Früher war alles besser?

Geht es behinderten Menschen heute schlechter? Ein Kommentar.

Viel Zeit ist vergangen
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36 % der Österreicherinnen und Österreicher finden, dass es ihnen heute schlechter geht als vor zehn Jahren. Das hat eine Online-Umfrage der Zeitschrift profil ergeben.

Ich habe diese Frage zum Anlass genommen, mich zu fragen, wie es mir eigentlich im Gegensatz zu früher geht und wie ist es allgemein für Menschen mit Behinderungen in Österreich? 

Mühsam nährt sich das Eichhörnchen

Wenn man die Situation von Menschen mit Behinderungen in Österreich betrachtet, kommt mir der Spruch „Mühsam nährt sich das Eichhörnchen“ in den Sinn. Ich würde sagen, dass es in Bezug auf Menschen mit Behinderungen schon Fortschritte gibt.

Ein aktuelles Beispiel ist das neue Erwachsenenschutzgesetz, das im Gegensatz zur traditionellen Sachwalterschaft dem Betroffenen mehr Mitspracherecht ermöglicht. Ein weiterer Fortschritt ist die – wenn auch langsam aber stetig – wachsende Präsenz von Menschen mit Behinderungen in der Politik.

Es gibt also Erfolge, doch es gibt noch eine Menge Baustellen im Behindertenbereich.

Wie zum Beispiel, dass zentrale Errungenschaften wie die Persönliche Assistenz in den Bundesländern unterschiedlich geregelt sind. Das bedingt, dass die Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen mitunter davon abhängen kann, wo sie leben.

Eine weitere Erschwernis für Menschen mit Behinderungen sind die Kürzungen bzw. die Nichtanpassung finanzieller Transferleistungen wie Pflegegeld und Mindestsicherung.

Derzeit gibt es Beispiele, in denen der Umgang mit der Mindestsicherung für betroffene Personen und pflegende Angehörige zum Nachteil wurde. So zum Beispiel wird das Pflegegeld pflegenden Angehörigen als Einkommen angerechnet, was für sie zu einem großen finanziellen Nachteil wird.

In einem anderen aktuellen Beispiel, das sich in Niederösterreich ereignete, wurden einem Mann die ohnehin geringen Ersparnisse von der Mindestsicherung abgezogen. Für Menschen die von diesen Transferleistungen abhängig sind und meist ohnehin einen finanziellen Mehraufwand haben, ist es meiner Ansicht nach ein sehr großes Problem.

Nicht ohne meine Familie

Meine persönliche Lebensqualität beurteile ich als relativ hoch. Ich habe eine Matura, einen Magistertitel, einen guten Beruf und lebe selbstbestimmt mit Persönlicher Assistenz. Das verdanke ich unter anderem den Entwicklungen in Bezug auf die Integrationsbewegung in den 90er Jahren.

Ein ganz wichtiger Faktor für meinen Erfolg sind auch meine Eltern, die mit ihrem politischen und sozialen Engagement meine Integration gemeinsam mit mir erreicht haben. Hätten sie sich nicht für meine Integration vom Kindergarten an eingesetzt und mich bestmöglich gefördert, wäre ich nicht dort, wo ich heute bin.

Mir wurde alles ermöglicht, was man braucht, um ein mehr oder weniger selbstständiges Leben zu führen. Auf die Frage, ob es allen Menschen mit Behinderungen in Österreich gleich gut geht, müsste ich jedoch nein sagen. Ich habe vorhin Dinge aufgezählt, wie Schule, Ausbildung und Beruf, die für die meisten Menschen ohne Behinderungen selbstverständlich sind. Dies mussten meine Familie und ich erkämpfen, und genau da liegt das Problem.

Es darf nicht von der familiären Situation oder von der rechtlichen Regelung eines Bundeslandes abhängen, wie gut man als Mensch mit Behinderung in Österreich lebt. Die Politik und die Gesellschaft müssen tragfähige, gleiche und faire Bedingungen für Menschen mit Behinderungen in ganz Österreich schaffen.

Die UN-Behindertenrechtskonvention und der Nationale Aktionsplan müssen umgesetzt und die Qualität der umgesetzten Maßnahmen immer wieder überprüft werden. Dies passiert leider derzeit aus meiner Sicht nicht im ausreichenden Maße.

Inklusion, Integration und Barrierefreiheit sind zu Schlagwörtern geworden, die immer wieder auftauchen, wenn es politisch praktisch erscheint. Doch es fehlen weitgehend konkrete Handlungen und Maßnahmen, die diese Schlagwörter mit Leben erfüllen und zur gesellschaftlichen Realität werden lassen.

Die Frage, ob es vor zehn Jahren besser war, ist deshalb schwierig zu beantworten, weil Errungenschaften im Behindertenbereich nicht nur äußerst schwierig zu erzielen sind, sondern immer wieder versäumt wird, dass diese Errungenschaften einheitlich geregelt werden und den ständig wandelnden Bedingungen der Gesellschaft angepasst werden.

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