Familienbeihilfe für Menschen mit Behinderung: Gesetz bleibt unpräzise, Rechtssicherheit fehlt

Oppositionsparteien und Behindertenorganisationen: Ergebnis sind Einbindung bei Erlass und Monitoring

Antrag auf Familienbeihilfe
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Das seit Wochen von Opposition und ExpertInnen der Behindertenorganisationen geforderte Gespräch anlässlich der Unklarheiten bei der erhöhten Familienbeihilfe für Menschen mit Behinderung fand Montag statt.

Die InteressenvertreterInnen hatten große Bedenken, dass der vorliegende Gesetzestext für viele Menschen mit Behinderung der Wegfall der erhöhten Familienbeihilfe bedeutet. „Das Ergebnis von gestern sind die Einbindung der Opposition und der Behindertenorganisationen bei Erarbeitung eines Erlasses und ein laufendes Monitoring, das die Entwicklung beobachten soll. Rechtssicherheit – so wie gefordert ist damit nicht gegeben“, stellten VertreterInnen von NGOs sowie von SPÖ, NEOS und Liste Pilz am Dienstag fest.

„Wir verstehen die Absicht der Gesetzesreparatur, die allerdings unserer Einschätzung nach ungenügend ist. Leider lehnen ÖVP und FPÖ eine nochmalige vertiefende Beratung im Parlament ab. Anhand von Beispielen wurde aufgezeigt, welche Auswirkungen seitens der Behindertenbewegung befürchtet werden. Für uns ist der Text daher noch nicht beschlussreif“, so Martin Ladstätter, BIZEPS und weiter: „Die Beschlussfassung in dieser Form bereitet uns Sorgen und unsere Warnungen wurden zwar angehört; aber werden nicht berücksichtigt.“ Die anwesenden Abgeordneten der Regierungsparteien stellten klar, dass es ihre feste Absicht ist, den Gesetzestext diese Woche unverändert verabschieden zu wollen. Offen blieb ob in den erläuternden Bemerkungen zum Gesetz die eine oder andere Präzisierung erfolgen wird.

„Es ist ein Ergebnis des gemeinsamen Auftretens der NGOs, dass die Regierungsparteien zum Thema der erhöhten Familienbeihilfen für Menschen mit Behinderung in den Dialog mit der Zivilgesellschaft getreten sind und die kritischen Stellungnahmen aus erster Hand entgegengenommen haben. Diese Einbindung hätte allerdings am Beginn des Prozesses der Gesetzesänderung stehen müssen und nicht erst zwei Tage vor der Behandlung im Plenum des Nationalrates erfolgen dürfen. Das ist nicht nur ein Gebot der ernsthaften Befassung mit sachlicher Kritik, sondern wird auch von der seit 10 Jahren geltenden UN-Behindertenrechtskonvention verlangt, wenn es dort heißt: „Nichts über uns ohne uns“, resümiert Behindertenanwalt Hansjörg Hofer.

„In dem durchaus konstruktiven Gespräch mit VertreterInnen der Regierungsparteien und des Familienministeriums wurden einige, aber nicht alle Bedenken der Behindertenorganisationen ausgeräumt. Daher empfehlen wir dringend nochmals eine Expertenrunde, deren Ergebnisse in einen verbesserten Gesetzesentwurf oder einen Abänderungsantrag einfließen könnten und parallel dazu die gemeinsame Arbeit an einem Einführungserlass. Dadurch würde nicht allzu viel Zeit verloren gehen und das Gesetz an Substanz gewinnen. Die Ankündigung, dass die Behindertenorganisationen in die Formulierung des Erlasses rechtzeitig eingebunden werden, sehen wir als wichtigen Fortschritt. Grundsätzlich hat sich wieder einmal gezeigt, dass die Lebensrealitäten behinderter Menschen vor allem durch diese selbst formuliert werden und rechtzeitig in einen Gesetzesprozess einfließen sollten“, so Albert Brandstätter, Generalsekretär, Lebenshilfe Österreich.

„Als Interessenvertretung für Menschen mit Behinderungen in Österreich ist uns diese Ergebnis-Kosmetik viel zu wenig. Wir fordern nach wie vor den umfassenden Einbezug von Expertinnen und Experten und die Zurückweisung des Gesetzesvorschlages an den Ausschuss für Familie und Jugend. Ein laufendes Monitoring könnte man sich ersparen, indem man beispielsweise die neu eingefügten zwei Worte – ‚eigenständige Haushaltsführung‘ wieder streicht. Damit hätte man das Gesetz, so wie im Sommer versprochen, zumindest teilweise repariert“, so Herbert Pichler, Präsident des Österreichischen Behindertenrates.

„Reichlich spät fand das Gespräch mit den Regierungsparteien statt, um eine ernsthafte Auseinandersetzung den Betroffenen zu ermöglichen, zwar konnten einige Fragen geklärt werden, das betreffende Gesetz bleibt jedoch unpräzise und die geforderte Rechtssicherheit fehlt. Das geplante Monitoring werden wir genau beobachten“, resümiert SPÖ-Sprecherin für Menschen mit Behinderung Birgit Sandler.

Vorsichtig optimistisch, wenn auch nicht ganz zufrieden zeigt sich Michael Bernhard, Familiensprecher der NEOS: “Immerhin konnte aufgrund des Drucks der Opposition ein gemeinsames Treffen mit den Regierungsparteien und den Interessenvertretungen erwirkt werden. Dass es nun ein Monitoring geben wird, begrüße ich. Die Einbindung der Zivilgesellschaft ist jedoch leider deutlich zu spät erfolgt.“

Daniela Holzinger, Familiensprecherin der Liste Pilz: „Erst auf Druck der Opposition kam es in letzter Minute noch zum entscheidenden Gipfel bei dem die Behindertenorganisationen mit ihrer Expertise eingebunden wurden, diesen Weg hätte man von Anfang an beschreiten sollen. Ich werde mich zukünftig dafür einsetzen, den Interessensvertretungen auch bei Initiativanträgen die Möglichkeit der Mitgestaltung einzuräumen.“

Siehe auch: ORF.at, Tiroler Tageszeitung, Salzburg24, Vorarlberg OnlineKleine Zeitung, Salzburger Nachrichten, Vienna Onine, Die Presse

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