Expertendebatte über Eizellenspende und Präimplantationsdiagnostik
Eine sehr ausführliche Debatte über die geplanten Änderungen im Bereich der Fortpflanzungsmedizin fand heute im Gesundheitsausschuss des Nationalrats statt. Fast fünf Stunden diskutierten die Abgeordneten, zunächst in Form eines Expertenhearings, über den von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf.
Dieser sieht unter anderem vor, dass auch lesbische Paare ab dem Jahr 2015 den Zugang zu Samenspenden erhalten. Weiters werden Eizellenspenden und Samenspenden Dritter bei der In-vitro-Fertilisation (IVF) sowie – unter Einhaltung strenger Bedingungen – die Durchführung der Präimplantationsdiagnostik (PID) zur Feststellung von Erbkrankheiten erlaubt, was von den einzelnen Experten sehr unterschiedlich beurteilt wurde. Die gemeinsam vom Gesundheits- und vom Justizressort ausgearbeitete Vorlage mit dem Titel „Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz 2015“ wurde schließlich mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und NEOS angenommen.
Großes Lob für das Gesetz kam auch von den Grünen. Abgeordnete Daniela Musiol hofft allerdings, dass bis zur Beschlussfassung im Plenum noch einzelne Punkte geändert werden. Im Ausschuss fanden zahlreiche Abänderungs- und Entschließungsanträge der Grünen, etwa was das Recht von alleinstehenden Frauen auf Samenspenden betrifft, allerdings keine Mehrheit. Allgemein bedauert wurde von der Opposition, dass das Parlament sich nicht mehr Zeit genommen hat, um sich mit dem Thema Fortpflanzungsmedizin zu beschäftigen. Ein Vertagungsantrag der FPÖ fand allerdings nur die Unterstützung des Team Stronach.
Mit S-V-N-Mehrheit angenommen wurden auch Änderungen der gesetzlichen Grundlagen für MasseurInnen und weitere Gesundheitsberufe, die als weiterer Punkt auf der Tagesordnung standen. Dabei ging es vor allem um die Einführung einer Erweiterung der Berufsausübungsmöglichkeiten für medizinische MasseurInnen und HeilmasseurInnen durch die Einführung der Spezialqualifikation „Basismobilisation“, um Vereinfachung von Berufsausübungsmöglichkeiten und den Einsatz von OrdinationsassistentInnen in nicht bettenführenden Stationen.
Modernes Fortpflanzungsgesetz bringt mehr Rechtssicherheit und beseitigt Diskriminierung lesbischer Paare
Vor der Anhörung der Experten nahmen sowohl Justizminister Wolfgang Brandstetter als auch Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser zum Regierungsentwurf (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 1222/2014) Stellung. Vor dem Hintergrund von höchstgerichtlichen Entscheidungen auf nationaler und europäischer Ebene sei man gefordert gewesen, einen vernünftigen Interessensausgleich zu finden, erläuterte Brandstetter. Er denke, dass eine gute Lösung gefunden wurde, die vor allem mehr Rechtsicherheit für die Betroffenen bringe und auch die Bedenken der Kritiker berücksichtige. So sei unter anderem gewährleistet, dass es weiterhin ein grundsätzliches Verbot für die Präimplantationsdiagnostik gibt und Ausnahmen nur unter genau geregelten Kriterien möglich sind. Darüber hinaus wurde aufgrund der Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren das Kindeswohl noch stärker in den Vordergrund gestellt und die Dokumentations- und Aufklärungspflichten erweitert. Eine Verschärfung wurde auch bei den Strafbestimmungen vorgenommen: bei Nichteinhalten der gesetzlichen Vorschriften soll die Strafe von bisher maximal 36.000 auf bis zu 50.000 erhöht werden.
Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser zeigte sich erfreut darüber, dass es aufgrund der sehr guten Kooperation mit dem Justizressort gelungen sei, ein fortschrittliches und ausgefeiltes Gesetz vorlegen zu können. Sie wiederholte die Eckpunkte des Entwurfs und wies vor allem darauf hin, dass durch die neuen Bestimmungen „Schwangerschaften auf Probe“ verhindert werden können. Mit der jetzt geschaffenen Möglichkeit der Eizellenspende und der Zulassung der Präimplantationsdiagnostik unter strengen Voraussetzungen schließe Österreich aber nicht nur an internationale Standards an, es werde damit auch verhindert, dass Frauen ins Ausland fahren müssen, um medizinisch unterstützte Fortpflanzung nach dem aktuellsten Stand der Wissenschaft zu erhalten. Durch ein dezidiertes Vermittlungs- und Kommerzialisierungsverbot soll außerdem das Geschäft mit den Eizellen verhindert werden. Wichtig war ihr auch zu erwähnen, dass die Leihmutterschaft in Österreich weiterhin verboten bleibt.
Vorbehalte einiger ExpertInnen gegenüber Präimplantationsdiagnostik und Eizellenspende
Die Juristin Stephanie Merckens (Institut für Ehe und Familie) räumte ein, dass aus rechtlichen Gründen ein Handlungsbedarf bestand; die Vorlage fand jedoch aus mehreren Gründen nicht ihre Zustimmung. Ihrer Meinung nach gelingt es mit den vorliegenden Bestimmungen nicht, überzählige Embryonen zu vermeiden, da nicht geregelt wurde, wie viele Eizellen befruchtet werden dürfen. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, dass einerseits die Präimplantationsdiagnostik beschränkt werde, andererseits Spätabtreibungen aber nicht.
Kritisch beurteilte Merckens außerdem, dass in Bezug auf die PID nur die Zulassungsvoraussetzungen definiert wurden, es in Bezug auf die Untersuchungsmethoden aber keinerlei Einschränkungen gebe. Man sehe bei bestimmten Tests viel mehr als grundsätzlich untersucht werden dürfe, gab sie zu bedenken und meinte, sie könne sich nicht vorstellen, dass ein Arzt einen Embryo einpflanze, wenn er irgendeine Krankheit sehe. Nicht in Ordnung fand es die Expertin darüber hinaus, dass die Polkörperdiagnostik, mit der man über 100 Krankheiten feststellen könnte, herausgenommen wurde. Was die Eizellenspende betrifft, habe es keinen rechtlichen Handlungsbedarf gegeben, diese in Österreich zu erlauben, betonte Merckens. Man hätte sich mit dieser Frage gemäß dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof nur ausführlich auseinandersetzen müssen.
Susanne Kummer (Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik) stellte die grundsätzliche Frage, welche Frau zwischen 18 und 30 Jahren gratis ihre Eizellen zur Verfügung stellen wird, zumal medizinische Risiken damit verbunden seien. Sie kenne sogar einen Fall, wo eine junge Frau nach einer Eizellenspende verstorben ist. Kummer vermutet daher, dass auch in Österreich – ebenso wie in anderen Ländern – zumindest eine Aufwandsentschädigung dafür bezahlt werden wird. Generell werde über die Risiken und Nachteile der diversen Methoden viel zu wenig informiert, meinte sie. Es sei z.B. kaum bekannt, dass von 100 Frauen, die sich einer In-vitro-Fertilisation unterziehen, 80 ohne Kind nach Hause gehen. Aus dem Traum werde damit allzu oft ein Trauma. Natürlich gehe es auch um ökonomische Aspekte, gab Kummer zu bedenken; ihrer Meinung nach werden die Frauen dem Markt ausgeliefert. Völlig ausgeblendet hat man ihrer Ansicht nach auch das Wohl der Kinder, die darunter leiden könnten, durch IVF erzeugt worden zu sein.
Marianne Karner vom Zentrum für Selbstbestimmtes Leben (BIZEPS) lehnte den Entwurf in weiten Teilen ab, vor allem was die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik betrifft. Wenn einmal ein Stein ins Rollen gebracht werde, dann sei er so leicht nicht mehr zu stoppen, warnte sie. Ausnahmebestimmungen können irgendwann einmal aufgeweicht und die Liste der Krankheiten erweitert werden. Für sie stehe das Recht des werdenden Lebens im Vordergrund, unterstrich Karner, Eltern haben kein Recht auf ein gesundes Kind. Gerade aufgrund der historischen Erfahrungen in Österreich sollte man alle Bestrebungen, vorgeburtliches Leben anhand eines Rasters zu durchforsten und eventuell zu eliminieren, unterbinden. Auch ein kurzes menschliches Leben könne lebenswert sein, stellte Karner mit Nachdruck fest. Dieses Gesetz sei das falsche Signal an die Gesellschaft.
