Gewaltprävention in Österreichs Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen ist zunehmend Thema

Im Jahr 2019 startete das Projekt „Agentur Sonnenklar und Drehscheibe Peer-Streitschlichtung“. Das Projekt beschäftigt sich mit struktureller Gewalt in Tagesstrukturen und unterstützt Peer-Streitschlichterinnen und Peer-Streitschlichter auf ihrem Weg in die Praxis. Aktuell laufen die ersten Workshops.

Team Agentur Sonnenklar
FSW

Menschen mit Behinderungen sind deutlich häufiger von Gewalt betroffen als Menschen ohne Behinderungen.

Das ergab die Studie „Erfahrungen und Prävention von Gewalt an Menschen mit Behinderungen“, die im Dezember 2019 der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Mit dieser Studie gibt es erstmals aktuelle Daten zur Situation von Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen in Österreich.

Auch in der Praxis werden Schritte gesetzt, was die Prävention von Gewalt betrifft. Ein ebenfalls 2019 gestartetes Projekt beschäftigt sich mit struktureller Gewalt in tagesstrukturierenden Angeboten für Menschen mit Behinderungen.

Gemeinsam gegen strukturelle Gewalt in Tagesstrukturen

Darum geht es dem Projekt „Agentur Sonnenklar und Drehscheibe Peer-Streitschlichtung“. Das Projekt ist Teil der Projektreihe „Wiener Wege zur Inklusion“. Es wird vom Fonds Soziales Wien (FSW) gefördert und startete im Oktober 2019. Im Moment laufen die ersten Workshops. BIZEPS hat das zum Anlass genommen, sich das Projekt einmal anzusehen.

Ein Teil des Projektes ist eine Workshopreihe zum Thema strukturelle Gewalt in Einrichtungen mit tagesstrukturierenden Angeboten. In den verschiedenen Workshops denken Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Leiterinnen und Leiter sowie Kundinnen und Kunden über die Regeln in ihrer Einrichtung nach.

Projektleiterin Nicole Osimk erzählt:

Es geht bei uns wirklich um strukturelle Gewalt, das hat mit anderen Gewaltformen auch immer irgendwie zu tun, aber wir sind das erste Projekt, das nur spezifisch auf dieses Thema schaut und sich fragt – wie sind diese Einrichtungen aufgebaut und weil sie so aufgebaut sind, was macht das mit den Menschen, die sich dort bewegen.

Das sind oft simple Dinge wie der Raum an sich, der viel zu klein ist für eine viel zu große Gruppe, der Betreuungsschlüssel, der nicht zusammenpasst, der Gewalt dann einfach auch entstehen lässt.

Wenn es doch einmal Konflikte gibt, müssen die Streitenden eine gemeinsame Lösung finden. Dabei können sogenannte Peer-Streitschlichterinnen und Peer-Streitschlichter helfen. Im zweiten Teil des Projektes geht es um die Verankerung der Peer-Streitschlichtung in den Einrichtungen.

Unterstützung von Peer-Streitschlichterinnen und Peer-Streitschlichtern

Zehn Peer-Streitschlichterinnen und Peer-Streitschlichter haben 2018 bis 2019 eine Ausbildung im Aus- und Weiterbildungszentrum Soziales Wien (AWZ) des Fonds Soziales Wien gemacht.

Ein Praktikum bei der „Agentur Sonnenklar und Drehscheibe Peer-Streitschlichtung“ ist die letzte Phase der Ausbildung. Hier werden die Inhalte der Ausbildung noch einmal wiederholt. Die Peer-Streitschlichterinnen und Peer-Streitschlichter werden vor allem dabei unterstützt, ihr Angebot in den Tagesstrukturen bekannt zu machen. Auch dient die Agentur weiterhin als Ansprechstelle und hilft mit Supervision.

Eine Peer-Streitschlichterin, die im Moment mit der Agentur zusammenarbeitet, ist Sandra Seiser. Sie erzählt:

Ich arbeite gerne mit meinen zehn Kollegen, die ich habe. Wir sind eben ausgebildet worden, Leuten aus Streitsituationen zu helfen, wenn sie Streit untereinander haben.

Aber wir können natürlich auch helfen, wenn sie eine Lösung suchen wollen, wenn sie einen Streit mit einer Tagestrainerin haben, weil dem Menschen, der Streit hat, wenn der jetzt eine Beeinträchtigung hat, kann ich dem natürlich schon zu Rat gehen. Ich darf ihm keine Lösung vorgeben. Also die Lösung muss er selbst suchen.

Seiser erklärt außerdem, dass es eine wichtige Voraussetzung für eine Peer-Streitschlichterin oder einen Peer-Streitschlichter ist, sich auf andere einlassen zu können.

Um neutral bleiben zu können, arbeiten Peer-Streitschlichterinnen und Peer-Streitschlichter nicht in ihrer eigenen Einrichtung, erklärt Nicole Osimk.

Die Arbeit der Peer-Streitschlichterinnen und Peer-Streitschlichter ist ehrenamtlich. Die Frage der Bezahlung ist durchaus ein Thema, denn, so Osimk: „Sie leisten für viele Menschen eine ganz wichtige Arbeit und deshalb finden wir auch, dass es ein großes Manko ist, dass sie aktuell noch keine Anstellung und noch keine Bezahlung haben.“

Das Projekt läuft noch bis Oktober 2021. Nicole Osimk erhofft sich für das Projekt: „[..], dass wir tatsächlich es schaffen, dass alle Träger der Wiener Behindertenhilfe involviert sind in unser Projekt, dass wir gemeinsam über strukturelle Gewalt nachdenken in den Einrichtungen und es schon auch schaffen, dass sich Dinge verändern.“

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