Forum Gleichstellung nimmt zum Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz Stellung

Am 25. Jänner 2006 brachte das Forum Gleichstellung seine Stellungnahme zum Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz ein. Hier ein Überblick über diese Expertise.

Parlament
BIZEPS

Am 22. Dezember 2005 versandte das Sozialministerium einen Entwurf für ein Begleitgesetz zum Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz Begutachtung, mit dem – so die Erläuterungen – sprachliche Diskriminierungen und benachteiligende Berufszugangsvoraussetzungen beseitigt werden sollen.

Ferner sieht der Gesetzesentwurf Lockerungen der Notariatsaktspflicht für Urkunden über Rechtsgeschäfte bestimmter Gruppen sinnesbehinderter Menschen sowie die Beseitigung sprachlicher Diskriminierungen im Notariatsaktsgesetz vor.

In der nun vorliegenden Stellungnahme des „Forum Gleichstellung“ wurde eingangs betont, dass es der österreichischen Behindertenbewegung, ausgehend von dem vom Bundeskanzleramt / Verfassungsdienst im März 1999 heraus gegebenen und 120 Seiten umfassenden Endbericht der „Arbeitsgruppe zur Durchforstung der österreichischen Bundesrechtsordnung hinsichtlich behindertenbenachteiligender Bestimmungen“, ein dringendes Anliegen war und ist, dass bekannte diskriminierende Bestimmungen in Bundesgesetzen beseitigt werden.

Vor diesem Hintergrund hält das „Forum Gleichstellung“ fest: „Wir sehen das nun vorliegende Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz als weiteren wichtigen und begrüßenswerten Schritt zur Schaffung einer diskriminierungsfreien Bundesrechtsordnung. Um den Weg konsequent fortzusetzen, ist allerdings noch eine Reihe von weiteren Bündelgesetzen in dieser Art notwendig. Der Gesetzgeber hat dies auch schon erkannt und z. B. ein Bündelgesetz zur faktischen Verbesserung der Rahmenbedingungen der Österreichischen Gebärdensprache im Bundesrecht angekündigt. Weitere Bereiche, die einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen, sind der Bildungs- und der Verkehrsbereich.“

Das „Forum Gleichstellung“ verwies in diesem Zusammenhang auch auf seinen neunseitigen Vorschlag für ein Bündelgesetz vom 18. November 2003, der dem Sozialministerium übermittelt und von diesem im Jänner 2004 mit dem Vorbegutachtungsentwurf des Behindertengleichstellungspaketes in Vorbegutachtung geschickt wurde, aber bislang nicht umgesetzt ist.

Die inhaltliche Stellungnahme des „Forum Gleichstellung“ lässt sich in Kürze so zusammenfassen:

Zur Bereinigung der behindertendiskriminierenden Berufszugangsvoraussetzung „körperliche und geistige Eignung“

Der Entwurf sieht ja vor, dass in einer Vielzahl von Berufsgesetzen die behindertendiskriminierend wirkende Berufszugangsvoraussetzung der „körperlichen und geistigen Eignung“ durch eine nicht behindertendiskriminierend wirkende Formulierung, wie z. B. „gesundheitliche Eignung“ oder lediglich „Eignung“ ersetzt werden soll.

Dazu merkte das Forum Gleichstellung nachdrücklich an, dass diese Maßnahme sich nicht in einer bloßen Umformulierung von Gesetzesbegriffen erschöpfen darf, sondern damit auch eine Neuorientierung im Hinblick auf die Interpretation und Vollziehung dieser Bestimmungen einhergehen muss.

„Gerade die aus der jüngeren Vergangenheit bekannten Fälle, dass etwa einer blinden Juristin wegen der Blindheit die körperliche Eignung zur Ausübung des Richteramtes, oder einer gehörlosen Frau wegen ihrer Gehörlosigkeit die körperliche Eignung zum Lehramtsstudium an der pädagogischen Akademie abgesprochen werden sollte, müssen durch die von der Gesetzgebung beabsichtigte Initiative künftig der Vergangenheit angehören“, so das Forum Gleichstellung.

