Gedanken zu Fahrspaß mit Segways im Sitzen

Ursprünglich eine Modifikation aus Bastlerkreisen, gibt es mittlerweile etliche Unternehmen die Segways für den Betrieb im Sitzen umrüsten und ihr Produkt auch Personen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, anbieten.

Segway-Prototyp für Rollstuhlfahrer
BIZEPS

Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe: Die Technik, die Motivation und das rechtliche Umfeld.

Ein im Sitzen betriebener Segway ist für Rollstuhlfahrer beiderlei Geschlechts verführerisch: Optisch ansprechend und die Leistungsdaten lassen sich durch Praxistests belegen. Aber was steckt dahinter?

Moderne Technologie für alle!

Die in Elektrorollstühlen verwendete Technologie ist in diesem Artikel ausführlich beschrieben. Ein Segway hingegen verwendet moderne, leistungsfähigere Technologie (z.B.: Lithiumbatterien, bürstenlose Motoren und eine Spannung von 72 Volt.). Mehrere Gyroskope halten den Segway aufrecht und im Gleichgewicht. Aufgrund der Tatsache, dass der Segway nur eine Achse hat, benötigt er weniger Energie zum Drehen und kann sogar auf der Stelle wenden.

Preislich ist ein im Sitzen betriebener Segway mit circa € 6.000,– bis 14.000,– (nur Umbau bzw. Segway mit Umbau) im Bereich von Elektrorollstühlen angesiedelt, die Dimensionen von circa 65 cm x 65 cm x 65 cm (Höhe, Breite, Länge) und das Gewicht von 60 kg sind ungleich vorteilhafter.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es einen Segway-Nachbau mit Sitzsteuerung um weniger als € 4.000,– gibt, allerdings sind die technischen Daten (Bleibatterien mit einer Spannung von 24 Volt) so, dass sich eine Diskussion erübrigt.

Achtung, fertig, los! (oder auch nicht)

Einige Unternehmen (der Autor erlaubt sich – ohne Wertung und ohne Anspruch auf Vollständigkeit – eine namentliche Aufzählung, da manche Anbieter schwer zu finden sind und auf die unterschiedlichen Lösungsansätze hinweisen werden soll) wie „Genny Mobility“ mit dem Produkt „Genny“, die „frankie GmbH“ in Zusammenarbeit mit dem deutschen Verein „behindert-barrierefrei e.V.“ die Produkte „Apache“ und „Sitting Bull“, die „Freee Mobility GmbH“ mit dem Produkt „Freee F2“, die „med-i-tec Service GmbH“ mit dem Produkt „MobilityCube„, die Firma „AddMovement“ mit dem Produkt „AddSeat“ und die Firma „SegSolutions, LLC“ aus den USA mit dem Produkt „Freedom GlidR“ bieten im Sitzen betriebene Segways an.

Für die sichere Inbetriebnahme dieser Produkte ist eine körperliche und geistige Eignung Voraussetzung. Da Lenkvorgänge mit dem Oberkörper ausgeführt werden, ist eine gewisse Rumpfstabilität erforderlich, ebenso wie eine gewisse Handkraft für Transferbewegungen und für das Greifen der Lenkstange.

Fragenkatalog

Da die genannten Hersteller ihre Produkte sehr schnell weiterentwickeln, wird auf eine genaue Aufzählung der jeweiligen Produkteigenschaften verzichtet. Sinnvoller ist ein Fragenkatalog, durch den die Produktunterschiede offensichtlich werden:

