Filmtipp: Wie ein Sommercamp zur Revolution wurde

Der Film „Crip Camp: A Disability Revolution“ zeigt, wie ein Sommercamp zum Startschuss für den Kampf um die Rechte von Menschen mit Behinderungen in den USA wurde.

Film Crip Camp
Netflix

Alles begann mit Camp Jened, einem Sommercamp für Kinder und junge Erwachsene mit Behinderungen. Nichts Besonderes, möchte man auf den ersten Blick meinen. Doch dieses Camp war anders. Denn hier trafen sich in den 70iger Jahren Menschen mit Behinderungen, die inspiriert durch ihre Erfahrungen im Sommercamp zu Kämpferinnen und Kämpfern für Behindertenrechte in den USA wurden.

Der Film Crip Camp: A Disability Revolution begleitet die heutigen Aktivistinnen und Aktivisten wie Judith HeumannJames LeBrecht, Denise Sherer Jacobson oder Stephen Hofmann auf ihrem Weg von Camperinnen und Campern zu Behindertenrechtsaktivistinnen und Behindertenrechtsaktivisten.

Das Woodstock der Behindertenbewegung

Wenn man die ersten Filmaufnahmen des Camps sieht, fühlt man sich an Aufnahmen aus Woodstock erinnert. Camperinnen und Camper, Betreuerinnen und Betreuer wirken wie eine Einheit, man spürt keine Hierarchie. Man sitzt zusammen, feiert und tauscht sich aus.

Ein interviewter Camper bringt das Ganze auf den Punkt: In anderen Camps so sagt er, habe man das Gefühl, die Betreuerinnen und Betreuer seien Babysitter, hier ist das anders. Andere Camperinnen und Camper erzählen, wie sie im Camp das erste Mal das Gefühl haben, dazuzugehören.

Sie flirten, haben erste Dates und können Tätigkeiten des Alltags selbstständig machen. Das erste Mal erlebt man auch so etwas wie Persönliche Assistenz. Das Camp bot auch viel Raum für Austausch. So sprach man zum Bespiel über die Abhängigkeit von Eltern oder über die Ungleichbehandlung, die man in der Gesellschaft erlebt.

Für einige, wie zum Beispiel die Behindertenrechtsaktivistin Judith Heumann, die später als Sonderberaterin des US-Außenministeriums für die Rechte von Menschen mit Behinderungen tätig wurde, waren die Erfahrungen im Camp empowernd.

Startschuss für den Kampf um Gleichberechtigung

Die Welt außerhalb des Camps war damals alles andere als inklusiv, wie ein Bericht über das Behindertenheim Willowbrook eindrucksvoll illustriert. Dort waren die Menschen verwahrlost und sich selbst überlassen. Auch außerhalb der Heime standen Menschen mit Behinderungen vor sehr vielen Hindernissen.

Es gab keine Barrierefreiheit, keine Antidiskriminierungsgesetze, Menschen mit Behinderungen fühlten sich übersehen und ungewollt: Für Judith Heumann und andere ehemalige Camperinnen und Camper ein Grund etwas zu unternehmen.

Nun dokumentiert der Film die Entstehung der ersten Rechte für Menschen mit Behinderungen. Es sind Straßenblockaden in New York zu sehen, die anlässlich der Ablehnung der Antidiskriminierungsgesetze durch Präsident Nixon von Menschen mit Behinderungen durchgeführt wurden.

Noch beeindruckender sind die Aufnahmen der sogenannten 504 Protestaktionen, bei denen Menschen mit Behinderungen Regierungsgebäude besetzten, um für Abschnitt 504 des Rehabilitation Acts von 1973 zu kämpfen. Abschnitt 504 besagt, dass niemand aufgrund seiner Behinderungen benachteiligt werden oder von Leistungen, die vom Staat finanziert werden, ausgeschlossen werden darf.

Man sieht, wie Aktivistinnen und Aktivisten Regierungsgebäude besetzen und mit Politikerinnen und Politikern oft tagelang verhandeln. Auch ein 23-tägiger Hungerstreik wird mit der Kamera dokumentiert.

Das sind nur einige der eindrucksvollen Einsichten, die der Film in die amerikanische Selbstbestimmt Leben Bewegung liefert. An dieser Stelle soll nicht mehr verraten werden, außer dass der Film absolut sehenswert ist für jene, die ein wichtiges Stück der Geschichte der Selbstbestimmt Leben Bewegung von Amerika kennenlernen wollen.

Der Film „Crimp Camp: A Disability Revolution“ wurde von Barack und Michelle Obama mitproduziert und lief im Jänner 2020 auf dem Sundance Film Festival.  Im März 2020 wurde er auf Netflix veröffentlicht; auch auf Youtube können Sie den Film in voller Länge sehen. 

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Ein Kommentar

  • https://en.wikipedia.org/wiki/504_Sit-in Informationen zu den Sitzblockaden – vor allem auch zu jener Besetzung eines Gebäudes in San Francisco, die im Film eine prominente Rolle einnimmt.
    Sehr guter Film, den ich schon vor Monaten gesehen hab: kann man nur empfehlen.