Konzerthalle dann, wenn ich wählen könnte, ob ich am Rand oder in der Mitte, weiter vorne oder weiter hinten sitzen möchte.
In der Stadthalle ist das jedoch nicht der Fall. In der Halle F befinden sich alle RollstuhlfahrerInnenplätze in einer Reihe und Begleitpersonen müssen eine Reihe davor oder dahinter Platz nehmen. Bei den Shows können RollstuhlfahrerInnen nur aus zwei Preiskategorien wählen. Das billigste Ticket für RollstuhlfahrerInnen bei den Semifinalliveshows kostete beispielsweise 95 Euro, während es für FußgängerInnen bereits Tickets um 25 Euro gibt.
Beim Haupteingang für MitarbeiterInnen des Song Contests gibt es nur Drehkreuze, was ein gleichzeitiges Betreten der „heiligen Hallen“ mit KollegInnen unmöglich macht. Das aber nicht zuletzt aufgrund der Barrieren im Kopf der SecuritymitarbeiterInnen.
Mehr dazu erzähle ich euch dann in meinem nächsten Beitrag.
P.S.: Kürzlich traf ich Andi Knoll (ORF-Kommentator des Eurovision Song Contest). Es versteht sich von selbst, dass ich diese Gelegenheit für ein gemeinsames Foto nutzte – quasi unter KollegInnen 😉