Einer kritischen Beurteilung unterzog auch Universitätsprofessor Matthias Beck (Institut für Moraltheologie der Universität Wien) den Vorschlag der Regierungsparteien. Im Gegensatz zu Deutschland, wo zwei Jahre lang ausführlich über die Weiterentwicklung der Fortpflanzungsmedizin diskutiert wurde, werde der Vorschlag in Österreich durchgepeitscht, bemängelte er. Ebenso wie Merckens wies er darauf hin, dass man auch mit der Polkörperdiagnostik bereits über 100 Krankheiten feststellen könne. Eine bessere Abstimmung sollte es mit den Pathologen geben, da diese derzeit nicht erfahren, ob ein Kind mittels IVF gezeugt wurde oder nicht. Er befürchtete zudem, dass die seelischen Folgen für die Kinder, die auf medizinisch unterstützte Weise auf die Welt gekommen sind, nicht absehbar sind. Begrüßenswert sei daher der Vorschlag, Langzeitstudien zu all diesen Aspekten durchzuführen. Außerdem stellte er die Unabhängigkeit des Experten Hengstschläger in Frage, der an IVF-Zentren beteiligt sei, genetische Beratungen durchführe, in der Bioethikkommission sitze und am vorliegenden Gesetz mitgeschrieben habe.
Für Hengstschläger, Maier und Kletecka-Pulker ist Gesetz längst überfällig und gelungen
Universitätsprofessor Markus Hengstschläger (Institut für Medizinische Genetik) machte einleitend darauf aufmerksam, dass die Bioethikkommission in der Frage der Fortpflanzungsmedizin eine ziemlich einheitliche Meinung vertrete und seit Jahren darauf dränge, die heimische Gesetzeslage den aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Österreich sei bei dieser Debatte Schlusslicht in Europa, betonte der Biologe, und auch der vorliegende Entwurf enthalte sehr strenge Regelungen. So sind weiterhin Verfahren verboten, die in anderen Ländern seit langem eingesetzt werden: Leihmutterschaft, Forschung an Embryonen, genetische Einflussnahme auf Embryonen, Handel mit Eizellen oder social egg freezing. Dies habe in der Vergangenheit unter anderem dazu geführt, dass viele Personen, die es sich leisten können, ins Ausland ausgewichen sind.
Die nun zur Diskussion stehenden Verfahren – IVF und PID – würden seit Jahrzehnten angewandt und seien seit langem gut erforscht, betonte Hengstschläger. Die Präimplantationsdiagnostik werde noch vor der Zellteilung durchgeführt, weshalb es sich nach Ansicht aller Experten und auch Weltreligionen – mit Ausnahme der katholischen – um kein individuell schützenwertes Leben handelt. Die immer wieder angeführte Polkörpermethode sei eine reine Diagnostik an der Eizelle und finde noch vor Abschluss der Befruchtung statt; sie könne daher nicht mit der PID verglichen werden.
Was die Untersuchung von Eizellen angeht, so könne man keine genaue Zahl angeben, da dies abhängig von der jeweiligen Erbkrankheit ist. Generell informierte Hengstschläger darüber, dass nur 1 % aller Behinderungen genetisch bedingt seien und befruchtete Eizellen nur auf wenige dieser Erbkrankheiten untersucht werden dürften; von Rasterfahndung könne daher überhaupt keine Rede sein. Die Festsetzung von drei Fehlgeburten als Voraussetzung für eine PID habe man deshalb gewählt, weil laut aktuellem Stand der Wissenschaft erst dann ein Verdacht auf Abort aufgrund von genetischen Gründen vorliege. Zustimmend äußerte sich Hengstschläger zum Vorschlag, auch den privaten Sektor im Bereich der künstlichen Befruchtungen ins Register aufzunehmen. Die Datenschutz- und Beratungspflichten seien hingegen sehr streng geregelt, urteilte er.