Das Forum Gleichstellung regte zu diesem Zweck an, den Umstand, dass durch diese Neutextierung der Eignungsvoraussetzungen auch die aus der Vergangenheit bekannten diskriminierenden Berufszugangsschranken für verschiedene Gruppen behinderter Menschen, insb. sinnesbehinderte Menschen, beseitigt werden sollen, ausdrücklich und deutlicher als bislang in die Erläuterungen zum Gesetzesentwurf aufzunehmen. Ferner wäre auf diese Intention des Gesetzgebers nach den Vorstellungen des Forum Gleichstellung auch in einem allfälligen Durchführungserlass zum Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz ausdrücklich hinzuweisen und erforderlichenfalls auch eine klare Dienstanweisung zur diskriminierungsfreien Interpretation und Vollziehung dieser Bestimmungen herauszugeben.

Ergänzend wurde in diesem Zusammenhang vom Forum Gleichstellung angeregt, eine entsprechende inhaltliche Änderung des Begriffes „körperliche und geistige Eignung“ auch in § 2 Abs. 2 Z 1 lit. D des Sachverständigen- und Dolmetschergesetzes, BGBl. Nr. 137/1975, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 115/2003, der diese behindertendiskriminierende Eignungsvoraussetzung ebenfalls noch enthält, vorzunehmen, da für spezifische Fragen zur Behindertengleichstellung – z. B. Barrierefreiheit – wohl auch Menschen mit Behinderungen als allgemein beeidete oder gerichtlich zertifizierte Sachverständige in die Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste einzutragen sein werden. „Gerade die Eintragung von Menschen mit Behinderungen als Expertinnen und Experten in eigener Sache in die Sachverständigen- und Dolmetscherliste darf wohl nicht an der diskriminierenden Zugangsvoraussetzung „körperliche und geistige Eignung“ scheitern“, so das Forum Gleichstellung.

Zur Beseitigung von behindertendiskriminierenden Bestimmungen im Führerscheinrecht

Bei der Durchsicht des Bundesrechts nach behindertendiskriminierenden Eignungskriterien, wie jener der „körperlichen und geistigen Eignung“, stieß das Forum Gleichstellung auch auf die Regelung der „gesundheitlichen Eignung“ in der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) und damit auf eine Reihe von behindertendiskriminierenden Bestimmungen im Führerscheinrecht, deren Bereinigung aus gegebenem Anlass angeregt wurde.

Einerseits gilt nach § 3 Abs. 1 Z 3 FSG-GV als zum Lenken eines Kraftfahrzeuges gesundheitlich geeignet, wer … ausreichend frei von Behinderungen ist. Dazu fordert das Forum Gleichstellung in seiner Stellungnahme: „Die Formulierung in Ziffer 3 „ausreichend frei von Behinderungen“ sollte ersatzlos gestrichen werden, da die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit in Ziffer 4 ohnehin gefordert ist. Eine Behinderung (richtiger wäre hier „Beeinträchtigung“) kann nicht als Kriterium herangezogen werden, wenn die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit – z. B. durch Hilfsmittel – erhalten bleibt.“

Andererseits erwachsen Menschen mit Behinderungen beim Erwerb einer Lenkberechtigung durch gesondert gebührenpflichtige ärztliche Zusatzuntersuchungen, Stellungnahmen oder Beobachtungsfahrten, gegenüber nichtbehinderten Menschen zusätzliche Kosten, was eine Benachteiligung auf Grund einer Behinderung darstellt. Seitens des Forum Gleichstellung wurde daher angeregt, besondere Begutachtungen bzw. Stellungnahmen und Beobachtungsfahrten im Verfahren zum Erwerb einer Lenkberechtigung, die lediglich wegen des Vorhandenseins einer Behinderung erforderlich sind, im Sinne eines chancengleichen und gleichberechtigten Zuganges zu einer Lenkberechtigung gebührenfrei zu stellen.

