Geldgierige Wohlfahrt: Die gesamte Branche lebt von der Exklusion

Am 15. Juli 2011 erschien in der deutschen Tageszeitung TAZ ein Kommentar von Rainer Kreuzer mit diesem Titel zu den Auswirkungen deutscher Behindertenpolitik.

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„Eigentlich sollte man meinen, dass gemeinnützige Einrichtungen und Träger im Dienste des Gemeinwohls arbeiten. Doch weit gefehlt! In den vergangenen 20 Jahren haben sich die Anbieter pädagogischer Hilfen auf staatliche Vorgaben hin in kapitalistische Musterbetriebe umgewandelt“, analysiert Rainer Kreuzer in dem TAZ-Kommentar, der schonungslos Kritik an den derzeitigen Praktiken übt.

Nichts sei den Wohlfahrtsunternehmen meist „gemeinnützigen GmbHs“ wichtiger „als Umsätze zu steigern, Kapazitäten auszulasten, neue Märkte zu erschließen, Konkurrenten zu verdrängen“ und behinderte Menschen „für den geschlossenen Verwertungskreislauf von der Frühförderung bis zur Werkstatt, vom Behindertenheim bis hin zu den ambulanten Diensten und der anschließenden Pflege zu akquirieren“.

„Behindertenindustrie“

Kreuzer nennt dies eine „Behindertenindustrie“ und fasst zusammen: „Die gesamte Branche lebt von der Exklusion.“ Die Inklusion – wie sie die UN-Behindertenrechtskonvention vorschreibt – ist so nicht erreichbar.

Ziel sei die „lukrative Unselbstständigkeit“ behinderter Menschen und in dieser Konsequenz fließen 90 % der Gelder in stationäre Einrichtungen.

„Das Geld fließt in Strömen“

Am Geld liegt es nicht, meint Kreuzer, denn „die desaströse Bilanz der deutschen Behindertenhilfe lässt sich mit mangelnden Finanzen nicht erklären. Das Geld fließt in Strömen. Es wird allerdings zweckentfremdet eingesetzt. Finanziert wird die Behinderung, nicht deren Überwindung. Je mehr Hilfebedürftige, je höher deren Bedarf, desto mehr Geld erhalten die Dienstleister.“

Der Kommentar des Sozialpädagogen Rainer Kreuzer in taz.eeversucht nichts schönzureden, was nicht zu akzeptieren ist. Er spitzt Sachverhalte zu, um Fehlentwicklungen klar aufzuzeigen und ist deswegen sehr lesenswert.

Ist Deutschland so anders?

Diese Fehlentwicklungen sind kein nur auf Deutschland bezogenes Problem. Auch in Österreich gibt Aussonderungskonzerne mit monopolistischen Verträgen mit der Verwaltung. Selten werden diese so öffentlich, wie jüngst die Machenschaften in der Lebenshilfe Tirol.

In Sparzeiten wird das Geld dann knapp und immer weniger Geld findet den Weg zu den wirklich Betroffenen. Statt dessen jammern Dienstleister über nicht steigende Umsätze und führen eine Qualitätsdiskussion, die leider mit Qualität für die Betroffenen deutlich weniger zu tun hat, als mit höheren Leistungsentgelten für die Anbieter.

Dass dieses Problem auch in der Schweiz bekannt ist, zeigt ein Video aus dem Vorjahr mit dem Titel „Mitleids-Wirtschaft“.

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0 Kommentare

  • Treffender Beitrag und Filmchen

  • Der Artikel trifft es sehr gut. Ich habe selbst schon oft beobachtet, dass es egal ob bei Unterstützung durch Behörden oder auch Spendensammlern wie Nachbar in Not, Rotarier, Lions etc. am stärksten die Direkthilfe unterstützt wird (direkte Zuwendungen für einmalige Hilfen) aber nur sehr zögerlich die (effektiv billigere) Hilfe zur Selbsthilfe. Da heisst es dann, die Gelder müssten zu 90% an die Betroffenen gehen. Das ist oft kontraproduktiv, da Hilfe zur Selbsthilfe meist hohe eigene Kosten (Personal) verursacht und die Gelder daher nicht DIREKT an einzelne Betroffene fliesst.

    Das ist wie in der Entwicklungshilfe. Gibst du einem Hungernden einmal was, lebt er einen Tag, zeigst du ihm, wie er sich ernähren kann, lebt er ein Leben lang. Es geht immer um wirtschaftliche Abhängigkeit.

  • Im Grunde finden diese sich zum Eigennutz verselbständigenden Verwertungsmechanismen in allen Unterstützungssystemen statt. Während bei der Akutmedizin das Patientengut nur für wenige Tage bzw. Wochen und in der institutionellen Altenpflege für durchschnittlich einige Jahre verwertet werden kann, schlägt die Verwertung des Menschenmaterials bei der unwohlfahrtlichen „Behindertenhilfe“ und den psychiatrischen Befürsorgungen gleich viele Jahrzehnte, meist lebenslänglich zu Buche. Alle Dauer-VerAnstaltungen müssen abgesagt werden!

  • JA das trifft den Nagel auf den Kopf- Besten Dank für diesen Artikel…