Mit Nachdruck verwehrte sich Hengstschläger noch gegen die persönliche Kritik an ihm. Er sei kein Arzt, er führe keine künstlichen Befruchtungen durch und er sei auch an keinen Reproduktionseinrichtungen beteiligt. Außerdem habe er für seine Arbeit in der Bioethikkommission regelmäßig Informationen bezüglich Unvereinbarkeiten vorzulegen.
Sie befasse sich nun schon seit über 20 Jahren mit der Reproduktionsmedizin, konstatierte Universitätsprofessorin Barbara Maier (Vorständin Gynäkologie u. Geburtshilfe Hanusch Krankenhaus), und kenne dadurch sehr viele Einzelschicksale von Frauen. Durch die Betreuung von Patientinnen, die einen Spätabbruch durchführen, wisse sie, welch traumatische Erfahrungen damit verbunden sind. Durch die neuen Möglichkeiten der Präimplantationsdiagnostik, die zu einem ganz frühen Zeitpunkt wichtige Erkenntnisse liefere, könne man daher sehr viel Leid vermeiden, war sie überzeugt. Sie regte zudem an, die Voraussetzung für die PID, dass zumindest drei Aborte nachgewiesen werden müssen, zu lockern bzw. eine Altersindikation in diesem Bereich einzuführen. Ein ganz wichtiges Anliegen war ihr das Qualitätsmanagement sowie die Orientierung am Kindeswohl. Maier trat daher mit Nachdruck für die Durchführung von Langzeitstudien ein, wo u.a. untersucht werde, wie die Schwangerschaften verlaufen, wie es den Kindern danach geht etc.
Maria Kletecka-Pulker (Institut für Ethik und Recht in der Medizin) erinnerte daran, dass die heute behandelten Fragen schon lehr lange in den verschiedensten Gremien, u.a. der Bioethikkommission, diskutiert wurden. Sie sei jedenfalls sehr froh darüber, dass nun ein im Großen und Ganzen gelungener Vorschlag auf dem Tisch liegt, der sich an den realen Lebensumständen der Menschen und dem medizinischen Fortschritt orientiere. Viele Kritikpunkte konnte sie nicht nachvollziehen, da ihrer Auffassung nach das Gesetz sehr klare Vorgaben gibt und es letztendlich dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen obliegen müsse, welche Möglichkeiten sie für sich in Anspruch nehmen wollen. Kletecka-Pulker bezweifelte auch, dass die Kinder damit ein Problem haben, durch IVF gezeugt worden zu sein, wenn sie entsprechend informiert und aufgeklärt werden. Ihrer Meinung nach sollte man sich noch überlegen, wie man die Bedürfnisse alleinstehender Frauen sowie die Möglichkeit der pränatalen Adoption besser berücksichtigen könne.
FPÖ hätte sich ausführlichere Diskussion gewünscht
Im Rahmen der Diskussion kritisierte zahlreiche Abgeordnete die kurze parlamentarische Beratungsfrist für den von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf. Gerade so ein sensibles Thema müsste ausführlich beraten werden, hielt etwa Abgeordneter Andreas Karlsböck (F) fest. Man habe vor 70 Jahren erlebt, welche fatalen Auswirkungen die Unterscheidung in lebenswertes und nicht lebenswertes Leben haben könne. Stattdessen werde der Regierungsentwurf unter Zeitdruck einfach durchgepeitscht. Ein von der FPÖ eingebrachter Vertagungsantrag fand allerdings lediglich die Unterstützung des Team Stronach.
Karlsböcks Fraktionskollegin Dagmar Belakowitsch-Jenewein monierte, dass das Gesetz in etlichen Punkten unklar formuliert sei. Zudem hat ihr zufolge das Hearing gezeigt, dass es völlig unterschiedliche Standpunkte gebe, die für sie alle ihre Berechtigung haben. Konkret als Problem wertete Belakowitsch-Jenewein etwa, dass Frauen dem Gesetz zufolge theoretisch zwischen dem 18. und dem 30. Lebensjahr jedes Jahr eine Eizelle spenden können. Zudem gehen ihr die Ausnahmen vom Verbot der Präimplantationsdiagnostik zu weit.
