Geht’s noch: Schwerstbehinderung als Eingriff in die Würde von Dritten?

Betrifft: "Die Kirche braucht Aufklärung - ein Sexkoffer für den Kardinal" (Kommentar zum Text von Florian Klenk im Falter 13/2012)

Zeitungen
BIZEPS

Sehr geehrter Herr Klenk!

Gar kein Problem mit Ihrer Kritik an der verquerten Sexualmoral der Katholischen Kirche.

Den „Dolm der Woche“ müssen wir Ihnen dennoch für eine menschenverachtende Formulierung in Bezug auf Menschen mit Behinderung überreichen:

Sie schreiben in ihrer Glosse, dass „die Pränataldiagnostik eine Methode sei, schwerste Behinderungen so früh zu erkennen, dass die werdende Mutter ein würdevolles Leben führen kann.“

Sie definieren also tatsächlich Behinderung als einen Eingriff in die Würde von Dritten! Sie beziehen sich dabei nicht auf ungeborenes Leben, sondern auf die Zeit nach der Geburt. Ja, Ihre Aussage ist leider ganz unmissverständlich: ein behindertes Kind vermindert die Würde seiner Mutter. In logischer Konsequenz vermindert dann wohl auch ein erwachsener Mensch mit Behinderung die Würde der Personen in seiner Umgebung? Wie sollten wir dann mit ihm umgehen?

Als Jurist wissen Sie: die Menschenwürde ist in den allgemeinen Menschenrechten verbrieft. Diese Würde des Menschen ist immer wieder bedroht durch Willkür, Rechtlosigkeit, Gewalt, Folter und Entzug der Meinungsfreiheit. Am allermeisten verletzen weltweit die Folterknechte totalitärer Regime die Würde des Menschen. Sie erweitern nun allen Ernstes diesen Kanon des Schreckens um Menschen mit Behinderung? Das verdient nicht nur einen „Dolm“ das ist auch „Jenseits“!

Aber warum sehen Sie in dieser Logik eigentlich nur pränatalen Handlungsbedarf? Warum schränken Sie sie auf Menschen mit Behinderung ein? Es gibt ja auch andere komplexe zwischenmenschliche Herausforderungen im täglichen Leben: Auch alte, demente oder psychisch kranke Menschen könnten Ihrer Logik zufolge die Würde ihrer Umgebung „verletzen“. Wie bei Menschen mit schwereren Behinderungen müssen Sie hier nämlich mit Pflegebedarf und herausforderndem Verhalten rechnen. Wie schlagen Sie vor mit diesen Menschen umzugehen?

Tatsächlich spielen Sie leider nur die Würde von Menschen gegeneinander aus und das Ergebnis lautet 1:0 gegen den Menschen mit Behinderung!

In Wahrheit wird die Würde von Menschen mit Behinderung nicht nur von gedankenlosen Kommentaren wie diesem verletzt und beeinträchtigt sondern nach wie vor durch sehr nachhaltige Ausgrenzung, Stigmatisierung und soziale Behinderung. In Zeiten der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung sollte sich das beim von mir sonst hochgeschätzten Falter langsam herumgesprochen haben.

Wenn es Ihnen diesbezüglich an Einblick fehlt rate ich dazu, einmal eine international anerkannte Menschenrechtsexpertin wie Frau Mag. Marianne Schule, Vorsitzende des österreichischen Monitoringausschusses zu diesem Themenkreis einzuladen und zu befragen.

Mit einer Klarstellung und einer Entschuldigung Menschen mit Behinderung gegenüber täten Sie vorerst aber ganz sicher nichts Falsches!

Mit freundlichen Grüßen,
Robert Mittermair
Sprecher IVS Wien

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