Gehörlose Menschen fordern ihre Menschenrechte

Vom 10. - 15. Juli 1995 fand in Wien der 12. Weltkongreß des Weltgehörlosenverbandes statt.

Gebärde für Diskriminierung
Österreichischer Gehörlosenbund

Das Motto der Veranstaltung lautete: “Vorwärts zu den Menschenrechten”. Aus 97 Ländern nahmen mehr als 2000 gehörlose und hörende Menschen teil.

“Gehörlose sind nicht sprachlos!”

“Gehörlose sind nicht sprachlos!” lautete einer der Überschriften von Zeitungsartikeln, die über den Kongreß berichteten. Tatsächlich lenkte diese Veranstaltung die Aufmerksamkeit der Medien für einige Tage auf die Gruppe der hörbehinderte und gehörlosen Menschen, so als wollte sie die Tatsache wettmachen, daß über diese Personengruppe das Jahr über besonders wenig in der Öffentlichkeit zu hören ist.

Weltweit gibt es 70 Mio. gehörlose Menschen (in Österreich sind es 10.000 Personen), von denen nur etwa 20 % eine Schulbildung haben, und obwohl Gehörlose weltweit die Gebärdensprache im täglichen Leben verwenden, hat nur jeder Hundertste die Möglichkeit, in dieser Sprache ausgebildet zu werden.

Die Anerkennung der Gebärdensprache als Menschenrecht und als Unterrichtssprache in den Schulen, ist daher die zentralste Forderung. Bis heute haben 12 Staaten die Gebärdensprache offiziell anerkannt.

Österreich steht, sowohl was die Anerkennung als auch die Verbreitung und die staatliche Förderung der Gebärdensprache anbelangt, beinahe auf der Stufe eines Entwicklungslandes: Im gesamten öffentlichen Leben, in den Ämtern und Behörden, den Bildungsstätten, den Medien oder bei öffentlichen Großereignissen werden so gut wie nie GebärdendolmetscherInnen eingesetzt. Eine wohltuende Ausnahme davon und ein Beispiel dafür, wie es im angelsächsischen Raum oder in Skandinavien an der Tagesordnung ist, war deren Einsatz beim Weltkongreß.
Weiters gibt es kaum Grundlagenforschung für Gebärdensprache und keine Organisation zur Ausbildung von GebärdendolmetscherInnen. Während es in vergleichbaren Staaten schon seit vielen Jahren eigene Sendungen mit Gebärdenübersetzung über die Kanäle flimmern, ist der ORF über einige Minuten Mini-ZIB, trotz zahlreicher Vorstöße der Betroffenen, noch immer nicht hinausgekommen.
Die wirtschaftliche Lage gehörloser Menschen ist geprägt von massiven Benachteiligungen in der Arbeitswelt, als einen deren Hauptursachen das eingeschränkte Spektrum an Angeboten für die Berufsausbildung angesehen werden kann.

Die wichtigsten Forderungen sind daher:

  • die gesetzliche Anerkennung von gehörlosen Menschen als sprachliche Minderheit
  • die gesetzliche Anerkennung der Gebärdensprache als Muttersprache
  • das Recht auf gleiche Information
  • das Recht auf zweisprachige Erziehung gehörloser Kinder
  • die kostenlose Bereitstellung von GebärdensprachdolmetscherInnen
  • die Erfüllung der Informationspflicht des ORF durch einen umfassenden Einsatz von GebärdensprachdolmetscherInnen im Fernsehen

Wir sollten gemeinsam alles daransetzen, daß die Forderungen unserer gehörlosen Freunde nicht erst wieder beim nächsten Weltkongreß in vier Jahren Gegenstand einer öffentlichen Diskussion sind.

Die Situation der gehörlosen Menschen zeigt u. a., wie wichtig und aktuell unsere Forderungen nach einer Gleichstellung behinderter Menschen in der Verfassung sowie die Schaffung eines umfassenden Antidiskriminierungsgesetzes sind.

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