Grüne bringen zahlreiche Abänderungs- und Entschließungsanträge ein
Grundsätzlich großes Lob für das Gesetz kam hingegen von Grün-Abgeordneter Daniela Musiol. Sie werde dem Entwurf in Dritter Lesung auf jeden Fall zustimmen, sagte sie. Musiol hofft allerdings, dass einige Anliegen der Grünen noch aufgegriffen werden und brachte gemeinsam mit ihrer Fraktionskollegin Eva Mückstein zur Bekräftigung der Forderungen eine Reihe von Abänderungs- und Entschließungsanträgen ein.
Den Grünen geht es unter anderem darum, auch alleinstehenden Frauen Zugang zu einer Samenspende zu gewähren, begleitend zu erforschen, welche körperlichen und psychosozialen Auswirkungen die medizinisch unterstützte Fortpflanzung auf die betroffenen Kinder und ihre Familien hat, und ein österreichweit zentrales Register für Spenderdaten einzurichten, um die Durchsetzung des Rechts von Kindern zu erleichtern, Auskunft über ihren leiblichen Vater bzw. ihre leibliche Mutter zu erhalten. Außerdem drängen sie darauf, dass die Eltern im Falle einer Eizellenspende oder einer Samenspende durch eine dritte Person einen Rechtsanspruch auf psychologische Beratung und psychotherapeutische Betreuung erhalten und die Kosten dafür von der öffentlichen Hand getragen werden. Erhoben werden sollen auch umfassende Daten in Zusammenhang mit In-vitro-Fertilisationen, etwa was körperliche und psychische Komplikationen der Mutter, Frühgeburten, Mehrlingsgeburten und Fehlbildungen der Kinder betrifft.
Musiol plädierte überdies dafür, für den Rechtsanspruch der Kinder, den Namen des leiblichen Elternteils zu erfahren, kein Alterslimit festzulegen. Außerdem sollte man sich ihr zufolge bis zu den Plenarberatungen noch überlegen, ob es in Anbetracht der Ausführungen der ExpertInnen nicht sinnvoll wäre, die Zahl der Eizellespenden nach oben hin zu begrenzen, da eine Eizellenspenderin jedes Mal einer Hormonstimulation und damit hohen Belastungen ausgesetzt sei.
Ausschussfeststellung zu innerfamiliären Eizellenspenden
Zumindest vorerst konnten sich die Grünen mit ihren Anträgen nicht durchsetzen, lediglich NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak stimmte zu. Allerdings wurde eine von den Grünen initiierte Ausschussfeststellung mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS angenommen. Demnach geht der Gesundheitsausschuss davon aus, dass die von einer Eizellenspende betroffenen Eltern und Familienmitglieder auch über mögliche Auswirkungen der Eizellspende innerhalb der Familien aufgeklärt werden. Abgeordnete Mückstein befürchtet, dass es bei innerfamiliären Eizellenspenden zu unabsehbaren komplexen innerfamiliären Beziehungsverstrickungen und zu Identitätsdiffussionen kommt, etwa wenn sich das Kind beim ersten echten Konflikt mit den sozialen Eltern seinem biologischen Elternteil zuwendet.
Generell hob Mückstein die Notwendigkeit hervor, besonderes Augenmerk auf das Kindeswohl zu richten. Aus ihrer Arbeit als Psychotherapeutin wisse sie, dass das Wissen über die eigene Herkunft Auswirkungen auf die Identitätsfindung und das Beziehungsgeschehen in der Familie habe, merkte sie an. Eine altersgerechte Aufklärung und Information sollte daher so früh wie möglich stattfinden.
Kritik vom Team Stronach, Lob von den NEOS
Team-Stronach-Abgeordneter Marcus Franz zeigte kein Verständnis für die rasche Beschlussfassung des Gesetzes. Rechtssicherheit sei wichtig, diese müsse sich aber auf einem ethischen Grundgerüst bewegen, meinte er. Schließlich würde der Grundkern der Lebensfrage berührt. Nach Meinung von Franz stellt man sich viel zu wenig die Frage, wohin das Ganze führe. Wenn sich das Parlament mit der Würde am Ende des Lebens auseinandersetze, müsse es sich auch mit der Würde am Anfang des Lebens beschäftigen. Es gehe nicht an, dass tausende Embryone „einfach verworfen werden“.
