Folge 18: #metoo ooo

Der Hashtag (Schlagwort) #metoo (ich auch) hat sich in den letzten Wochen in rasanter Geschwindigkeit im Social Media Bereich verbreitet.

Symbolbild: Ronja Rollerbraut

Tausende Frauen berichten via Facebook & Co über sexistisches Verhalten, wie sexuelle Übergriffe, Missbrauchsfälle und Vergewaltigungen, die ihnen – leider oft mehrmals im Leben – (fast ausschließlich) von Männern angetan wurden.

Viele Personen/Männer des öffentlichen Lebens wurden der Diskriminierung von Frauen bis hin zu erheblichen Straftaten bezichtigt. Politiker, Schauspieler und Firmenbosse mussten aufgrund des öffentlichen Drucks und der oft mehrmaligen Bezichtigungen von unterschiedlichen Frauen die Konsequenzen erfahren und ziehen (z.B. Job- und Prestigeverlust).

In Interviews im Fernseh- und Printmedienbereich outen sich betroffene Frauen. In Diskussionsrunden wird das Thema – oftmals reißerisch – aufgegriffen. Die eingeladenen Gesprächsteilnehmer vertreten mitunter extreme und exzentrische Positionen. Die Qualität der geführten Gespräche wie auch die der Diskussionsverläufe im Rahmen von Postings lassen mitunter sehr zu wünschen übrig bzw. mutieren sehr leicht zur das Gesetz überschreitenden Hate-Speech.

#metoo ist ein Internetphänomen mit grundsätzlich gewaltiger Sprengkraft und hat das Potential, ein Thema wieder einmal an die Oberfläche zu spülen, das im Grunde genommen uralt, aber dennoch nach wie vor täglich präsent ist. Die Gefahr der Retraumatisierung ist groß, die Möglichkeit der Solidarität jedoch auch.

Diese Zeilen diktieren mir meine Vernunft und mein Verstand, vielleicht auch eine mir angediehenen Erziehung.

Meine Emotionen schauen anders aus. Ich fühle Wut, wenn sich alte Erinnerungen auf schmerzliche Weise wieder melden. Ich fühle die Wut, was mir als Mädchen, als Frau, als behinderter Mensch angetan wurde. Ich fühle die Wut, nicht ernstgenommen zu werden. Und ich fühle trotz grundsätzlich energischen Auftretens immer auch noch manchmal die Ohnmacht und Hilfslosigkeit angesichts angelernter Muster, bestehender Strukturen und Hierarchien, angesichts unüberwindlich scheinender Machtverhältnissen.

Was im Rahmen der #metoo Bewegung bzw. Diskussion bisher noch kaum thematisiert wurde, ist die sehr große Bandbreite verbaler, körperlicher und sexueller Diskriminierung, Übergriffe und Missbräuche, die behinderten Mädchen und Frauen (zum Teil auch Buben und Männern) angetan wurde und wird. Ich denke da z.B. an junge Frauen mit einer Lernbehinderung, Frauen mit einer psychischen Erkrankung oder generell an behinderten Menschen, die in sogenannten totalen Institutionen oft zwangsuntergebracht sind.

Ich rede hier von Menschen – in Strukturen und Organisationen gefangen –, die nicht einmal die Möglichkeit haben, sich im Falle eines Übergriffes jemandem anvertrauen, geschweige denn sich angemessen wehren/beschweren zu können. Warum?

Weil viele behinderte Menschen „nur“ nonverbal kommunizieren können. Weil sie wie auch chronisch kranke und alte Menschen massive Einschüchterungen und Sanktionen durch den/die Täter erleben bzw. befürchten müssen. Weil sie von der Heimleitung nicht ernstgenommen werden. Weil das dann oft vertuscht, verschwiegen oder intern geregelt wird.

Weil es in Wirklichkeit um viel mehr geht: Um Macht, Hierarchien und strukturelle Gewalt. Es geht um Ressourcen und unser Wirtschaftssystem. Es geht um die zunehmende Ent-Solidarisierung in unserer Gesellschaft. Es geht auch um unser Menschenbild und um grundlegende Werte wie Ehrfurcht vor einem vielfältigen Leben, gegenseitigen Respekt und Begegnung auf Augenhöhe. Es geht um uns alle und es geht um dich persönlich.

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Ein Kommentar

  • Vielen Dank für diese wichtigen Erläuterungen zu Gewalt an Menschen mit Behinderungen, die gesellschaftlich immer noch nicht nur ignoriert, sondern im Gegenteil sogar geförtdert und gutgeheißen wird.