  • Was wird angeboten? Wird nur ein beigestellter (gebrauchter) Segway umgebaut oder wird ein neuer Segway adaptiert?
  • Wie leicht kann der Segway verladen werden? (Meist ist eine Rampe notwendig.)
  • Wie viel Bodenfreiheit besteht? (Bei Steigungen bzw. Gefälle ist diese Frage wesentlich)
  • Wie leicht ist ein Transfer auf bzw. vom Segway? (Armstützen am Sitz können bei machen Anbietern umgeklappt werden. Die Lenkstange wird entweder abgenommen oder umgekippt.)
  • Position und Art der Parkstützen? (Die Stütze kann sehr nahe – für manche vielleicht zu nahe, da die Standfläche sehr klein ist – am Rad sein, beidseitig sein oder eine Stange sein und demnach unterschiedlich gut bei weichem oder nicht ebenen Untergrund sein.)
  • Kann der Segway auf einer schiefen Ebene abgestellt werden?
  • Kann der Segway bei falscher Bedienung im Stand umfallen? (Bei manchen Modellen ist es möglich, bei ausgeschaltem Segway die Stützen einzufahren.)
  • Kann eine Druckentlastung gefahrlos durchgeführt werden? (Manche Modelle schalten sich ab wenn kein Gewicht mehr auf der Sitzfläche registriert wird.)
  • Ist der Segway geschwindigkeitsgedrosselt oder nicht? (Da mit dem Oberkörper alleine weniger Gewicht verlagert werden kann als stehend ist das Bremssignal nicht so stark, daher wird nicht so stark gebremst und der Bremsweg ist entsprechend länger.)
  • Kann der Sitz und damit der Schwerpunkt verschoben werden? (Bei einem Modell ist der Sitz auf einer Schiene montiert.)
  • Welches Zubehör gibt es? (z.B.: Licht, Taschen, Breitreifen, Winterreifen, Schneeketten, etc.)
  • Wo und wie viele Zuladungsmöglichkeiten gibt es? (Da der Oberkörper bewegt werden muss, ist ein Rucksack meist nicht möglich, aber Platz für Mobiltelefon, Regenschutz, Geld, Katheter, etc. ist oft trotzdem notwendig.)

Zusätzlich zu diesem Fragenkatalog ist eine ausführliche Probefahrt – wenn möglich, im zukünftigen Einsatzgebiet – sinnvoll.

Spaßmobil oder Rollstuhl?

Auch wenn in Verkaufsunterlagen der Hersteller Begriffe wie „Segway-Rollstuhl“ vorkommen, ist ein Sitz-Segway kein Rollstuhl (Krankenfahrstuhl). Die Regelungen sind in fast allen EU-Ländern unterschiedlich: In Österreich gilt ein (Sitz-)Segway gemäß österreichischer Straßenverkehrsordnung (StVO) als Elektrofahrrad, das auf dem Radweg bzw. auf der Fahrbahn fahren muss. Eine Benützung des Gehsteigs ist nicht erlaubt! Details gibt es vom ÖAMTC hier.

Somit unterscheidet sich ein Sitz-Segway ganz erheblich von einem (Elektro-)Rollstuhl (Krankenfahrstuhl) oder einem Elektroscooter die beide in Österreich verkehrsrechtlich als Fußgänger gelten.

Ob ein Sitz-Segway eine sinnvolle Rollstuhlalternative oder eine sinnvolle Rollstuhlergänzung darstellt, muss daher im Einzelfall entschieden werden.

Kommentare und Anregungen sind immer willkommen.

Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich
Hier beginnt der Werbebereich Hier endet der Werbebereich

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Die Kommentarfunktion für diesen Artikel ist abgeschalten.

15 Kommentare

  • Gutentag Herr Wessely,

    Vielen Dank für Ihre wertvollen Bemerkungen. Zusammen mit 2 Freunden mit der Nervenkrankheit SMA haben auch wir ein balancierender Rollstuhl entwickelt. Der Twizzler Rollstuhl hat wenigstens 3 einzigartigen Eigenschaften: kein Segway, ohne Körperbewegung zu fahren, und sehr gute Bremswirkung. ( bis 22% Steigung). Der Twizzler wird in den Niederlanden hergestellt.
    Bitte schauen Sie an: http://www.Twizzler.nl.
    Mit freunlichen Grüssen,

    Leo de Jong

    • Sehr geehrter Herr de Jong!

      Danke für die Information.
      MfG
      Georg Wessely

  • Hallo, durch Zufall bin ich darauf gestoßen ein Segway mit einem sitz zu sehen.Ich bin begeistert, daß so etwas, möglich ist. Meine Behinderung läst mich sehr erschwert laufen. Auch halte ich es für mich sehr wichtig, Ziel selbstständig zu erreichen. Habe ein Interesse an einem Segway mit Sitz.

  • Danke, wurde ergänzt.

  • @ BIZEPS: Ich darf um Vervollständigung des Satzes ersuchen: „Einige Unternehmen […] bieten im Sitzen betriebene Segways an.“

    Vielen Dank!