Lob für den Gesetzentwurf gab es hingegen von NEOS-Abgeordnetem Nikolaus Scherak. Die Liberalisierungsschritte im Bereich der Fortpflanzungsmedizin seien richtig, konstatierte er. Allerdings bedauerte auch Scherak, dass sich das Parlament in den vergangenen Jahren nicht ausführlicher mit der Frage der Fortpflanzungsmedizin befasst hat.
Einen intensiveren politischen und öffentlichen Diskurs hätte sich auch Grün-Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber gewünscht. Es sei positiv, dass in manchen Bereichen Rechtssicherheit geschaffen werde, man dürfe die Sache aber nicht allein aus dem Blickwinkel der technischen Möglichkeiten betrachten, warnte er. Es gelte zu verhindern, dass eine Entwicklung eintrete, wo kommerzielle Interessen der Fortpflanzungsindustrie überwiegen und es nicht mehr vorrangig um die Interessen der Betroffenen gehe.
Koalition will Anträge der Grünen prüfen
Auch ÖVP-Behindertensprecher Franz-Joseph Huainigg hätte sich mehr Zeit für die Diskussion über die Änderungen im Fortpflanzungsrecht gewünscht. Vielleicht wäre dieses Thema im Rahmen einer Enquete-Kommission besser aufgehoben gewesen, meinte er. Was das Thema Spätabtreibungen betrifft, so wertete es Huainigg als unerträglich, dass es in Österreich möglich sei, Föten im Mutterleib durch einen Herzstich zu töten.
ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger sagte den Grünen zu, ihre Anträge zu prüfen. Insgesamt wurde seiner Ansicht nach „ein vernünftiger, eher strenger“ Kompromiss gefunden. Ausdrücklich betonten Rasinger und SPÖ-Abgeordneter Erwin Spindelberger, dass die Präimplantationsdiagnostik weiter verboten bleibe, nur bestimmte Fälle würden vom Verbot ausgenommen. „Wir öffnen nicht die Büchse der Pandora“, bekräftigte Spindelberger. Es gebe genug Riegel im Gesetz gegen zu weitgehende Untersuchungen. Auch generell zeigte sich Spindelberger mit dem Kompromiss zufrieden, er hätte es allerdings begrüßt, wenn auch alleinstehende Frauen Samenspenden erhalten dürften.
Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) meinte, die Entscheidung darüber, ein Kind zu bekommen oder nicht, obliege allein den Frauen. Es sei erwiesen, dass viele Familien, in denen es behinderte Kinder gibt, scheitern und oft die Frauen alleine übrig bleiben. Dies sollte man bei der Diskussion auch nicht außer Acht lassen.
Brandstetter: Es gibt keine Alternative zum vorliegenden Gesetz
Justizminister Wolfgang Brandstetter ließ sich von den Einwänden der ExpertInnen nicht überzeugen und blieb bei seiner Meinung, dass mit dem Gesetz ein „vernünftiger Interessensausgleich“ gelungen sei. Über einzelne Formulierungen könne man noch diskutieren, meinte er, grundsätzlich sieht er aber keine Alternative zum vorliegenden Entwurf. Es wäre niemandem geholfen, würde das Parlament das Gesetz nicht beschließen, vielmehr käme es dann zu noch mehr Rechtsunsicherheit.
Die KritikerInnen der Eizellenspende übersehen, dass das Fortpflanzungsmedizingesetz nicht für sich alleine stehe, sondern in das gesamte System der Rechtsordnung eingebunden sei, sagte Brandstetter. Jede Beeinträchtigung der körperlichen Integrität, die keine Heilbehandlung sei, sei laut Strafgesetzbuch grundsätzlich verboten, für Ausnahmen brauche es die ausdrückliche Einwilligung des Verletzten. Das sei bei Nierenspenden nicht anders als bei Eizellenspenden. Schon in der Vergangenheit habe die Sittenwidrigkeitsklausel erfolgreich verhindert, dass jemand in Österreich auch nur den Versuch unternommen hätte, ein Organ zu verkaufen, die selbe Bestimmung schiebe auch der Kommerzialisierung der Eizellenspende einen Riegel vor. Zumal es, was die Frage der Einwilligung betrifft, eine klare Judikatur gebe. Eine Eizellenspende werde eine Eizellenspende bleiben, ist Brandstetter überzeugt. Auch für die Zahl der Eizellenspenden ist die Bestimmung im Strafgesetzbuch ihm zufolge anwendbar.
