Wie im vorigen BIZEPS-INFO angekündigt, hier ein kurzer Hintergrundbericht über die 1. Europäische Frauenkonferenz, die in München vom 15. bis 18. August 1996 stattfand.
Es trafen sich über 100 behinderte Frauen aus 20 verschiedenen Ländern, um das Thema Frausein mit Behinderung gemeinsam zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen.
Diese Veranstaltung gab Gelegenheit, viele interessante Frauen kennenzulernen bzw. wieder zu treffen. Für Österreich kamen Teilnehmerinnen aus Oberösterreich, Salzburg und Wien. So ergab sich die seltene und schöne Gelegenheit, uns mit Frauen aus den Bundesländern ohne unsere lieben Chauvis auszutauschen.
Die Konferenz selbst empfanden wir aber als eher unkritisch. Zwar nahmen Männer natürlich nicht aktiv teil, waren aber zu unserem Erstaunen immer und überall anwesend. Über so manches frauenspezifische Thema, wie zum Beispiel lesbische Liebe und Sexualität wurde kaum gesprochen. Dies steht im krassen Gegensatz zu unseren Erfahrungen aus der nichtbehinderten Frauenszene.
Das Programm war mit äußerst interessanten Referaten und einer großen Anzahl von Arbeitsgruppen dicht gedrängt. Besonders hervorheben möchten wir den Beitrag von Dr. Theresia Degener, die über behinderte Frauen und Menschenrechte sprach.
Sie kam bei ihrer Durchforstung der internationalen Menschenrechtserklärungen und sonstigen Instrumentarien der UNO, wie zum Beispiel der „Deklaration der Menschenrechte von geistig behinderten Menschen“ und der „Standard Rules“ zu dem Schluß, daß es keine Erklärung zum Schutz behinderter Frauen gibt.
Diese sind höchstens in einigen Erklärungen mitgemeint (Internationale Konvention zur Verhinderung aller Formen von Gewalt gegen Frauen). Der erste Schritt zur Beseitigung dieses Mißstandes ist es, Diskriminierungen behinderter Frauen öffentlich zu machen.
So führt die weitverbreitete Meinung, daß sexuelle Gewalt an behinderten Frauen keine Menschenrechtsverletzung darstellt, da diese ohnehin keine Sexualität hätten, dazu, daß in ganz Europa Frauen und Mädchen mit Behinderung oft zwangssterilisiert werden, Heirat in manchen Staaten behördlich verboten ist oder Adoption von Kindern für Frauen mit Behinderung unmöglich gemacht wird.
Im Anschluß an die zahlreichen informativen und interessanten Referate gab es aber keine Gelegenheit, Fragen zu stellen oder zu diskutieren. Diese Diskussionen wurden zwar abends in Form von persönlichen Gesprächen nachgeholt, wobei wir uns auch besser kennen lernten, trotzdem wäre die Auseinandersetzung in der Gruppe wichtig gewesen.
Da die Arbeitsgruppen nicht professionell gedolmetscht wurden, ging aufgrund der sprachlichen Barrieren inhaltlich viel verloren. Dadurch meldeten sich sicher viele Frauen, die Interessantes zu sagen gehabt hätten, nicht zu Wort. In den Arbeitsgruppen zeigte sich auch, wie unterschiedlich die politische Einstellung der Frauen aus den verschiedenen Ländern ist. Für viele Frauen war die Aufarbeitung ihrer eigenen Behinderung auch ein bedeutendes Thema und Anliegen.
Wirklich lobend zu erwähnen ist noch das tolle Rahmenprogramm. Es gab ein feines Diner im Hilton und danach erfreute uns eine Sängerin mit Chansons. Der Höhepunkt dieses Programmes war jedoch eindeutig das Auftreten der Rollitanzmeisterin aus Deutschland, die uns mit ihrer nichtbehinderten Partnerin zeigte, daß Tanzen auf 4 Rädern mindestens genauso schön sein kann, wie Tanzen auf zwei Füßen.