  • Guter Fachartikel – Meiner Meinung ein Therapiegerät – kommt auf die Behinderung an, ob man auf so eine Technologie „umsteigt“ – als „Sportgerät“ auch für die Fitness ist ein mechanischer „Rolli“ bzw. Handpike vorzuziehen – wenn die Gelenke noch mitmachen…

  • @ Georg Wessely: Elektrorollstuhlartikel, gerne! Nur auch bei der Software hakt es durchaus. Ich hab schon Rollstühle erlebt die auf einmal alle Kommandos seitenverkehrt ausgeführt haben und das ohne Vorwarnung. Von Redundanz hab ich zumindest bei Rollstühlen nichts gesehen (wäre auch teurer).

    Es ist halt wie überall Standardhardware + Software + ein paar kleine Anpassungen. Meistens funktioniert es ja, das streite ich auch nicht ab.

    Es ist halt alles kostenoptimiert bis zum geht nicht mehr.

  • @ Markus Ladstätter: Danke für das Ausbessern!

    Hinsichtlich der Betriebssicherheit von Elektrorollstühlen: Die Software ist in Ordnung, aber die Verarbeitungsqualität des Rollstuhls und die allgemeine Konstruktion des Rollstuhls ist es nicht. Gerne schreibe ich Kürze einen Artikel darüber.

  • Tippfehler ausgebessert.

    Dass mit Segways schlimme Unfälle passiert sind ist mir bewusst, ob allerdings Elektrorollstühle elektronisch signifikant (wenn überhaupt) betriebssicherer sind als nicht medizinische Produkte wage ich zu bezweifeln.

  • @ BIZEPS: Ich darf um Korrektur folgender Tippfehler und um Ergänzung eines Links ersuchen:
    Statt „Tatsachem“ bitte „Tatsache“ und statt „Frede Mobility GmbH“ bitte „Freee Mobility GmbH“ und der Link zum Produkt ist „http://www.freee.de/“.
    Vielen Dank!
    @ Dr. Gernot Neuwirth: Ich möchte festhalten, daß ich kein BIZEPS-Mitarbeiter bin. Ich habe diesen Artikel geschrieben weil mir die vermehrte Werbung als „Segway-Rollstuhl“ aufgefallen ist.
    Die Sicherheitsprobleme bei im Stehen betriebenen Segways sind mir – aus Anekdoten – bekannt allerdings kann ich dazu nichts Fundiertes schreiben, da ich das Innenleben der Segways (Qualität der Verarbeitung, Steuerungsprotokolle, etc.) nicht kenne.
    Bei Elektrorollstühlen (=Medizinprodukte!) werden ja bekanntermaßen in Hinblick auf die Betriebssicherheit adaptierte CAN-BUS Protokolle als Grundlage für die Steuerung eingesetzt. Ein Segway ist – wie im Artikel geschrieben – kein Medizinprodukt.

  • Der Segway wird seit 2001 produziert und muss daher 2007 technisch schon einigermaßen ausgereift gewesen sein, als ich mit einer Begleiterin (beide (noch) nicht behindert) das nachfolgende Erlebnis hatte: Mieten zweier Segways in Wien, ausreichende Einschulung, problemlose Fahrt über den Radweg am Ring hinunter zum Kai, problemlose Fahrt entlang des Donaukanals. Dann schüttelt ihr Segway aus unbekannter Ursache meine Begleiterin ab, sie fällt auf den Rücken, er wendet sich um 90° und fährt aus eigener Kraft (weil er sich nach einem Abwurf erst ein paar Sekunden später automatisch ausschaltet) zügig weiter – in den Donaukanal.

    Wir stehen am Ufer, schauen ungläubig ins Wasser, ebenso eine Gruppe von Umstehenden. Auf meinem verbliebenen Segway steht die Telefonnummer des Vermieters, er ist verblüfft, weil einen Segway noch nie jemand versenkt habe und bemerkt, wir müssten ihn ersetzen.

    Wir sind ein paar Wochen ziemlich gedeftet, weil ein neuer Segway schon damals über 5.000 Euro kostet. Wir werden erst selbstbewusster, als wir im Internet lesen, dass zwei amerikanische Polizisten Segway geklagt haben, weil ihre Maschinen plötzlich eigenmächtige Manöver ausgeführt haben, die sie an eine Wand schleuderten und arbeitsunfähig machten. Einer der beiden war sogar Segway-Instructor. Jedenfalls bekam ich einige Wochen nach meinem Erlebnis meinen Dienstausweis, den ich als Pfand hinterlassen hatte müssen, wieder zurück und wir mussten nichts ersetzen.

