Folge 3: Wie Ronja „rabiat“ wurde!

Rollend, rasant und rabiat durch Wien und den Rest der Welt

Symbolbild: Ronja Rollerbraut

Schon sehr früh habe ich mich, als kleines Mädchen mit blauen Augen und blonden „Engelslocken“ gegen meinen älteren, stärkeren und frechen Bruder behaupten bzw. durchsetzen müssen und wollen. Ich habe es partout abgelehnt, von meinem Umfeld in die Rolle der kleinen braven und ruhigen Schwester quasi als Gegenpol gedrängt zu werden. Die zumindest in meiner Schulzeit anfänglich vorherrschende Rollenzuteilung, was Mädchen dürfen/sollen und was Jungen dürfen/sollen, war mir von Anfang an suspekt (wir reden hier von den frühen 70ern!!). Für mich war klar, ich lasse mir nichts vorschreiben, ich möchte leben, wie ich mich eben fühle und sehe. Nach dem Motto: „Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse Mädchen kommen … überall hin.“ Ich ließ mir also nichts gefallen, kämpfte für meine Rechte und gegen Diskriminierung und dies hat mir während einer kurzen Phase meiner Jugendzeit die Bezeichnung „die Rabiate“ eingebracht (ein Mitschüler).

Sich durchsetzen und gegen Benachteiligung zu kämpfen, hat sich in meiner Vita durchaus gelohnt. Und erst recht kommt es mir jetzt als rollende und rasante Ronja zu Gute.

Ich will und muss manchmal „rabiat“ sein, wenn ich auch schon mal alleine mit den Öffis fahre. Gerade in der Hauptverkehrszeit. Die U-Bahnen gestopft voll. Sofort bereit zu sein, wenn nun endlich eine Niederflurgarnitur kommt, um rasch und selbstständig einsteigen zu können. Und dann eingekeilt zwischen meinen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ohne Behinderung, die mindestens „ein, zwei oder drei Etagen“ höher sind als ich. Eine Freundin von mir meinte einmal, sie möchte sich das nicht geben. Klar die Beengtheit ist ein äußerst unangenehmes Gefühl und noch dazu mit Ausblick auf den Allerwertesten (Mehrzahl?) der anderen Fahrgäste. Und sich durchzusetzen, wenn man dann aussteigen möchte, liegt wohl auch auf der Hand.

Ich will und muss manchmal „rabiat“ sein, wenn ich im umgebauten Westbahnhof mit den Aufzügen unterwegs bin. Leider gibt es bei dem Aufzug (U-Bahnebene bis Bahnsteigebene) keinen Aufkleber („Priority for …“). Und so wird der Aufzug ganz selbstverständlich auch von gehenden Menschen und Menschen mit vielen / großen Gepäcksstücken … verwendet. Damit habe ich auch kein Problem, aber wenn ich oder andere Rollstuhlfahrer_innen oder Mütter/Väter mit Kinderwägen an die zehn Minuten warten, bis sie endlich einen Platz finden, dann hört bei mir das Verständnis auf. Gegen rücksichtslose Mitmenschen helfen in der konkreten Situation keine missionarischen Erklärungsversuche.

Ich will und muss manchmal „rabiat“ sein, zum Beispiel in der folgenden wirklich stattgefundenen Situation. Wer kennt sie nicht, die Warteschlangen. Und wer kennt sie nicht, die Mitmenschen, die sich wahnsinnig wichtig nehmen und die wahnsinnig viel zu tun haben und die es natürlich auch wahnsinnig eilig haben. Und es sind gerade diese Menschen, die sich dann mit Ignoranz und Überheblichkeit, in den Schlangen vordrängen. Wenn ich als Rollstuhlfahrerin ohne Begleitung unterwegs bin, passiert es mir leider sehr oft, dass sich andere Mitmenschen wortlos vordrängen bzw. vordrängen wollen. Meistens lasse ich mir das natürlich nicht gefallen und behaupte meinen Platz in der Schlange. Ich habe mich angestellt, ich warte genauso. Ein scheinbar gut-situierter Mann in den dreißiger Jahren, der wie ich, beim Postschalter wartet, drängt sich ohne Erklärung vor. Zu meinem – diesmal höflich formulierten Protest – meinte er: „Was macht das schon bei Ihnen, Sie sitzen ja wenigstens.“

Sprachlos? Runterschlucken? Gelassen hinnehmen? Oder doch ein bisschen „rabiat“ sein? Bis bald, Eure Ronja.

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