Gehörlosengeschichte: visuell und berührend

"Ich hätte sterilisiert werden sollen - und nun habe ich hörende Kinder und Enkel! Die Nazis hatten also Unrecht."

DVD-Titelbild: Gehörlose ÖsterreicherInnen in NS-Zeit
Krauseneker, Dr. Verena

Das Forschungsprojekt „Gehörlose ÖsterreicherInnen im Nationalsozialismus“ erarbeitete bis jetzt nicht bekannte Informationen über die von Euthanasie, Zwangssterilisation (GzVeN) und anderen Diskriminierungen betroffene gehörlose Minderheit (rund 10.000 Personen). Vor allem wurden 24 gehörlose ZeitzeugInnen befragt und ihre Lebensgeschichten auf Video dokumentiert.

In Form einer zweisprachigen DVD in Deutsch und ÖGS, also für gehörlose Menschen visuell barrierefrei zugänglich, wurden die Ergebnisse aufbereitet und im September 2009 im Rahmen einer Präsentation an der Universität Wien vorgestellt.

Eindrucksvolle Statements

„Ich hätte sterilisiert werden sollen – und nun habe ich hörende Kinder und Enkel! Die Nazis hatten also Unrecht.“ – so gebärdete einer der geladenen Zeitzeugen aus Wien. In weiteren eindrucksvollen Statements von alten und jungen gehörlosen Menschen wurde deutlich, wie sehr das Thema verdrängt und tabuisiert war. Wie groß das Interesse im deutschsprachigen Raum ist, wurde in den darauf folgenden Wochen klar: Die DVD war in kürzester Zeit ausverkauft.

Seit Jahresbeginn 2010 ist die zweite Auflage erhältlich, für die die beiden Forscherinnen (und Neo-Filmemacherinnen) Verena Krausneker und Katharina Schalber zusätzlich englische Untertitel erstellt haben.

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DVD: 8 Kurzfilme, Gesamtlänge 220 Min, A 2009
Katharina Schalber, Verena Krausneker (Universität Wien)
Buch, Skript, Regie, Kamera, Schnitt etc. – Verena Krausneker, Katharina Schalber
Erzählerin: Astrid Weidinger
Ohne Ton, in ÖGS, mit deutschen und englischen UT

Die nun dreisprachige DVD kann unter www.univie.ac.at/gehoerlos-im-ns bestellt werden.

Hier ein Ausschnitt

Deutsche Tranksription

Gehörlose ÖsterreicherInnen im Nationalsozialismus

GEHÖRLOSENSCHULEN

Österreichkarte: Standorte: Mils, Salzburg, Linz, St. Pölten, Wien-Speising, Wien-Döbling, Graz, Klagenfurt

[Bilder der einzelnen Standorte]

Emma W. (geboren 1927): Die Lehrer waren streng. Wirklich sehr streng.

Otto O. (geboren 1925): Auch Gebärden war verboten.

Leni S. (geboren 1924): Der Sprech-Unterricht: Ich wurde gerüttelt und geschüttelt, weißt du? Ich wurde gerüttelt und geklopft, an den Ohren gezogen, am Hals gezerrt und so weiter. Damit ich spreche.

Interviewerin: Auch du?

Leni S.: Ja, auch ich.

Otto O.: Wer schlecht sprach oder so… wurde geschlagen. Mit einem Stock auf die Finger oder das Hinterteil.

Cilli N. (geboren 1926): Sie waren brutal! Wir mussten die Hose runterlassen und wurden geschlagen. Wir waren ganz blau.

P.D. (geboren 1928): Besonders dankbar bin ich Frau Farkas. Sie hat mich täglich unterrichtet. Und mir Nachhilfe gegeben. Sie war die beste Privatlehrerin, die es gab. Sie bemühte sich und war genau. Obwohl es in der Nazizeit gefährlich war. Sie bemühte sich um eine neutrale Haltung. Sie war eine sehr liebe Frau.

Erzählerin: 1938 übernahmen die Nationalsozialisten die Herrschaft in Österreich. Sie führten viele Veränderungen im Schulwesen durch. Zum Beispiel: Ausschluss jüdischer Lehrender und SchülerInnen. Und ab Juni 1938: Berufsverbot für jüdische BeamtInnen.

Hermine M. (geboren 1924): Es war wie eine Überfall von der Nazi-Partei. Niemand in der Schule wusste etwas. Plötzlich waren die Nazis da.

Erzählerin: Die Nationalsozialisten änderten auch Schulfächer und Inhalte. Weitere Änderungen waren: Schulschließungen und -verlegungen. Die Gebäude wurden nämliche für andere Zwecke verwendet. Unter anderem für militärische Zwecke. Außerdem waren die Nationalsozialisten gegen religiöse Schulen.

[Grafik zeigt die Schließung von 4 Gehörlosenschulen und die Verlegung von 3 weiteren]

Hermine M.: Alle mussten sofort in zwei Autobusse. Ohne Gewand einzupacken. Nur mit den Sachen die wir anhatten! Wir fuhren sofort los. Wohin, das wusste ich nicht. Mein Bus kam nach Wien-Speising. Wo der zweite Autobus mit den MitschülerInnen hinkam, weiß ich nicht. Wir wurden getrennt. Sie verschwanden. Ich sah diese Mitschüler nie mehr wieder.

Text im Film: 24 gehörlose ZeitzeugInnen gebärden ihre Erinnerungen. Gehörlose Österreicherinnen und Österreicher im Nationalsozialismus. 8 Kurzfilme in Österreichischer Gebärdensprache (ÖGS) mit deutschen Untertiteln, ohne Ton. www.univie.ac.at/gehoerlos-im-ns

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