    Wieder ein paar Wochen später kam ein Anruf von der Feuerwehr, die mich nach dem genauen Ort des Ereignisses befragten, weil sie den Segway heben wollten. Ob es ihnen gelang, weiß ich nicht. Später wurde sogar der Eigentümer von Segway bei einem Segway-Unfall getötet. Seither muss sich noch vieles ereignet haben, im Internet gibt es eine Menge Videodokumentationen von lustigen und weniger lustigen Unfällen und Berichte über gerichtliche Klagen wegen Fehlfunktionen sowie über häufige Rückrufe von Modellen.

    2010 kommt sogar der Besitzer von Segway bei einem Segway-Unfall ums Leben. Der Segway ist zumindest theoretisch eine Meisterleistung der Ingenieurskunst und verschiedene offizielle Gremien sind der Ansicht, dass er nicht gefährlicher ist als ein Fahrrad. Ich bin jedenfalls seit damals auf keinen Segway mehr gestiegen.

    Inwieferne ein Umbau zu einem Sitzfahrzeug durch eine Fremdfirma ein zusätzliches Risiko darstellt, kann ich nicht beurteilen. Aber mein Erlebnis wollte ich jetzt aus Anlass der Diskussion im Bizeps doch einmal einer größeren Öffentlichkeit mitteilen.

  • Hab den Genny vor einem Monat getestet als ich ihn beim Rollitechniker zufällig entdeckt hatte. Es wurde mir dort gesagt, dass der Genny in verschiedenen Geschwindigkeiten eingestellt werden kann – Standard ist der 6 km/h.

    Auch ich finde, dass der Genny einen E-Rolli nicht vollständig ersetzen kann – vor allem finde ich die Funktion mit den Parkstützen zwar nicht schlecht, doch stelle ich es mir schwer vor, zB in der U-Bahn plötzlich stehen zu bleiben (erst danach kann man die Parkstützen einfahren).

    Für den Genny als Ergänzungsgerät spricht, dass man hier aktiv gefordert ist, man muss sich voll konzentrieren und es werden die Bauch/Rücken-Muskeln gestärkt. Schade, dass es preislich so teuer ist …

  • Der Genny ist leider recht „witzlos“ mit einer beschränkten Höchstgeschwindigkeit von 6 km/h (laut Website). Laut YouTube-Videos fährt er wesentlich schneller.

    • Der Genny, welcher auf einen originalen SEGWAY PT (Personal Transporter) basiert, kann natürlich von der Geschwindigkeit und der Reaktionsgeschwindigkeit der Lenkung adaptiert werden.
      Der original SEGWAY PT ist als einziges Gerät voll redundant, alle Systeme sowie Sensoren und auch die Akkus (außer das interne Ladegerät und die Empfangseinrichtung [sind keine Sicherheitsrelevanten Teile]) sind doppelt vorhanden. Wenn eine Komponente ausfällt, so wird das Gerät sicher zum Stillstand gebracht und man hat neben einem Signal und Vibration noch 10 Sekunden Zeit abzusteigen.

      Leider Gottes kommt es immer wieder vor, dass sich Fahrer überschätzten oder Hindernisse übersehen und es so zu einem „ungewollten Fahrmanöver“ kommt weil viele sich im Schreck instinktiv an der „Lenk-„Stange festhalten.
      Neben dem Verkauf, Service und Reparaturen betreiben wir, CROSSTOURS AT noch einen Tourenbetrieb und können hier aus Erfahrung sprechen.

      Das Gerät ist sehr sicher und wird deshalb mittlerweile im öffentlchen Dienst (Polizei, Rettung und Bundesheer,… ) eingesetzt.

      Bei den verschiedenen Varianten an Aufbauten sollte man sich informieren welche am Besten für einen passt (Krankheitsbild, Rumpftätigkeit,…). Jeder Aufbau ist anders, … das eine hat mechanische Stützen, das andere elektrische, der eine ist höhenverstellbar, der andere nicht, der eine ist fürs Gelände der andere nicht, der eine hat eine Tarta Rückenlehne für höher gelegene Lähmungen und der andere nicht,…

      Bitte lasst euch beraten und etscheidet selbst wen oder was ihr vertraut!
      … und den Service nicht vergessen, auch diese Geräte haben Verschleißteile und müssen gewartet werden um einen sicheren Betrieb zu gewährleisten!

      Mit besten Grüßen aus Österreich!
      CROSSTOURS AT
      https://crosstours.at