Brigitte Faber

Faber: „Praktische Umsetzung der Konvention nicht vergessen“

Eine "Konvention zur Förderung und zum Schutz der Rechte und Würde von Menschen mit Behinderungen" muss konkret sein, um umgesetzt werden zu können. Dies fordert Brigitte Faber vom Weibernetz e.v. im Interview.

Brigitte Faber vom Weibernetz e.v., der politischen Interessensvertretung von behinderten Frauen in Deutschland, erzählt im Interview von der Weiterentwicklung des Konventionstextes und fordert mit Nachdruck eine Konkretisierung ein. Die Lobbyarbeit für die Berücksichtigung der Belange von Frauen und Mädchen wird bei der Sitzung vom 16. Jänner bis 3. Februar 2006 in New York hoffentlich Früchte tragen.

BIZEPS-INFO: Welche konkreten Erwartungen haben Sie an diese Verhandlungsrunde? Welche Fortschritte könnte es geben?

Brigitte Faber (weibernetz): Es ist die siebte Sitzung, d.h. alle Argumente sind von allen Seiten letztendlich vorgebracht und ausgetauscht. Der Vorsitzende Mr. MacKay hat auf der Basis der letzten Sitzung einen überarbeiteten Textentwurf vorgelegt, der die Veränderungen/Erweiterungen, die „konsensverdächtig“ sind, aufgenommen hat.

Aus Sicht behinderter Menschen erhoffen wir uns noch Fortschritte bei z. B. der besseren Verankerung von Kindern, der Berücksichtigung der spezifischen Belange von Urbevölkerungen oder der Anerkennung und Bereitstellung behinderungsbedingt notwendiger Assistenz z. B. vor Gericht.

BIZEPS-INFO: Welcher Punkt ist Ihnen in dieser Verhandlungsrunde besonders wichtig? Was wollen Sie inhaltlich beitragen?

Brigitte Faber: Meine Aufgabe in New York wird wieder hauptsächlich in der Lobbyarbeit für die Berücksichtigung der Belange von Frauen und Mädchen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen bestehen. Hier wurde auf der letzten Sitzung erreicht, dass diese Berücksichtigung aus der Konvention grundsätzlich nicht mehr wegzudenken ist.

In dieser Runde wird es nun – zum Teil stärker als bei den anderen, bereits seit sechs Runden verhandelten Themen – um die Konkretisierung gehen: An welchen Stellen und in welchem Umfang müssen spezifische Frauenbelange verankert werden, damit sie bei der praktischen Umsetzung der Konvention nicht „vergessen“ werden. In Vorbereitung dieses Treffens wurden von behinderten Frauen aus der ganzen Welt konkrete Formulierungsvorschläge erarbeitet, die nun gemeinsam eingebracht und entsprechend dem Verlauf der Sitzung weiterentwickelt werden sollen.

BIZEPS-INFO: Eine der Forderungen ist, dass in Zukunft Entwicklungsprogramme grundsätzlich auch immer für behinderte Menschen zugänglich sein müssen. Welchen Stellenwert geben Sie dieser Forderungen?

Brigitte Faber: Diese Forderung nicht umzusetzen, würde bedeuten, dass die Konvention in einem ganz wesentlichen Bereich den Schutz und die Förderung der Rechte von Menschen mit Behinderung als Menschenrechte nicht benennt. Entwicklungsprogramme werden in Bereichen eingesetzt, in denen ein dringender Handlungsbedarf bereits festgestellt wurde. Und gerade hier gilt, dass Menschen mit Behinderung zumeist noch einmal stärker betroffen sind – sei es z. B. die Gesundheitsversorgung oder die Versorgung mit sauberem Wasser. Solche Programme nicht barrierefrei zu gestalten heißt, einen großen Teil der am stärksten benachteiligten Gruppe auszuschließen.

BIZEPS-INFO: Behinderte Frauen fordern vehement die durchgängige Berücksichtigung ihrer Forderungen in der Konvention. Was ist hier, Ihrer Meinung nach, in diesem Bereich notwendig?

Brigitte Faber: Neben einer Sprachwahl, die den Geschlechtern gerecht wird, ist ein eigenständiger Artikel, der auf einer ganz grundsätzlichen Ebene den Schutz und die Berücksichtigung der Rechte und der Würde von Frauen mit Behinderung sicherstellt, dringend erforderlich. Ebenso wichtig ist es, die spezifischen Belange von Frauen und Mädchen mit Behinderung in all jenen Artikeln ausdrücklich und möglichst konkret zu benennen, die für sie von besonderer Relevanz sind, wie z. B. in den Artikeln über Gewalt oder Gesundheit aber auch über die Umsetzung sowie Kontrolle der Erfolge der Konvention.

Dieses zweigleisige Vorgehen (twin-track-approach) wird von der Frauengruppe, die sich auf der letzten Sitzung gegründet hat, einstimmig befürwortet und vorangetrieben, wobei wir Unterstützung von weiteren Frauenorganisationen wie z. B. der Europäischen Frauenlobby haben.

BIZEPS-INFO: „The International Lesbian and Gay Association“ sowie eine Reihe von nationalen Lesben- und Schwulenorganisationen weisen darauf hin, dass in Bezug auf Mehrfachdiskriminierung die Aufzählung der „sexuellen Orientierung“ fehlt und fordern die Berücksichtigung im Konventionstext. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass in der Konvention auch die Menschenrechte von behinderten Lesben und Schwulen geschützt werden?

Brigitte Faber: Auf alle Fälle. Der Schutz von Lesben und Schwulen war bereits auf den vorangegangenen Sitzungen bei den Nichtregierungsorganisationen Thema. Dabei ist es in unseren Reihen keine Frage des „Ob“, sondern des „Wie“. Die große Herausforderung besteht in dem Umstand, dass für UN-Konventionen das Konsens-Prinzip gilt, d. h. es müssen alle rund 190 Mitglieds-Staaten dieser Konvention am Ende zustimmen, damit sie verabschiedet werden kann.

Auch entbrennt bei Aufzählungen die Grundsatz-Diskussion in wieweit „Listen“ der zu berücksichtigenden Bereiche nicht zu einem ungewollten Ausschluss der nicht Genannten führen. Andererseits zeigen die Erfahrungen, dass Nichtbenanntes schnell übersehen wird. Wir werden auch auf diesem Treffen wieder um eine Lösung ringen und entsprechende Lobbyarbeit leisten. Die Lösung wird aber vermutlich nicht in dem Durchbruch der Anerkennung dieser Rechte schlechthin bestehen. Hier wird auch in Zukunft noch sehr viel Arbeit zu leisten sein.

BIZEPS-INFO: Wir danken für das Interview.

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