Brandstetter stellte außerdem die Frage in den Raum, aus welchem Grund der Staat es einer Frau verbieten solle, ihrer unfruchtbaren Schwester eine Eizelle zu spenden. Es sei damit kein Maß an Sozialschädlichkeit verbunden, das es gebieten würde, eine solche Spende zu verbieten, hielt er fest. Dass das Auseinanderfallen von genetischer und sozialer Elternschaft zu Problemen führen könnte, wisse man, sagte Brandstetter, das gelte aber im gleichen Ausmaß für Scheidungskinder, deren Eltern eine neue Partnerschaft eingehen. Die Probleme seien bewältigbar.
In Richtung von Merckens hielt Brandstetter fest, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gebiete seiner Meinung nach sehr wohl die Zulassung von Eizellenspenden. Es habe keinen Sinn, nun eine Minimalkorrektur des Gesetzes vorzunehmen und beim nächsten EGRM-Urteil wieder „nachzujappeln“. Das alleinstehende Frauen auch in Zukunft keinen Zugang zu Samenspenden haben, begründete der Justizminister mit dem Kindeswohl und wies darauf hin, dass dabei auch das Familienrecht hineinspiele. Eine stabile Partnerschaft sei im Interesse des Kindes, betonte er.
Oberhauser will an eugenischer Indikation nicht rütteln
Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser begründete den Umstand, dass Samenspenden für alleinstehende Frauen verboten bleiben, damit, dass es sich beim Gesetz um einen Kompromiss handelt. An der so genannten eugenischen Indikation, die ein Abtreiben von Kindern mit schwerster Behinderung auch nach dem dritten Schwangerschaftsmonat erlaubt, will Oberhauser in keinem Fall rütteln. Es gebe ganz wenige Fälle, in denen die eugenische Indikation zum Tragen komme, kein Arzt, keine Mutter, kein Vater nehme diese belastende Prozedur leichtfertig auf sich.
Neue Spezialqualifikation „Basismobilisation“ für HeilmasseurInnen
Ebenfalls mit den Stimmen der SPÖ, der ÖVP und der NEOS billigte der Gesundheitsausschuss einen Gesetzentwurf, mit dem das medizinische Masseur- und Heilmasseurgesetz, das MTD-Gesetz und das Medizinische Assistenzberufe-Gesetz geändert werden (444 d.B.). Die Gesetzesnovelle ermöglicht es medizinischen MasseurInnen und HeilmasseurInnen künftig, durch eine 80-stündige Zusatzausbildung die Spezialqualifikation „Basismobilisation“ zu erwerben. Damit erhalten sie die Berechtigung, PatientInnen bei der Verbesserung ihrer Mobilität zu unterstützen und sie im sicheren Umgang mit Gehhilfen zu schulen. Außerdem sind Erleichterungen für gewerbliche MasseurInnen vorgesehen: Sie müssen im Rahmen der verkürzten Ausbildung zum medizinischen Masseur bzw. zur medizinischen Masseurin nur noch 580 statt 875 Praxisstunden absolvieren.
Mit dem Gesetzespaket werden überdies die gesetzlichen Vorgaben für die Ausübung des gehobenen medizinischen-technischen Dienstes (MTD) entrümpelt. Die Berufsausübung kann künftig ohne Einschränkung gemäß dem jeweiligen Berufsbild der sieben MTD-Sparten sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch freiberuflich erfolgen. OrdinationsassistentInnen wird gestattet, ihren Beruf auch in nicht bettenführenden Stationen von Krankenhäusern auszuüben.
Seitens der Grünen behielt sich Abgeordnete Judith Schwentner die Zustimmung im Plenum vor. Das Gesetz gehe in die richtige Richtung, einiges sei ihr aber noch zu diffus, meinte sie. So kann sie etwa keine klare Abgrenzung zwischen der Tätigkeit von PhysiotherapeutInnen und MaseurInnen in der Frage der Patientenmobilisation erkennen. Dem hielt Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser entgegen, es handle sich um ganz unterschiedliche Tätigkeitsprofile. Für sie ist klar geregelt, was wer tun dürfe.