Lockerung der Notariatsaktspflicht für Urkunden über Rechtsgeschäfte sinnesbehinderter Menschen

Die beabsichtigte Lockerung der Notariatsaktspflicht für Urkunden über Rechtsgeschäfte bestimmter sinnesbehinderter Personen und die Ausdehnung der davon umfassten banküb-lichen Geschäfte im Hinblick auf Girokonten durch die vorgeschlagene Änderung des § 1 Abs. 1 lit. e NotariatsaktsG wurde grundsätzlich aus Sicht des Forum Gleichstellung begrüßt; dennoch wird in der Stellungnahme noch auf folgenden Aspekt ausdrücklich hingewiesen:

Nach dem neu zu fassenden § 1 Abs. 1 lit. E sollen Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens und bankübliche Verträge, die sich auf ein Girokonto beziehen, blinde Personen auch dann ohne Notariatsakt schließen können, wenn sie durch ein geeignetes technisches Hilfsmittel – gemeint sind wohl z. B. Scanner und Screenreader – vom Inhalt der Urkunde Kenntnis erhalten. Sollte das Hilfsmittel fehlerhaft – etwa bei verwechslungsfähigen Zahlen – lesen, so ist es nach den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf nicht geeignet und das Rechtsgeschäft mangelhaft. Die behinderte Person könnte sich in diesem Fall – so die Erläuterungen – nach § 1 Abs. 3 NotariatsaktsG zu ihrem Schutz auf die Ungültigkeit des Rechtsgeschäftes berufen.

Wenngleich dies so deutlich in den Erläuterungen nicht gesagt wird, ist aber aus Sicht des Forum Gleichstellung unter Zugrundelegung einer teleologischen Interpretation doch davon auszugehen, dass man sich künftig als blinder Mensch grundsätzlich dann von der Notariatsaktspflicht bei Geschäften des täglichen Lebens und banküblichen Verträgen, die sich auf ein Girokonto beziehen, befreien kann, wenn man den tatsächlichen Inhalt der Urkunde mit technischen Hilfsmitteln, wie beispielsweise einem Scanner, richtig feststellen konnte. Das heißt, dass der Scanner grundsätzlich als geeignetes technisches Hilfsmittel in diesem Kontext zu gelten hat.

„Das Rechtsgeschäft wäre wohl nur dann mangels Notariatsaktes ungültig, wenn im Einzelfall wegen eines Erkennungsfehlers des Gerätes vom blinden Menschen tatsächlich ein Inhalt der Urkunde falsch gelesen wurde. Wollte man den Gehalt dieser geplanten Lockerung der Notariatsaktspflicht nicht so interpretieren, so käme im Ergebnis heraus, dass das Feststellen des Inhalts einer Urkunde mit einem Scanner nie von der Notariatsaktspflicht befreien könnte, da es ja so gut wie keine, für den „Otto Normalverbraucher“ leistbare, Scannertechnologie gibt, die eine 100% fehlerfreie Texterkennung gewährleisten kann; damit wäre aber das technische Hilfsmittel Scanner, das aus dem selbständigen Leben sehbehinderter und blinder Menschen kaum mehr wegzudenken ist, stets als ungeeignet anzusehen. Eine solche Intention des Gesetzgebers würde diese Lockerung der Notariatsaktspflicht für blinde Privatpersonen im rechtsgeschäftlichen Verkehr weitestgehend zur inhaltslosen Makulatur werden lassen, so dass das Forum Gleichstellung davon ausgeht, dass der Gesetzgeber diese Intention nicht verfolgt“, so die Stellungnahme. Um aber derartige Unklarheiten in der künftigen Vollziehung dieser neugefassten Bestimmung hint anzuhalten, wird seitens des Forum Gleichstellung angeregt, als grundsätzlich geeignetes Hilfsmittel zur Feststellung des Inhaltes einer Urkunde über ein Rechtsgeschäft die Scannertechnologie sowie den Einsatz von Computern mit Screenreadern bzw. Vergrößerungssoftware und den marktüblichen Anwendungen – z. B. Textverarbeitung, E-Mail etc. – ausdrücklich in den Erläuterungen anzuführen.

Und zu guter Letzt wies das Forum Gleichstellung auch noch auf sprachliche Diskriminierungen in den Erläuterungen zum Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz hin, wo etwa immer noch von „Stummen“ und „Blinden“ die Rede ist.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich